Familie Dr. Norden Classic 48 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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vertreiben, aber es muß sich etwas ändern. So geht es nicht mehr weiter.«

      »Du bräuchtest mal Tapetenwechsel, Mutsch«, sagte Jannick.

      »Sag, was ich machen soll, Mami«, sagte Ruben bittend.

      »Ich möchte nicht, daß du die Schule verläßt, aber es ist deine Entscheidung.«

      »Darf ich mir jetzt das Fußballspiel ansehen?« fragte er.

      Sie mußte fast lachen. »Das hast du doch noch nie gefragt? Wozu habt ihr eigene Fernseher?«

      »Vielleicht sollten wir die verkaufen.«

      »Du lieber Himmel, dafür kriegt man doch nichts mehr«, sagte Jannick. »Wir werden uns sowieso an den Stromkosten beteiligen.«

      Na also, dachte Franziska, es scheint Wirkung zu haben. Aber sie wollte lieber noch abwarten, bevor sie sich eines Sieges freuen konnte.

      *

      Bibiane kam erst nach drei Uhr heim. Natürlich hatte Franziska auch in dieser Nacht nicht schlafen können. Sonst war sie aufgestanden und hatte gefragt, warum es so spät geworden sei, denn immerhin war das Mädchen ja erst neunzehn Jahre. Aber sie tat es nicht.

      Bibiane bemühte sich nicht, leise zu sein. Es klirrte, und sie stolperte die Treppe hinauf.

      Sie wird doch nicht getrunken oder gar Drogen genommen haben? fragte Franziska sich ängstlich.

      Dann herrschte Ruhe.

      Sie konnte trotzdem nicht einschlafen. Sie wußte, daß sie sich immer Gedanken machen würde, wenn es ihr nicht gelang, ihren Schatten zu überspringen.

      Dann fiel ihr ein, daß Samstag war und sie eigentlich auch mal ausschlafen konnte, aber prompt war sie doch zur gewohnten Zeit munter. Sie dachte ein paar Minuten nach, dann faßte sie einen Entschluß, der ihr früher nicht im Traum eingefallen wäre.

      Sie stand auf, ging ins Bad, duschte und machte etwas länger Morgentoilette als sonst. Sie legte sogar ein Make-up auf und Lippenstift.

      Sie zog Jeans an, einen leichten blauen Pulli und eine Steppweste, die ihr Joe einmal aus England mitgebracht hatte. Sie hatte sie nicht mehr getragen, seit er tot war, wie auch andere Sachen, die er an ihr gemocht hatte. Jetzt war es so, als wolle sie sich beweisen, daß sie auch mit der schmerzhaften Erinnerung fertig werden konnte.

      Sie nahm die Zeitung aus dem Kasten, bevor sie ihren Wagen aus der Garage holte. Dann erst fiel ihr auf, daß Bibianes Wagen nicht da war, aber sie verbot sich, sich darüber Gedanken zu machen.

      Sie hatte sich entschlossen, an den Tegernsee zu fahren, sich dort einen ruhigen Platz zu suchen und die Stellenanzeigen zu studieren, ohne dabei gestört zu werden.

      Trotz der frühen Stunde war doch schon viel Verkehr. Da der Himmel versprach, daß es ein schöner Tag werden würde, ahnte sie, daß auch am See viel Betrieb herrschte. Vielleicht war es besser, sich einen abgelegenen Platz im Vorgebirge zu suchen und zuerst ein deftiges Frühstück zu sich zu nehmen.

      Gedacht, getan. Sie bog in eine Nebenstraße ein und fand schließlich einen Landgasthof, der einladend aussah.

      Eine jüngere Frau im Dirndl kam auch gleich aus dem Haus.

      »Guten Morgen«, sagte Franziska freundlich, »kann man bei Ihnen frühstücken?«

      »Aber freilich, gnä’ Frau, herzlich willkommen im Huber-Himmel.«

      Das klingt gut, richtig verheißungsvoll, dachte Franziska.

      »Einen hübschen Namen haben Sie sich für Ihren Gasthof ausgesucht«, meinte sie gedankenvoll.

      »Das hat sich so ergeben«, lächelte die Wirtin. »Mein Mann heißt Huber, und ich war eine geborene Himmel. Ein bißchen weit ab liegen wir ja, aber wer einmal bei uns war, kommt gern wieder.«

      »Das glaube ich gern«, sagte Franziska. Als ihr das Frühstück gebracht wurde, war sie entschlossen, bestimmt wieder hierher zu fahren, vielleicht auch mal für ein paar Tage. Sie konnte später auch die hübschen Gästezimmer anschauen, und als sie die Kathi Huber fragte, ob sie einen ruhigen Platz für sie hätte in der Sonne, damit sie ungestört lesen könne, lachte Kathi wieder.

