Die Gedichte. Auswahl. Else Lasker-Schüler

Die Gedichte. Auswahl - Else Lasker-Schüler


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Der singt das Lied Ruths. 10

      Als ich noch im Flügelkleide …Als ich noch im Flügelkleide ... [28.]

      Unter süßem VeilchenhimmelUnter süßem Veilchenhimmel

      Ist unsere Liebe aufgegangen,

      Und ich suche allerwegen

      Nach Dir und Deinen Morgenwangen.

      Und den Ringelrangelhaaren 5

      Rötlichblonden Rosenlocken,

      Und den frühlingshellen Augen,

      Die so frischfreifrohfrohlocken.

      Zwischen dicken Gummipflanzen

      Lauern hinter Irdentöpfen 10

      Strickpicknadelspitze Augen

      Tüksch aus bitteren Frauenköpfen.

      Dass die beiden alten Damen

      Hinter unsere Liebe kamen

      Und Dich in Gewahrsam nahmen, 15

      Sind die Dramen unserer Herzen.

      [25]Mein stilles LiedMein stilles Lied [29.]

      Mein Herz ist eine traurige ZeitMein Herz ist eine traurige Zeit,

      Die tonlos tickt.

      Meine Mutter hatte goldene Flügel,

      Die keine Welt fanden.

      Horcht, mich sucht meine Mutter, 5

      Lichte sind ihre Finger und ihre Füße wandernde Träume.

      Und süße Wetter mit blauen Wehen

      Wärmen meine Schlummer

      Immer in den Nächten,

      Deren Tage meiner Mutter Krone tragen. 10

      Und ich trinke aus dem Monde stillen Wein,

      Wenn die Nacht einsam kommt.

      Meine Lieder trugen des Sommers Bläue

      Und kehrten düster heim.

      Verhöhnt habt ihr mir meine Lippe 15

      Und redet mit ihr.

      Doch ich griff nach euern Händen,

      Denn meine Liebe ist ein Kind und wollte spielen.

      Einen nahm ich von euch und den zweiten

      Und küsste ihn, 20

      Aber meine Blicke blieben rückwärts gerichtet

      Meiner Seele zu.

      [26]Arm bin ich geworden

      Von eurer bettelnden Wohltat.

      Und ich wusste nichts vom Kranksein, 25

      Und bin krank von euch,

      Und nichts ist diebischer als Kränke,

      Sie bricht dem Leben die Füße,

      Stiehlt dem Grabweg das Licht,

      Und verleumdet den Tod. 30

      Aber mein Auge

      Ist der Gipfel der Zeit,

      Sein Leuchten küsst

      Gottes Saum.

      Und ich will euch noch mehr sagen, 35

      Bevor es finster wird zwischen uns.

      Bist Du der Jüngste von euch,

      So sollst Du mein Ältestes wissen.

      Auf Deiner Seele werden es fortan

      Alle Welten spielen. 40

      Und die Nacht wird es wehklagen

      Dem Tag.

      Ich bin der Hieroglyph,

      Der unter der Schöpfung steht.

      [27]Und ich artete mich nach euch, 45

      Der Sehnsucht nach dem Menschen wegen.

      Ich riss die ewigen Blicke von meinen Augen,

      Das siegende Licht von meinen Lippen –

      Weißt Du einen schwereren Gefangenen,

      Einen böseren Zauberer, denn ich. 50

      Und meine Arme, die sich heben wollen,

      Sinken ......

      Mein VolkMein Volk [30.]

      Der Fels wird morschDer Fels wird morsch,

      Dem ich entspringe

      Und meine Gotteslieder singe ....

      Jäh stürz ich vom Weg

      Und riesele ganz in mir 5

      Fernab, allein über Klagegestein

      Dem Meer zu.

      Hab mich so abgeströmt

      Von meines Blutes

      Mostvergorenheit. 10

      Und immer, immer noch der Wiederhall

      In mir,

      Wenn schauerlich gen Ost

      Das morsche Felsgebein,

      Mein Volk, 15

      Zu Gott schreit.

      [28]ZebaothZebaoth [31.]

      Gott ich liebe Dich in Deinem RosenkleideGott ich liebe Dich in Deinem Rosenkleide,

      Wenn Du aus Deinen Gärten trittst, Zebaoth.

      O, Du Gottjüngling,

      Du Dichter,

      Ich trinke einsam von Deinen Düften. 5

      Meine erste Blüte Blut sehnte sich nach Dir,

      So komme doch,

      Du süßer Gott,

      Du Gespiele Gott,

      Deines Tores Gold schmilzt an meiner Sehnsucht. 10

      Mein SterbeliedMein Sterbelied (Die Nacht ist weich von Rosensanftmut ...) [32.]

      Die Nacht ist weich von Rosensanftmut …Die Nacht ist weich von Rosensanftmut ...

      Komm gieb mir Deine beiden Hände her,

      Mein Herz pocht spät

      Und durch mein Blut

      Wandert die letzte Nacht und geht 5

      Und naht so weit und ewig wie ein Meer.

      Und hast Du mich so sehr geliebt,

      So nimm das Jubelndste von Deinem Tag,

      Gieb mir, was keine Wolke trübt,

      Das Gold von seinem frühsten Lenzschein … 10

      Es wallen Harmonien aus der Nachtlandferne

      Ich ziehe ein

      Und werde Leben sein

      Und Leben mich an Leben schmiegen,

      [29]Wenn


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