Bettina Fahrenbach Classic 9 – Liebesroman. Michaela Dornberg

Bettina Fahrenbach Classic 9 – Liebesroman - Michaela Dornberg


Скачать книгу
vor ihr dagewesen war. Auf dem Altar stand ein Strauß frischer weißer Rosen, und es brannten auf der seitlich stehenden metallenen Stellage Kerzen. Aber das verwunderte Bettina nicht. Die Fahrenbacher liebten die Kapelle und kamen einfach hierher, um die Stille zu genießen, um Kerzen anzuzünden, weil sie sich für etwas bedanken, weil sie um etwas bitten wollten. Einer legte Kerzen in das Fach, ein anderer brachte frische Blumen.

      Bettina zündete eine Kerze für ihren Vater an, eine aus Dankbarkeit, weil es ihr so gut ging und eine für Thomas, damit er endlich, endlich zu ihr kommen würde.

      Es war so unerträglich, den Mann, den man von ganzem Herzen liebte, kaum zu sehen, weil er in Amerika lebte.

      Bettina vermisste ihn, sehnte sich so sehr nach seiner Wärme, seiner Nähe.

      Als sie sich in eine der alten dunklen, schönen Holzbänke setzte und in die Flammen der Kerzen starrte, murmelte sie geradezu flehentlich: »Bitte, bitte, lieber Gott, mach, dass Thomas bald zu mir kommt …, für immer.«

      Sie schloss die Augen und dachte an Thomas und war ganz entsetzt, als sie merkte, dass sie sich nicht mehr, wie sonst ohne weiteres möglich, vollkommen auf ihn konzentrieren konnte.

      Beinahe panikartig verließ sie die kleine Kapelle. Sie sah nicht die üppig blühenden Blumen, hörte nicht das Murmeln des Baches, nicht das Gezwitscher der Vögel.

      Sie war zutiefst erschüttert, weil es ihr zum ersten Male nicht gelungen war, sich ganz in ihre Gefühle und Gedanken und Träume für Thomas zu vertiefen. Es waren immer wieder andere Bilder aufgetaucht, die nichts mit ihrer Liebe zu tun hatten.

      *

      Während sie zum Friedhof radelte, beschloss Bettina, Thomas beim nächsten Telefonat vor die Alternative zu stellen, dass entweder er schnellstens nach Fahrenbach kam oder sie zu ihm nach Amerika reisen würde.

      Mails und Telefonate waren einfach nicht ausreichend, um ein liebendes Herz zufrieden zu stellen und es zu wärmen.

      Als sie ihr Fahrrad an der alten Friedhofsmauer abstellte, bemerkte sie, etwas abseits, versteckt durch dichte, hohe Büsche, das Auto von Frau Dr. von Orthen.

      Das war ja merkwürdig!

      Unwillkürlich schaute Bettina auf ihre Armbanduhr. Es war fast Mittag, und Frau Dr. von Orthen hatte bereits am Morgen den Fahrenbach-Hof verlassen.

      Wo war sie in der Zwischenzeit gewesen?

      Und was wollte sie auf dem kleinen Friedhof, auf dem nur Leute aus dem Dorf und von den umliegenden Bauernhöfen, die zu Fahrenbach gehörten, beerdigt wurden?

      Bettina zögerte.

      Wie sollte sie sich verhalten?

      Einfach zum Grab ihres Vaters gehen oder später wiederkommen?

      Nun, es konnte ja auch sein, dass Frau Dr. von Orthen den Friedhof überhaupt nicht besuchte, sondern nur zufällig hier parkte.

      Es konnte ja auch durchaus sein, dass sie sich entschlossen hatte, noch einmal die Gegend zu durchstreifen und einen langen Spaziergang zu machen, ehe sie nach Hause fuhr.

      Als Bettina durch das schmiedeeiserne Tor ging, entdeckte sie Frau Dr. von Orthen. Sie musste unmittelbar vor ihr angekommen sein, denn Bettina sah sie den kiesgeharkten Weg entlanggehen, in der rechten Hand eine langstielige rote Rose.

      Was hatte das zu bedeuten?

      Wem brachte sie eine rote Rose?

      Das tat man doch nur für jemanden, den man kannte, der einem etwas bedeutete.

      Aber jemand aus Fahrenbach?

      Bettinas Gedanken überschlugen sich.

      Jemandem Blumen auf das Grab zu bringen war eine Sache, eine andere jedoch war, jemandem eine rote Rose zu bringen. Rote Rosen waren das Symbol der Liebe.

