Fielding Gray. Simon Raven

Fielding Gray - Simon Raven


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      »Das ist ein fundamentaler Unterschied, Sir.«

      »Wollen wir hoffen, dass wir nicht zu weit auseinanderliegen werden … Kommen Sie«, fuhr er abrupt fort, »und besuchen uns in Wiltshire? Irgendwann im September? Wir beide, Sie und ich, werden in diesem Schulquartal zu viel zu tun haben, um noch mal ausführlich miteinander zu reden. Aber es gibt zu dem Thema, über das wir gerade gesprochen haben, noch einiges zu sagen. Ganz zu schweigen von den praktischen Fragen, die für den Herbst zu regeln sind.«

      »Ich komme sehr gerne, Sir. Wann immer es Ihnen nach dem 7. September passt.«

      Ich erzählte ihm von Somerset und Peter.

      »Schön, schön«, sagte der Rektor und schälte sich aus dem Stuhl, um mich zu verabschieden. »Und vergessen Sie derweil bitte nicht: Ich sage nicht, dass Ihre Position unredlich ist. Sondern lediglich, dass sie mir zu wenig Kontur hat, um mich damit zufriedengeben zu können. Gute Nacht, Fielding.«

      Durchs Fenster war ein Blitz zu sehen.

      »Ah!«, sagte der Rektor. »So ein ordentliches Unwetter, dar­über freue ich mich immer.«

      Wir wandten uns beide dem Fenster zu. Ein zweiter Blitz stieß dreizackig ins Tal hinab.

      »Und beinahe hätte ich es vergessen«, sagte der Rektor, »wo eben ja alles ganz allgemein gesprochen war … Sorgen Sie bitte dafür, dass ich Sie nicht so häufig … oder zumindest weniger auffällig … zusammen mit Christopher Roland sehe.«

      »Er hat gesagt, dass man uns nicht so oft zusammen sehen sollte.«

      Draußen vor dem Fenster meines kleinen Studierzimmers Donner. Regen schießt aus dem Dunkel gegen das Glas. Christopher sitzt in dem Lehnstuhl links von der Tür, ich selbst am Schreibtisch, aufrecht, als würde ich ein Bewerbungsgespräch anlässlich eines Stellenangebots mit ihm führen.

      »Warum denn nicht?«

      »Hat er nicht wirklich gesagt. Es war ihm unangenehm, er sagte …«

      »Unangenehm? Warum, Fielding?«

      »Ich weiß nicht. – Natürlich weiß ich es. Weißt du, Christopher, ich … Ich bin …«

      »Ja, Fielding?«

      Nur ein kleines Wort, und dennoch hatte ich nicht den Mut, es zu sagen.

      »Ich … Wir beide … Wir fallen hier auf. Wir müssen uns diskret verhalten, das ist alles.«

      »Aber ich bin gern mit dir zusammen.«

      »Geht mir ja auch so. Aber wir müssen vorsichtig sein. Wenn wir unseren Frieden haben wollen, müssen wir vorsichtig sein. Gute Nacht, Christopher.«

      Das Gewitter klärte die Luft nicht. Noch tagelang herrschte eine feuchtschwere Hitze, während sich rundherum am Horizont die Wolken bedrohlich am Himmel herumdrückten, als warteten sie auf den richtigen Moment, um loszubrechen und ihr vernichtendes Werk anzurichten. An einem der Nachmittage stiegen Peter Morrison und ich, in Begleitung von Christopher und einem anderen Jungen namens Ivan Blessington, auf unsere Räder und fuhren zum Schwimmen an den Obelisk Pond, einen See mit sandigem Grund mitten im nahegelegenen Wald, der von einem Seitenarm der Themse mit klarem und frischem Wasser versorgt wurde und seinen Namen einem grotesken Monument verdankte, das ein Onkel von Königin Viktoria seiner morganatischen Ehefrau errichtet hatte.

      Wir waren dort nicht allein. Eine Gruppe Soldaten lümmelte an dem Sandstrand herum, ihre Feldblusen um sich verstreut, die kragenlosen Hemden weit offen. Sie rauchten Zigaretten und starrten zu den Mädchen einer auch in der Gegend gelegenen Privatschule hin, die hundert Meter weiter dekorativ bei einigen Badehütten ins Wasser stiegen. Als wir ankamen, musterten uns die Soldaten kurz, als befürchteten sie Konkurrenz, belächelten uns aber nur und wandten sich wieder den Badenden zu. Eine Aufsichtslehrerin rief nervös nach zwei oder drei Mädchen, die zügig von den Hütten wegschwammen, als würden sie von den Blicken der Soldaten angezogen. Die Mädchen kehrten um; die Soldaten zuckten mit den Schultern und fluchten. Wir vier gingen hinter die Bäume, um uns umzuziehen.

