Vom Beten. Ole Hallesby

Vom Beten - Ole Hallesby


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dass das Ganze so neu und ungewohnt ist, sondern es ist so unverständlich.

      Zu Gottes Wesen gehört, dass er unbegreiflich ist. Er ist so groß, dass kein Geschöpf ihn völlig verstehen kann. Und so kann kein Mensch Gott begegnen, ohne auch auf seine Unbegreiflichkeit zu stoßen. Und es dauert gar nicht lange, bis der wache Sünder die bange Frage stellt: Warum bekomme ich keinen Frieden, keine Gewissheit, keine Freude? Warum hilft mir Gott nicht in meiner Not, die ich kaum noch ertragen kann? Warum lässt er mich in ewige Verdammnis sinken, wenn er doch sieht, wie gern ich erlöst werden möchte? Warum antwortet er nicht auf alle meine Notrufe?

      Wir können viel leiden, wenn wir den Grund unserer Leiden und ihren Zweck erkennen können. Aber das Unbegreifliche, das uns so leicht zum Sinnlosen wird, beunruhigt uns und rührt uns mehr auf als alles andere. Darum gibt es überhaupt nichts, an dem wir leichter Anstoß nehmen als gerade an dieser Unbegreiflichkeit Gottes. Keine Wesensart Gottes erschüttert darum unser Selbstvertrauen und unsere Selbstsicherheit so schnell wie diese Unbegreiflichkeit.

      Das veranlasste Jesus, die wehmütigen Worte zu sprechen: »Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert« (Matth. 11,6).

      Wir kommen zum ersten Mal zu einem Punkt, wo wir nicht wissen, was wir tun sollen. Wir sind unfähig, zu unserem alten Leben zurückzukehren, können aber auch nicht den Weg zu Gott finden. Wir haben noch nicht gelernt, uns dem unbegreiflichen Gott zu übergeben. Darum ist unser ganzes Menschenwesen in Aufruhr. Das Unbegreifliche erfüllt uns stets mit einer lähmenden Angst.

      Der Mensch, der diese Angst aushält, ohne vor Gott und seinem eigenen Gewissen zu flüchten, der vor dem unbegreiflichen Gott stehen bleibt, erlebt nun ein Wunder: Gott zerbricht sein Selbstvertrauen und seine Selbstsicherheit. Ohne zu verstehen, wie, wird der hilflose Sünder in die Gemeinschaft des unbegreiflichen Gottes gezogen. Es ist Gott selbst, der ihn durch Christus in den Stand versetzt, sich vor dem unbegreiflichen Gott zu beugen, sich gleichzeitig auf ihn zu verlassen und in ihm zu ruhen. Damit ist etwas sehr Entscheidendes im Leben des Sünders geschehen. Er ist versöhnt worden, nicht nur mit Gottes Unbegreiflichkeit, sondern ebenso mit seiner eigenen Hilflosigkeit. Während diese bisher sein ganzes Wesen in Aufruhr und Angst versetzte, hat er nun die Hilflosigkeit als die eigentliche Stellung des Sünders Gott gegenüber erlebt. Nicht durch Reflexion, sondern durch die Gewissheit des Erlebens weiß er nun, dass ein zartes Kind nicht hilfloser ist im Verhältnis zu seiner Mutter als er im Verhältnis zu seinem Gott. In allen Einzelpunkten bleibt er hilflos, ob es sich um die Vergebung der Sünden, ihre Überwindung, das neue Leben in seiner Seele, das Wachsen in der Gnade oder um die Treue im täglichen Zusammenleben mit Gott und Menschen handelt.

      Nun geht die Hilflosigkeit auf neue Weise in das Gebetsleben ein. Zunächst war sie das Sturmzentrum des Gebets, das entweder den Notschrei herauspresste oder die Seele verstummen ließ. Jetzt wird das ganze Gebetsleben von der Hilflosigkeit getragen. Das zerknirschte Herz weiß, dass es Gott gegenüber nichts vermag, dass es aber auch nichts weiter braucht, als sich in seine Hilflosigkeit zu finden und sich von dem großen und heiligen Gott bedienen zu lassen, genau wie das kleine Kind sich von der Mutter bedienen lässt.

      Darum besteht Beten ganz einfach darin, Gott den ganzen Tag zu erzählen, in welcher Weise wir uns hilflos fühlen. Das Gebet wird intensiver, wenn Gottes Geist unsere Hilflosigkeit unterstreicht und wir erkennen müssen, wie ohnmächtig unsere Natur ist, zu glauben, zu lieben, zu hoffen, zu dienen, zu opfern, zu leiden, zu lesen, zu beten und gegen die Lust der Sünde zu kämpfen.

      Wohl geschieht es oft, dass wir herausgleiten aus dieser seligen Stellung der Hilflosigkeit gegenüber Gott. Das alte Selbstvertrauen, die frühere Selbstsicherheit erheben den Kopf. Und die Folge ist, dass wir mit der Hilflosigkeit wieder in Streit kommen. Sie erfüllt uns von neuem mit Angst und Verwirrung. Alles wird unklar für uns. Die Sündenvergebung wird unsicher. Der Frieden verschwindet aus dem Herzen. Gleichgültigkeit, Trägheit und geistliche Interessenlosigkeit legen sich quälend über das Seelenleben. Sünden übermannen uns im täglichen Leben, und der unwillige Geist drängt sich in unseren Dienst hinein.

