Berühmte Kriminalfälle   8. Band. Alexandre Dumas

Berühmte Kriminalfälle   8. Band - Alexandre Dumas


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murmelte Jakob, den Kopf schüttelnd, »obwohl das Alter Dich von diesem Fehler geheilt haben sollte, bist Du noch immer schnell und leichtsinnig in Deinen Äußerungen, als ob Du erst fünfundzwanzig Jahre zähltest. Es ist weder schön noch gut, das Betragen des Nächsten so ohne Grund zu tadeln, vorzüglich wenn dieses Betragen keinen Anlass zum Tadel gab, und ganz im Gegenteil sich als jenes eines Ehrenmannes und frommen Ritters betätigte.«

      »Nun denn,« versetzte Durand, »wenn Du seiner Höflichkeit so gewiss bist, warum gehst Du nicht dreist zu ihm hin, und fragst ihn nicht, woher er komme, und wer er sei?«

      »O! wenn Hannchen da wäre,« äußerte der Jüngste der drei Brüder, »würde sie es uns wohl sagen.«

      »Und warum glaubst Du, dass Deine Schwester mehr davon wüsste, als wir, Peter? Hat sie diesen Ritter jemals gesehen?«

      »Nein, mein Vater,« murmelte der junge Mensch, »ich glaube nicht, dass sie ihn jemals gesehen hat.«

      »Wie kommst Du also auf den Gedanken,« fragte Jakob mit einer strengen Miene, »dass sie, da sie ihn niemals sah, wissen könne, wer er ist?«

      »Ich habe unrecht gehabt, mein Vater,« entgegnete der junge Mensch, dem die ersteren, von ihm gesprochenen Worte gleichsam wider seinen Willen entschlüpft waren; »ich hätte nicht sagen sollen, was ich sagte, ich sehe es ein.«

      »In der Tat, bemerkte Meister Durand mit einem plumpen Lachen, »in der Tat, Bruder, wenn Deine Tochter Seherin und Wahrsagerin ist, wie man sagt, konnte sie vielleicht wissen . . .«

      »Stille, Bruder, versetzte Jakob mit jenem Tone patriarchalischen Ansehens, welches in unsern Tagen in der Strohhütte unserer Landleute das Haupt der Familie noch bewahret hat; »stille; mehr brauchte es nicht, als was Du so eben davon sprachest, um uns, wären Deine Worte von feindlichen Ohren vernommen worden in einen schlimmen Handel mit dem Official von Toul zu verwickeln. »Weib,« fuhr er fort, »wo ist denn Johanna, und warum nicht hier bei uns?«

      »Sie wird in der Kirche geblieben sein, um zu beten, antwortete jene, an welche Jakob diese Frage stellte.

      »Nein, meine Mutter, sagte der junge Mensch, »sie ging mit uns heraus, begab sich aber nach Hause, um Körnchen für ihn Vögel zu holen.«

      »Wahrhaftig, da kommt sie,« erwiderte die Mutter, einen Blick in die Straße werfend, in der sie wohnte; dann kehrte sie sich zu ihrem Manne, und fuhr mit einer schier flehenden Stimme fort: »Jakob, meinMann, zanke dieses arme Kind nicht aus, ich bitte Dich darum.«

      »Und warum sollte ich Johanna aus zanken?« versetzte Jakob; »sie hat nichts Böses getan.«

      »Nein, aber bisweilen fährst Du sie härter an, als es vielleicht passend sein dürfte. Es ist nicht ihre Schuld, wenn ihre Schwester zweimal so stark ist, als sie; zuvörderst ist jene achtzehn Monate älter, als sie, und in diesem Alter machen achtzehn Monate viel aus; ferner bringt Johanna, wie Du weißt, manchmal ganze Nächte im Gebete zu, so dass man ihr deshalb nicht zürnen darf, wenn sie den Tag über bisweilen wider ihren Willen einschläft, oder wenn es nach ihrem Erwachen scheint, dass ihre Seele noch schläft, so fremd bleibt ihr Leib Allem, was man ihr sagt. Aber bei allem dem, Jakob, ist Johanna eine gute und fromme Tochter; glaube, was ich Dir sage.«

      »Und bei allem dem, Weib, siehst Du Wohl, dass Jedermann über sie lacht, und selbst mein Bruder, der ihr Oheim ist. Es ist kein Segen in einer Familie, wenn sie derlei Sehende zählt, die man bald für Verrückte und bald für Propheten zu halten versucht wird.«

      »Deiner Ansicht unbeschadet, mein Vater,« bemerkte Peter, »Johanna ist geeignet, den Segen des Herrn in jede Familie zu bringen, der sie angehören würde, wär's auch die Familie eines Königs.«

      »Kind,« sagte Jakob, »nimm ein Beispiel an Deinen Brüdern, die kein Wort reden, obgleich sie älter sind, als Du, und die Männer und Greise sprechen lassen.«

      »Ich schweige, mein Vater,« antwortete ehrerbietig der junge Mensch.

