Wyatt Earp Classic 44 – Western. William Mark D.
trat jetzt nahe an ihn heran.
»Paßt Ihnen das etwa nicht?«
Lambert sah ihm offen in die Augen. »Nein, Mister Behan«, versetzte er düster, »es paßt mir nicht. Ich habe gehört, daß Virgil Earp hier den Marshalstern trägt. Es ist mir – wie schon gesagt – nur zu spät eingefallen, sonst hätte ich Sie bestimmt nicht erst behelligt.«
Damit machte er kehrt und ging zu seinem Wagen.
Behan blickte ihm mit schmalen Augen und strichdünn zusammengepreßten Lippen nach.
Lambert kletterte auf seinen Bock und trieb seine Gäule an. Einen vor-übergehenden Jungen fragte er nach dem Marshal Office.
Der Bengel grinste.
»He, waren Sie nicht eben beim Sheriff?«
»Yeah…«
»Und haben Sie ihn etwa auch nach dem Marshal Office gefragt?«
»Nein.«
»Das wäre Ihnen auch schwerlich gut bekommen«, bemerkte der höchstens Dreizehnjährige altklug.
»Verstehe ich nicht. Haben die beiden etwas gegeneinander?«
»Und ob!« Der Bursche feixte. »Virgil Earp und John Behan – das sind drei Paar Stiefel. Verstehen Sie?«
»Nein.«
»Macht nichts. Jedenfalls finden Sie Virgils Büro schräg gegenüber. Der kleine Steinbau da drüben neben dem Sa-loon an der Ecke.«
Der Alte nickte und warf einen Blick auf das Straßenschild.
Allen Street.
Er brachte sein Gefährt vor das Marshal Office, spannte die Braunen aus den Strängen und führte sie in den schmalen Schattenstreifen, den das Vorbaudach auf die Straße schickte.
Der alte Trader hatte Pech. Der US-Deputy Marshal Virgil Earp war nicht in der Stadt.
Lambert fragte einen alten Mann, der nebenan im Vorbauschatten in einem Korbstuhl döste, nach einem Wagenabstellplatz. Der krausköpfige Mann grinste. »Am besten fahren Sie zum OK-Corral, Mister.«
»Wo finde ich den?«
»In der Freemont Street.«
»Wie komme ich dahin?«
»Sie biegen hier links in die Fünfte ab, an der nächsten Ecke wieder links, dann sind Sie schon in der Freemont Street. Sie müssen noch über die Vierte hinüber, und dann ist es nicht weit von der Ecke aus. Neben der City Hall. Können Sie gar nicht verfehlen.«
Der Trader nickte dankend und spannte seine Gäule wieder ein. Als er in die Freemont Street bog, kam ein Reiter aus dem Hoftor des San Jose House. Es war ein junger Mensch mit dunklem Gesicht und seltsam hellen Augen. Er hatte schwarzes Haar und trug seinen Sombrero weit im Nacken. Mit seinen großen Sternradsporen trieb er seinen Schimmel an. Das Tier erschrak, stieg auf die Hinterhand hoch und setzte dann in einem weiten Sprung vorwärts. Der Bursche saß gut im Sattel und schien mit diesem Start gerechnet zu haben. Gleich darauf war er in der vierten Straße verschwunden.
Jack Lambert hatte den Reiter nur mit einem kurzen Blick gestreift und ahnte ganz sicher nicht, daß er soeben einem der Hauptakteure jenes berühmten Revolvergefechts begegnet war, das sich in wenig mehr als dreizehn Monaten drüben im OK-Corral abspielen sollte und das noch heute in allen Geschichtsbüchern der Staaten als einer der blutigsten Kämpfe des Westens verzeichnet ist.
Der Mann war Billy Clanton, der jüngste der Clanton Brothers, die unweit vor der Stadt eine Ranch führten.
Dann war Lambert bei der City Hall. Der etwas verschnörkelte Bau wirkte ziemlich grotesk in der Hüttenstraße. Nebenan war noch ein schmalbrüstiges Holzhaus, das an seiner Front ein großes Schild mit der Aufschrift ›C.S.Flys Photograph Galery‹ trug. Auch dieser Name würde in die Geschichte eingehen. Nicht nur, weil der berühmte Doc Holliday dort das einzige Foto, das je von ihm gemacht wurde, hatte anfertigen lassen, sondern weil in Flys Galery the bloodiest battle of the West – wie es in den Büchern heißt – endete.