      Und das passte irgendwie nicht. Frau Dr. von Orthen und jemand aus Fahrenbach? Wer denn? Es war unvorstellbar, denn meist lebten hier Familien, die fest verwurzelt waren. Niemand würde sich in eine kultivierte Frau verlieben und mit ihr ein Verhältnis anfangen.

      Bettina wurde überhaupt nicht bewusst, dass sie den Weg verließ und hinter einem üppigen, mannshohen Strauch Schutz suchte.

      Was sollte sie jetzt tun?

      Zurückgehen, damit Frau Dr. von Orthen nicht das Gefühl hatte, verfolgt zu werden?

      Sollte sie ihren Schritt beschleunigen und ihren ehemaligen Feriengast ganz zwanglos begrüßen?

      Sie erinnerte sich auf einmal, daß sie Frau Dr. von Orthen schon mal auf dem Friedhof begegnet war, ohne dem Treffen eine Bedeutung beizumessen.

      Aber heute?

      Schuld war die rote Rose!

      Was sie jetzt tat, war ihr überhaupt nicht bewusst. Sie kam hinter ihrem Strauch hervor, um sich sofort hinter den nächsten zu schleichen.

      Kleine Kinder machten auf diese Weise ihre Indianerspiele, um sich an ihre Opfer heranschleichen zu können, um sie schließlich zu überfallen.

      Sie wollte sich aber auf niemanden stürzen, um ihn zu überfallen. Irgendwie war ihre Neugier geweckt. Sie wollte sehen, wem sie die Rose bringen wollte.

      Frau Dr. von Orthen ging langsam und in Gedanken versunken ihres Weges. Es war der Weg, den Bettina auch gehen musste, um zum Grab ihres Vaters zu kommen.

      Frau Dr. von Orthen würde gleich das schlichte Holzkreuz erreicht haben. Dann musste sie sich entscheiden. Entweder musste sie es umrunden, um dann weiter geradeaus zu gehen oder sie musste nach rechts oder links abbiegen. Die linke Abzweigung führte auch zum Familiengrab der Fahrenbachs.

      Bettina hielt den Atem an, vor dem Kreuz verharrte Frau Dr. von Orthen kurz, dann bog sie nach links ab.

      Bettina atmete tief durch. Jetzt würde es für sie nicht mehr so leicht sein, Schutz hinter hohen Hecken zu finden. Aber wenn sie es schaffte, unbemerkt zu bleiben bis zu dem kleinen Gerätehäuschen, dann hatte sie von dort aus einen Blick bis zum Familiengrab.

      Vorsichtig überquerte sie den Weg und atmete auf, als sie Schutz hinter der weißen steinernen Wand fand.

      Ohne Eile und ohne etwas bemerkt zu haben, setzte Frau Dr. von Orthen ihren Weg fort.

      Bettina lugte vorsichtig um die Ecke.

      Frau Dr. von Orthen blieb vor dem Familiengrab der Fahrenbachs stehen. Das bedeutete nichts. Unabhängig davon, dass es ein wunderschön gepflegtes Grab war, hatte sie ja einige Tage auf dem Fahrenbach-Hof verbracht.

      Aber dann beugte sie sich herunter, sammelte heruntergefallene Blütenblätter auf, dann legte sie die Rose auf das Grab ihres Vaters.

      Bettina konnte nicht glauben, was sie da sah. Frau Dr. von Orthen und ihr Vater? Welchen Zusammenhang gab es da?

      Es hatte im Leben ihres Vaters keine Frau gegeben, das hätte sie schließlich gewusst.

      Aber die rote Rose war ein Indiz.

      Bettina merkte, wie ihre Handflächen feucht wurden, wie sie abwechselnd blass und rot wurde. Sie stand da wie erstarrt und wusste nicht, was sie tun sollte. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander.

      Ihr Vater und Frau Dr. von Orthen?

      Vielleicht hatte ja nur sie sich in ihn verliebt, und er hatte davon nichts gewusst?

      Aber diese Frau war nicht so etwas wie eine Stalkerin, die aus irregeleiteten Gefühlen jemanden verfolgte.

      Was auch immer, wenn sie jetzt nichts unternahm, würde sie es niemals erfahren.

      Sie atmete tief durch, dann kam sie aus ihrem Versteck hervor und ging zum Grab ihres Vaters. Unter ihren Füßen knirschte jetzt, weil sie nicht mehr achtsam sein musste, der Kies.

      Frau Dr. von Orthen blickte zur Seite. Entsetzen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie Bettina entdeckte, und jetzt war sie es, die abwechselnd rot und blass wurde und vor lauter Verwirrung nicht


Скачать книгу