      Inzwischen näherte sich das junge Mädchen, welches der Gegenstand des Gespräches war, langsam und ernst; es war ein schönes Kind von kaum siebzehn Jahren, groß, geschmeidig und gut gebaut, und dessen Gang etwas Ruhiges und Zuversichtliches hatte, das nicht der Erde angehörte; es war mit einem langen Rocke von azurblauer Wolle angetan, jenen Röcken gleich, in welche Beato Angelico die göttlichen Formen seiner Engel hüllt, und den an der Taille ein Strick von der nämlichen Farbe gürtet; es trug auf seinem Kopfe eine Art von Mütze von gleichem Stoffe, wie der Rock, das Ganze ohne irgend eine Verzierung von Silber oder Gold, und doch schien sie mit ihren schwarzen Augen, ihren blonden Haaren und ihrem blassen Teint, obwohl die Einfachste von Allen, die Gebieterin der jungen Mädchen des Dorfes zu sein.

      Jeder von den Sprechenden, die wir so eben auf den Schauplatz brachten, sah das junge Mädchen mit einem verschiedenen Ausdrucke der Physiognomie sich nähern: Meister Durand, mit jenem unsern Bauern so eigentümlichen schalkhaften Lächeln; Jakob, mit jener Ungeduld des Mannes, der eine Gelegenheit finden mochte, sich zu ärgern und sie vergebens sucht; die Mutter, mit jener schweigenden und beschützenden Besorgnis, mit welcher Gott selbst die Weibchen der Tiere begabte; die Beiden älteren Brüder, mit Unbekümmertheit; die Schwester, mit jener Lustigkeit, welche bewies, dass sie in dem so eben statt gefundenen kleinen Zwiste nichts sehr Ernstes gesehen hatte und Peter, mit jener Ehrerbietung, die er nicht nur für seine ältere Schwester fühlen musste, sondern die er auch für eine Heilige gefühlt hätte. Das junge Mädchen näherte sich immer ihrer Familie, aber ihre unbestimmten, obgleich auf diese viel geliebte Gruppe gehefteten Blicke, verkündeten sichtbar, dass die ihrem Leibe mitgeteilte Bewegung ganz maschinenmäßig war, und die Augen der Seele, den Augen des Leibes die Sorge überlassend, sie zu geleiten, anderswohin schauten.

      »Sei willkommen, Nichte Johanna,« sagte Meister Durand; »wir Alle wissen nicht, wie wir es anstellen sollen, um zu erfahren, wer jener Ritter ist, und Dein Bruder Peter da behauptet, dass Du, wenn Du so gütig sein möchtest, es uns sagen könntest.«

      »Welcher Ritter?' fragte Johanna.

      »Jener, der in die Kirche hineingegangen ist,« antwortete Durand.

      »Ich Hab' ihn nicht gesehen,« versetzte Johanna.

      »Wenn Du ihn nicht gesehen hast,« fuhr der Fragende fort, »so hast Du ihn wenigstens hören müssen, denn er machte mit seinem Panzerhemd und mit seinen eisernen Sandalen ein so großes Geräusch, dass selbst der Priester sich umwendete, um zu wissen, wer so eintrat.«

      »Ich hab' ihn nicht gehört,« sagte Johanna.

      »Wenn Du ihn weder gesehen noch gehört hast,« äußerte Jakob in übler Laune, »was Tatest Du dann, und an was dachtest Du also?«

      »Ich verrichtete mein Gebet, und dachte an mein, Seelenheil,« antwortete Johanna sanft.

      »Nun denn, wenn Du ihn nicht gesehen hast, so schau, denn da kommt er,« entgegnete Durand, indem er ihr mit dem Finger den Ritter wies, der in diesem Momente auf der Türschwelle erschien.

      »Er ist's!« rief Johanna aus, indem sie blässer als gewöhnlich wurde, und sich auf die Arme ihres jungen Bruders stützte, wie wenn sie fühlte, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen wollten.

      »Wer er?« fragte Jakob mit einem mit Unruhe gemischten Erstaunen.

      »Der Capitain Robert von Beaudricourt,« antwortete Johanna.

      »Und wer ist dieser Capitain Robert von Beaudricourt?« fragte Jakob immer erstaunter.

      »Ein tapferer Ritter,« versetzte Johanna, »der zur Partei des edlen Dauphin Karl hält, in der Stadt Vaucouleurs.«

      »Und wer hat Euch alle diese sauberen Sachen gesagt, Plaudertasche, die Ihr seid?« rief Jakob aus, der seinen Zorn nicht mehr bewältigen konnte.

      »Er ist's!« entgegnete Johanna; »dies ist Alles, was ich Euch sagen kann, mein Vater; denn jene, die es mir gesagt haben, können sich nicht täuschen.«

      »Meiner Treue,« äußerte Meister Durand, »ich will es genau wissen;


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