WinterLust | Erotische Geschichten. Amy Walker
was ich da rede. Normalerweise bin ich nicht so durch den Wind ...«
»Was unser Gespräch wieder auf dich zurückbringt«, ergänzt Cal und lacht leise. Was für ein angenehmer Ton. In meinem Nacken beginnt es zu kribbeln. »Also, Melody, erzähl mir doch, warum du so durch den Wind bist und dieses Jahr schnell hinter dich bringen willst«, fährt Cal fort, beugt sich noch weiter zu mir herüber und lächelt mich gespannt von der Seite an. Sein muskulöser Oberarm berührt mich an der Schulter, das Kribbeln breitet sich in meinem ganzen Körper aus.
»Angefangen hat es damit, dass irgendein Idiot oder eine Idiotin – ich weiß nicht, ob Mann oder Frau – Silvester zu heftig gefeiert hat, mein am Straßenrand geparktes Auto dann derart hart gerammt hat, dass der Rahmen verzogen und es reif für den Schrottplatz war, und dann abgehauen ist. Im Februar ist mein Hamster gestorben, im März habe ich meine Schlüssel verloren und musste das Schloss meiner Wohnungstür auf eigene Kosten austauschen lassen. Im April hat es nur geregnet. Im Mai bekam ich übelsten Heuschnupfen, der sich bis zum Juli hinzog. Im August habe ich plötzlich eine Sonnenallergie entwickelt, im September lag ich zwei Wochen mit einer Grippe im Bett und habe an der Uni jede Menge verpasst. Den Schnupfen wollte ich gar nicht mehr loswerden, also habe ich ihn gleich bis Anfang Oktober behalten, was es mir auch nicht gerade erleichtert hat, den Lernstoff nachzuholen. Und am Ende des Monats musste ich meine Wohnung aufgeben«, sprudelt es aus mir heraus. Warum ich plötzlich so redselig bin, verstehe ich selbst nicht. Aber Cal rührt irgendetwas in mir an.
»Klingt nach einem wirklich beschissenen Jahr«, erwidert dieser trocken und stößt sich von der Arbeitsplatte ab. Dabei war das nur die Softversion, denke ich und beobachte ihn neugierig dabei, wie er mir den Rücken zugewandt in einem Küchenschrank herumkramt. Tatsächlich haben mich diese vielen kleinen Schläge viel härter getroffen, als ich Cal mit meinem lockeren Tonfall vermuten lasse. Aber immerhin hatte die ganze Sache auch was Gutes: Dieser Weg hat mich zu dem wohl heißesten Mann geführt, dem ich jemals begegnet bin ...
»Was wird das?«, frage ich Cal, als ich mich wieder ganz auf ihn konzentriere. Das Jahr ist bald vorbei und ab jetzt geht es wieder bergauf. Das habe ich mir fest vorgenommen.
»Abwarten ...«, murmelt Cal, zieht eine Salatschüssel aus Kunststoff aus dem Schrank und nickt zufrieden. Will er sich jetzt ernsthaft was zu essen machen, nachdem ich gerade offener mit ihm geredet habe, als ich eigentlich vorhatte? – Um genau zu sein, bin ich zum ersten Mal richtig aufrichtig mit ihm. Er hatte nämlich eigentlich nach einem männlichen Mitbewohner gesucht. Also habe ich ihn über mein Geschlecht im Unklaren gelassen und mich bei meiner Bewerbung um das Zimmer im Chat als Mel ausgegeben. Zu meinem Glück scheint er aber nicht nur zu wollen, dass Frauen sich mit ihm wohlfühlen, sondern ihnen gegenüber auch einem gewissen Helferkomplex zu unterliegen. Obwohl ihm klar sein musste, dass ich ihn absichtlich getäuscht habe, hat er mir das Zimmer ohne zu zögern überlassen. Anscheinend sorgt er sich tatsächlich aufrichtig um das Wohlbefinden seiner weiblichen Mitmenschen. Und damit komme ich unweigerlich wieder bei meiner Grübelei um seinen Ruf und dieser seltsamen Spannung an, die sich in den letzten Minuten zwischen uns ausgebreitet hat.
Cal scheint sie auch zu spüren, denn als er zum Küchentisch hinübergeht, wirkt seine Haltung deutlich angespannter als gewohnt. Sein Blick ist konzentriert und er beißt sich geistesabwesend auf die Unterlippe, während er die Salatschüssel umdreht, in die Mitte des Tisches schiebt und mich dann anschaut. »Perfekt«, verkündet er und strahlt mich erwartungsvoll an.
»Hm, wenn du auf bizarre Weihnachtsdekoration stehst, dann ja.« Ich lege irritiert die Stirn in Falten. Was soll das?