Neben dem Haus war ein breites Tor, von dem nur noch ein Flügel in einer lebensmüden verrosteten Angel hing. Oben war bis zu dem flachen an-schließenden Haus hinüber ein gewaltiges Schild angebracht, das die verwitterte Aufschrift ›OK-Corral‹ trug.
Jack Lambert blickte durch das Tor in den Hof.
Er war nicht sehr groß und hatte links, zu Flys’ Anwesen hinüber ein langes Wagendach, das an zahllosen Stellen von Sonnenstrahlen durchbohrt wurde, die wie schräge dünne Silberfäden aussahen und alles, was dort untergebracht war, seltsam magisch beleuchteten. Rechts hinten war ein Stallschuppen. – Im übrigen war der Abstellplatz an diesem Tag ziemlich leer.
Der Trader lenkte den Wagen in den Hof. Vielleicht wäre ihm knapp anderthalb Jahre später bei diesem Weg beklommener zumute gewesen. Aber wie hätte er auch auf den Gedanken kommen können, daß hier auf diesen wenigen Quadrat-Yards der berühmte Wyatt Earp, der große Gambler Holliday und Virgil und Morgan Earp in der Morgenfrühe des 26. Oktobers 1881 zu dem fürchterlichen Gefecht gegen die Clanton Brothers antreten sollten…
Lambert brachte die Pferde in den baufälligen Stallschuppen und ließ den Wagen unter dem Dach. Dann sah er sich nach einem Wächter um, konnte aber niemanden entdecken. Als er den Corral verließ, gewahrte er in der offenen Tür der Photo-Galery einen kleinen Mann, der mit einer Frau, die gegenüber im Fenster lehnte, ein lautes Gespräch führte.
Der alte Trader Jack Lambert hatte noch zwei Akteure gesehen, die hier im kommenden Jahr auftreten sollten und die das Geschichtsbuch festhalten würden. Der kleine Mann war der Photograph C. S. Flys, und die Frau war Mrs. Addie Bourland, die Augenzeuge des Revolverkampfes drüben im Corral werden sollte.
Lambert blickte den Fotographen an. »Gibt es hier keinen Wächter, Mister?«
Flys kratzte sich den haarlosen Schädel. »Schon, aber er wird schlafen.«
»Jetzt, am hellichten Tag?« forschte der Trader verblüfft.
»Yeah, soll er nachts schlafen, wenn es kühl ist und wenn der Corral bewacht werden muß?«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Seltsame Stadt, dieses Tombstone.«
Langsam ging er die Straße hinunter und lenkte seine Schritte auf das Boardinghouse, aus dessen Hof vorher der junge Billy Clanton gekommen war.
Ein muffiger, gebeugter Greis trat ihm im halbdunklen Korridor entgegen. »Was suchen Sie?«
»Ein Zimmer.«
»Können Sie zahlen?« fragte der wenig gastliche Inhaber des San Jose House.
»Yeah«, knurrte der Trader unwirsch. »Machen Sie sich keine Sorgen. Außerdem habe ich die Absicht, hier in der Stadt Geschäfte zu machen.«
»Geschäfte?« forschte der spindeldürre John Picket mißtrauisch. »Was für eine Art von Geschäften?«
»Ich verkaufe Töpfe, Kessel und Bürsten…«
Picket winkte ab. »Da werden Sie hier nicht viel Glück haben, Mann. Es gibt hier zwei Stores, die diesen Trödel handeln.«
»Die gibt es überall«, versetzte der Trader grimmig, »und trotzdem habe ich überall Waren verkauft. Ich habe Töpfe aus St. Louis und Kessel, die in einer Fabrik oben am Missouri hergestellt werden. Was hier so verkauft wird, kommt von der Westküste und taugt meist nicht allzuviel.«
Picket grinste faunisch. »Meinen Sie, daß die Leute hier etwas darauf geben, woher ihre Kochkessel und Töpfe kommen? Wohl kaum. Außerdem verstehen die Tombstones ganz sicher nichts davon.«
Lambert hatte sich an dem Boardinghouse Owner vorbeigeschoben und warf einen Blick durch die halb offenstehende Küchentür. »Yeah, wenn ich die Scherben sehe, die Sie selbst auf dem Herd stehen haben, Mister, bin ich sogar davon überzeugt.«
Picket schoß vor und riß