Die Gedichte. Auswahl. Else Lasker-Schüler

Die Gedichte. Auswahl - Else Lasker-Schüler


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      Mein KindMein Kind [19.]

      Mein Kind schreit auf um die MitternachtMein Kind schreit auf um die Mitternacht

      Und ist so heiß aus dem Traum erwacht

      Wie meine sehnende Jugend.

      Gäb’ ihm so gern meines Blutes Mai,

      Spräng’ nur mein bebendes Herz entzwei. 5

      – Der Tod schleicht im Hyänenfell

      Am Himmelsstreif im Mondeshell.

      Aber die Erde im Blütenkeusch

      Singt Lenz im kreisenden Weltgeräusch.

      Und wundersüß küsst der Maienwind 10

      Als duftender Gottesbote mein Kind.

      [20]MeinlingchenMeinlingchen [20.]

      (Meinem Jungen zu eigen)

      Meinlingchen sieh mich an –Meinlingchen sieh mich an –

      Dann schmeicheln tausend Lächeln mein Gesicht,

      Und tausend Sonnenwinde streicheln meine Seele,

      Hast wie ein Wirbelträumchen

      Unter ihren Fittichen gelegen. 5

      Nie war so lenzensüß mein Blut,

      Als Dich mein Odem tränkte,

      Die Quellen Edens müssen so geduftet haben

      Bis Dich der Muttersturm

      Aus süßem Dunkel 10

      Von meinen Herzwegen pflückte

      Und Dich in meine Arme legte,

       In ein Bad von Küssen.

      MüdeMüde [21.]

      All’ die weißen SchlafeAll’ die weißen Schlafe

       Meiner Ruh’

      Stürzten über die dunklen Himmelssäume.

      Nun deckt der Zweifel meine Sehnsucht zu

      Und die Qual erdenkt meine Träume. 5

      O, ich wollte, dass ich wunschlos schlief,

      Wüsst’ ich einen Strom, wie mein Leben so tief,

      Flösse mit seinen Wassern.

      [21]MelodieMelodie [22.]

      Deine Augen legen sich in meine AugenDeine Augen legen sich in meine Augen

      Und nie war mein Leben so in Banden,

      Nie hat es so tief in Dir gestanden

      Es so wehrlos tief.

      Und unter Deinen schattigen Träumen 5

      Trinkt mein Anemonenherz den Wind zur Nachtzeit,

      Und ich wandle blühend durch die Gärten

      Deiner stillen Einsamkeit.

      WeltendeWeltende [23.]

      Es ist ein Weinen in der WeltEs ist ein Weinen in der Welt,

      als ob der liebe Gott gestorben wär,

      und der bleierne Schatten, der niederfällt,

      lastet grabesschwer.

      Komm, wir wollen uns näher verbergen … 5

      Das Leben liegt in aller Herzen

      wie in Särgen.

      Du, wir wollen uns tief küssen …

      Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,

      an der wir sterben müssen. 10

      [22]Die LiebeDie Liebe (Es rauscht durch unseren Schlaf) [24.]

      Es rauscht durch unseren SchlafEs rauscht durch unseren Schlaf

      Ein feines Wehen wie Seide,

      Wie pochendes Erblühen

      Über uns beide.

      Und ich werde heimwärts 5

      Von Deinem Atem getragen,

      Durch verzauberte Märchen,

      Durch verschüttete Sagen.

      Und mein Dornenlächeln spielt

      Mit Deinen urtiefen Zügen, 10

      Und es kommen die Erden

      Sich an uns zu schmiegen.

      Es rauscht durch unseren Schlaf

      Ein feines Wehen wie Seide –

      Der weltalte Traum 15

      Segnet uns beide.

      TraumTraum [25.]

      Der Schlaf entführte mich in Deine GärtenDer Schlaf entführte mich in Deine Gärten,

      In Deinen Traum – die Nacht war wolkenschwarz umwunden –

      Wie düstere Erden starrten Deine Augenrunden,

      Und Deine Blicke waren Härten.

      [23]Und zwischen uns lag eine weite, steife, 5

      Tonlose Ebene .......

      Und meine Sehnsucht hingegebene,

      Küsst Deinen Mund, die blassen Lippenstreife.

      EvaEva [26.]

      Du hast Deinen Kopf tief über mich gesenktDu hast Deinen Kopf tief über mich gesenkt,

      Deinen Kopf mit den goldenen Lenzhaaren,

      Und Deine Lippen sind von rosiger Seidenweichheit,

      Wie die Blüten der Bäume Edens waren.

      Und die keimende Liebe ist meine Seele, 5

      O, meine Seele ist das vertriebene Sehnen,

      Und Du zitterst von Ahnungen

      Und weißt nicht, warum Deine Träume stöhnen.

      Und ich liege schwer auf Deinem Leben,

      Wie eine tausendstämmige Erinnerung. 10

      Und Du bist so blindjung, so adamjung ....

      Du hast Deinen Kopf tief über mich gesenkt.

      RuthRuth [27.]

      Und Du suchst mich vor den HeckenUnd Du suchst mich vor den Hecken,

      Ich höre Deine Schritte seufzen,

      Und meine Augen sind schwere dunkle Tropfen.

      [24]In meiner Seele blühen süß Deine Blicke

      Und füllen sich, 5

      Wenn meine Augen in den Schlaf wandeln.

      Am Brunnen meiner Heimat

      Steht ein Engel,

      Der


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