      Das dauert so lange, bis Gott wieder unser Herz »demütigt« und wir aufs Neue erkennen, dass wir hilflose Sünder sind, die nichts anderes vermögen als sich begnaden, lieben und pflegen zu lassen von dem unbegreiflichen Gott. Dann bringt die Hilflosigkeit wieder Ordnung in unser Verhältnis zu Gott und auch zu den Menschen. Und vor allen Dingen stellt sie die richtige Gebetshaltung wieder her.

      Die Hilflosigkeit beim Beten ähnelt sehr dem Zustand, in dem sich der Lahme und Gichtbrüchige befand. Anfänglich war es peinvoll, ja beinahe unerträglich, so hilflos zu sein, dass er nicht einmal einen Löffel zum Munde führen oder eine Fliege vom Gesicht abwehren konnte. Es ist leicht, zu verstehen, dass er das nicht ohne gewaltigen inneren Protest ertragen hat, vielmehr durch alle möglichen Mittel versuchte, seine Glieder wie vorher zu gebrauchen. Schließlich hat er sich doch mit seiner Krankheit abgefunden und in seine Hilflosigkeit ergeben. Er ist genauso hilflos wie vorher. Aber dieser Zustand ängstigt und peinigt ihn nicht mehr. Er gehört zu ihm wie ein Teil seines Lebens und prägt alle seine Bewegungen und sein ganzes Dasein. Zu allem braucht er Hilfe. Das ist demütigend. Aber beachte auch, wie die Demütigung ihn gewandelt hat. Sein Bitten um Hilfe – still und anspruchslos – ist beinahe ein Bitten um Verzeihung dafür, dass er Hilfe in Anspruch nehmen muss. Wie dankbar ist er für die geringste Hilfe! Alle seine Gedanken und Pläne sind von seiner Hilflosigkeit her bestimmt. Er ist völlig abhängig von dem, der ihn pflegt. Und wir beobachten, wie diese Abhängigkeit eine ganz besondere Verbundenheit zwischen ihm und dem Pflegenden herstellt.

      Ein festeres Band kann unter Menschen nicht geknüpft werden.

      Genauso soll uns unsere Hilflosigkeit an Gott knüpfen, wobei unsere Abhängigkeit von ihm nicht stark genug betont werden kann. Denke nur an Worte Jesu wie dieses: »Ohne mich könnt ihr nichts tun« (Joh. 15,5). Hier sagt er in einem einzigen Satz, woran wir unser ganzes Leben lernen. Und selbst wenn wir an die Pforte des Todes kommen, haben wir dieses noch nicht vollkommen gelernt.

      Ich kann es nicht lassen, die Hilflosigkeit zu unterstreichen; denn sie ist das Entscheidende, nicht nur in unserem Gebetsleben, sondern in unserem ganzen Verhalten zu Gott. Solange wir unsere Hilflosigkeit kennen, kann uns keine Schwierigkeit überraschen, keine Not verwirren, kein Hindernis erschrecken. Wir erwarten nichts von uns selbst und breiten darum alle Schwierigkeiten und Hindernisse im Gebet vor Gott aus. So öffnen wir Gott die Tür und geben ihm die Möglichkeit, seine wunderbare Kraft an unserer Hilflosigkeit zu offenbaren.

      2. Glaube

      Jetzt komme ich an die zweite Seite der Gesinnung, die Gott anerkennt als Gebet, das zu ihm von der Erde ruft, mit Worten oder ohne Worte. Nur wenn auch sie erfüllt ist, hat unser Herz die Haltung, die Gott als Gebet anerkennt, das zu ihm von der Erde aufsteigt, sei es mit oder ohne Worte. Es steht geschrieben: »Ohne Glauben ist’s unmöglich, Gott zu gefallen« (Hebr. 11,6). Ja, ohne Glauben gibt es kein Gebet, so groß auch die Hilflosigkeit sein mag. Erst Hilflosigkeit und Glaube vereint bringen das Gebet hervor. Ohne Glauben ist die Hilflosigkeit nur ein nutzloser Notschrei in die Nacht.

      Ich brauche den Glauben nur zu erwähnen, und alle Beter wissen, dass wir hier einen der empfindlichsten Punkte des Gebetslebens berühren.

      Immer wieder heißt es in der Bibel, dass wir im Glauben beten müssen, wenn wir erwarten wollen, dass wir erhört werden.

      »Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so werdet ihr nicht allein Taten wie die mit dem Feigenbaum tun, sondern, wenn ihr zu diesem Berge sagt: Heb dich auf und wirf dich ins Meer! So wird es geschehen. Und alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, werdet ihr’s empfangen« (Matth. 21,21-22).

      »Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?« (Joh. 11,40).

      »Dir geschehe, wie du geglaubt hast« (Matth. 8,13).

      »Aber er bitte im Glauben und zweifle nicht; denn wer zweifelt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Wind getrieben und bewegt wird. Ein solcher Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde. Ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen Wegen« (Jak. 1,6-8).

      Diese


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