»Das, liebe Melody«, teilt Cal mir mit belehrendem Tonfall mit und klopft auf den Boden der Salatschüssel, »ist ab morgen dein Adventskalender.«
»Was?!« Ich muss lachen. Verrückter Kerl! Doch so leicht lässt Cal sich nicht beirren. Er schenkt mir ein zauberhaftes Lächeln, bei dem sich alles in mir sehnsüchtig zusammenzieht, und kommt wieder zu mir herüber. »Ich finde den Gedanken grauenvoll, dass du dieses Jahr genauso beschissen beenden willst, wie es verlaufen ist. Lass mich dir die Adventszeit ein bisschen versüßen ...«
Oh mein Gott, wie niedlich ist das denn? Ein erwartungsvolles Kribbeln breitet sich in mir aus und wandert langsam durch meinen Körper nach unten. Ich kann mir nur allzu bildreich vorstellen, wie ein Kerl wie Cal mir das Leben versüßen könnte, und ich muss mich wieder einmal – wie so oft, seit Cals Ruf mir an die Ohren gedrungen ist – fragen, ob ich mich auf heißen Sex mit ihm einlassen würde.
»Okay ...«, antworte ich schließlich gedehnt. Es kann zumindest nicht schaden, herauszufinden, ob er sich auf mich einlassen würde. Wie gesagt, wir wohnen immerhin unter einem Dach ...
***
Ich kann es kaum erwarten zu sehen, was Cal unter die Salatschüssel gelegt hat. Dieser Gedanke treibt mich den ganzen nächsten Tag voran und ist der einzige Grund, weshalb ich mir die Stimmung trotz der anstrengenden Büffelei nicht endgültig verhageln lasse. Erwartungsvoll stürme ich am Abend in die Wohnung, schleudere die Winterstiefel von den Füßen und renne in die Küche.
»Fuck!« In meiner Ungeduld stoße ich mir den kleinen Zeh am Türrahmen an. »Scheiße, tut das weh!«
»Was ist passiert?«
Ich zucke zusammen, als Cal plötzlich hinter mir steht. Für gewöhnlich arbeitet er bis in die Abendstunden und kommt viel später als ich nach Hause. »Hab mir den Zeh angestoßen«, brumme ich leise. Wie soll ich ihm auch erklären, dass seine gut gemeinte Jahresrettungsaktion mich völlig aus der Bahn wirft?
»Na, dann wird es wohl endgültig Zeit, die Pechsträhne zu unterbrechen.« Er legt mir eine Hand in den Rücken und schiebt mich in die Küche. Meine Haut scheint an der Stelle, die er berührt, in Flammen zu stehen. Heiß flackert das Gefühl durch mich hindurch und sammelt sich in meiner unteren Körperregion zu glühendem Verlangen. Ich hätte gar nicht erst anfangen dürfen, darüber nachzudenken, dass Cal an etwas anderem als meiner regelmäßigen Mietzahlung interessiert sein könnte. Dafür, mir einen Kerl für einen One-Night-Stand zu suchen, hatte ich während der letzten aufreibenden Monate übrigens auch keine Zeit. Aber, verdammt, mich an einem Mann festzubeißen, für den ich vermutlich tabu bin – schließlich will er die Sache mit uns sicher nicht verkomplizieren, um womöglich bald wieder nach einem neuen Untermieter suchen zu müssen – kann ich jetzt schon gar nicht gebrauchen.
»Ich hoffe, du hast gute Noten unter die Salatschüssel gelegt«, grummle ich. Das ist es nämlich, was ich wirklich brauche, wenn ich nicht will, dass das nächste Jahr so mies wird wie dieses.
»Läuft es im Studium nicht gut?«, hakt Cal sofort nach und hört auf, mich nach vorn zu schieben. Ich muss seufzen. Zum einen, weil es eine wahre Wohltat ist, mit jemandem über meine Situation zu reden, zum anderen, weil er beginnt, mit sanften Kreisen über meinen Rücken zu streicheln.
»Wenn ich die Abschlussprüfungen verpatze, werde ich ein paar Kurse wiederholen müssen. Und dann heißt es erst richtig buckeln, damit ich mein Stipendium nicht verliere«, schnurre ich und lehne mich auffordernd gegen die Berührung. Ich war so sehr mit meiner dementen Grandma, ihrem Umzug ins Pflegeheim – dank dessen ich mir ein Zimmer suchen musste, weil ich die Wohnung, die wir gemeinsam bewohnt haben, mit meinem knappen Einkommen nicht allein halten konnte – und nicht zuletzt dem Auszug aus meiner Wohnung beschäftigt, dass ich das Studium total habe schleifen lassen. Und davor war ich ja auch noch krank.
»In diesem Fall habe ich vielleicht genau das Richtige für dich ...« Plötzlich verschwindet Cals Hand von meinem Rücken und ich begreife, was ich da eigentlich tue. Ich biedere mich Cal ja regelrecht an!
»Na, dann wollen wir doch mal sehen«, erwidere ich, um von mir und meinem beschämenden Verhalten abzulenken, und gehe zum Küchentisch hinüber. Zum Glück steht er immer noch hinter mir und kann mein brennendes Gesicht nicht sehen.
»Massageöl?«, frage ich, als ich die Salatschüssel anhebe und ein unscheinbar wirkendes Fläschchen hervorhole, auf dem in verführerisch geschwungenen Buchstaben »Rosmarinöl« geschrieben steht. Meine Stimme klingt rau, aber das wundert mich nicht, nachdem mir beim Anblick des Öls eine wahre Flut an heißen Bildern