      Als wir zurückkamen, waren die Soldaten dabei, sich wieder anzuziehen und sich auf den Befehl eines rattengesichtigen Obergefreiten hin ganz gemächlich in Reih und Glied aufzustellen. Gelangweilt, schwitzend, mit schweren Augenlidern und außer Reichweite vom eben noch vielversprechenden Anblick des jungen weiblichen Fleisches, trösteten sie sich damit, mir und Christopher ironisch zuzupfeifen, als wir als Erste aus unserer Gruppe an ihnen vorbeikamen. Der rattengesichtige Obergefreite, der einen schwierigen Nachmittag vor sich liegen sah und sich nicht zu gut war, sich bei seinen Soldaten anzubiedern, trug auch ein paar Pfiffe mit bei und schaute dann nervös auf seine Uhr.

      »Augen geradeaus! Sagt den hübschen Damen auf Wiedersehen!«

      Verdrießlich lächelnd machten sich die Männer für weitere Befehle bereit.

      Ich ging zügig weiter. Christopher trat, etwas bange, aber entschlossen, auf den Obergefreiten zu.

      »Ihren Namen und Ihre Erkennungsnummer, bitte!«, sagte Christopher.

      »Und wer denkst du, dass du bist?«, knurrte der Obergefreite.

      »Ein Mitglied der Gesellschaft, das sich über Ihr Verhalten beschweren wird.«

      »So, man wird sich also über mein Verhaltön beschwerön, nicht wahr? – Stink ab, Kackarsch! Los, Junge, bevor ich …«

      »Würden Sie mir bitte Ihren Namen und Ihre Erkennungsnummer geben?«

      Der Obergefreite brachte sich in Positur, um den Trupp auf seinen bevorstehenden Triumph einzustimmen.

      »Nein, Graf Koks, ich werde Ihnen nicht meinen Namön und meine Erkennungsnummah gebön, wiewohl Sie an meinem Verhaltön auch Anstoß nehmen mögen – ha ha, und jetzt hau ab und spiel mir dir selbst – wenn du was zum Spielen hast.«

      Peter, ein Muskelpaket mit massivem Brustkasten, und Ivan, dem schwarze Locken vom Nacken bis zum Nabel wallten, waren nun auch angekommen und standen hinter Christopher.

      »Das wird Ihnen nichts helfen«, sagte Peter kühl. »Ich ken­ne Ihre Einheit. Der befehlshabende Offizier Ihrer Kompanie kommt immer zu unseren Cricketspielen. Es wird für ihn nicht schwer sein herauszufinden, welche seiner Männer heute Nachmittag hier im Wald trainiert haben. Und wer für sie verantwortlich war.«

      »Ach komm, Kumpel«, jaulte der Obergefreite eilfertig auf. »Es war doch bloß ein Scherz, weißt du, nur …« Aber Peter, Christopher und Ivan waren bereits weitergegangen, hinunter zum Wasser. Der Obergefreite blickte ihnen hinterher, zuckte, spuckte aus, wandte sich wieder seinen Männern zu und fing an, in einem schnellen, nervösen Singsang Kommandos zu geben, wobei er von Zeit zu Zeit grinsend und achselzuckend über seine Schulter zu uns herüberschaute.

      »Wirst du ihn melden?«, fragte Christopher.

      »Ja.«

      »Ich weiß nicht. Vielleicht doch besser nicht.«

      »Dann hättest du ihn ignorieren sollen. Was du bei solchen Leuten anfängst, musst du auch zu Ende führen. Sonst denken die, sie kommen damit durch.«

      »Aber dann bekommt er Ärger.«

      »Genau. Warum hast du denn sonst nach seiner Nummer gefragt?«

      Wir gingen ins Wasser und schwammen, der schwarze Ivan vorneweg, zu den Mädchen drüben am Ufer hin. Die Badekappenköpfe drehten sich rasch in unsere Richtung, drehten sich wieder weg und dann wieder her, mit aufmerksamen, neu­gierigen Mienen. Ivan, der uns zwanzig Meter voraus war, pflügte mit der Hand über die Wasseroberfläche und bespritzte das Mädchen, das ihm am nächsten stand.

      »Schön warm, oder?«, rief er.

      Die nervöse Lehrkraft, die unsere Invasion misstrauisch beäugt hatte, lächelte erleichtert, als sie Ivans gefahrlose Privatschulaussprache hörte.

      Dennoch: »Noch zwei letzte Minuten, Mädchen!«, kreischte sie.

      Ich selbst tauchte ab und schwamm


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