      »Ruhig haben Sie es hier überall am Vormittag. Nur wenn mittags mehr Gäste kommen, wird es ein bißchen lauter.«

      Eine bequeme Liege wurde ihr in die Nähe des Teiches gebracht, auf dem sich wunderschöne Seerosen entfalteten.

      Franziska atmete tief die würzige Luft ein, lehnte sich zurück und gönnte sich eine halbe Stunde völliger Entspannung. Danach begann sie, sich intensiv mit den Stellenanzeigen zu befassen. Es dauerte gar nicht lange, bis ihr Blick auf eine ganz besondere Anzeige fiel.

      Gesucht wird eine Dame mittleren Alters mit universeller Bildung, die sich möglichst in mehreren Sprachen verständigen kann und Lebenserfahrung besitzt, für eine nicht alltägliche Tätigkeit. Sie sollte ein ansprechendes Aussehen haben, gepflegt und natürlich, und auch kontaktfreudig sein. Ein kurzes Handschreiben genügt.

      Eigentlich trifft das auf mich zu, dachte Franziska. Kontaktfreudig war ich früher und könnte es wieder werden. Es kommt auf einen Versuch an. Es war auch die einzige Anzeige, die keine Fachkenntnisse für einen bestimmten Beruf voraussetzte, mit denen sie nicht aufwarten konnte. Eine Sprecherin oder Moderatorin wurde nicht gesucht, nur für eine Talkshow Mütter mit heranwachsenden Kindern, alleinerziehende Mütter wohlgemerkt, die gern über ihre Probleme und Konflikte erzählen wollten.

      Das fehlte noch, dachte Franziska, dann wäre bei uns erst recht die Hölle los.

      Sie fühlte sich plötzlich richtig wohl und schaltete völlig ab. Nur kurz dachte sie daran, was ihre Trabanten wohl sagen mochten, wenn sie keinen gedeckten Frühstückstisch mit frischen Brötchen vorfanden. Dann schlief sie völlig gelöst ein.

      *

      Ruben stand um neun Uhr auf, nachdem er vergeblich auf wohlbekannte Geräusche aus der Küche gelauscht hatte. Plötzlich überkam ihn ein Gefühl der Angst, daß mit seiner Mami etwas sein könnte. Sie war so seltsam gewesen am Abend und so blaß. Er hatte zum ersten Mal richtig gespürt, daß sie Sorgen hatte.

      Er ging in die Küche. Die Kaffeemaschine war nicht in Betrieb, und im Bauernzimmer war kein Frühstückstisch gedeckt. Sein Herz klopfte schneller, und seine Kehle wurde trocken, als er zu Franziskas Zimmer ging. Die Tür war geschlossen, er wagte nicht einzutreten, tat es dann aber doch, nachdem er sich einen Ruck gegeben hatte.

      Das Zimmer war leer. Er lief in den Garten, keine Mami war zu sehen. Dann stellte er fest, daß ihr Auto fehlte. Er wollte sich mit dem Gedanken beruhigen, daß sie zum Einkaufen gefahren war.

      Die Minuten schlichen dahin, dann erschien Jannick.

      »Mami ist fort«, sagte Ruben tonlos.

      »Das kann doch nicht sein. Sie holt sicher Brötchen oder besorgt sonst noch was.«

      »Es ist schon fast halb zehn Uhr und der Frühstückstisch ist auch noch nicht gedeckt.«

      »Vielleicht statuiert sie ein Exempel und erwartet, daß wir das mal tun. Gut, machen wir es.«

      »Machst du dir denn gar keine Sorgen?« fragte Ruben gepreßt.

      »Sie will es uns zeigen, das hat sie uns doch gestern abend deutlich zu verstehen gegeben.«

      »Und wenn sie einfach alles satt hat und abgezischt ist?«

      »Dazu hat sie zuviel Verantwortungsgefühl. Sie würde uns zumindest informieren, wie lange sie wegbleibt. Ohne Geld würde sie uns auch nicht zurücklassen. Ich habe mir gestern abend alles noch mal durch den Kopf gehen lassen. Wenn Mutsch tatsächlich unsere Rente seit Dads Tod für uns gespart hat, kommt für jeden ein ganz hübsches Sümmchen heraus. Damit kann man was anfangen.«

      »Ich kann so was nicht denken. Ich will, daß Mami hier ist.«

      »Reg dich nicht auf, sie kommt schon wieder. Ist Bibi zu Hause?«

      »Ich


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