Silvia - Folge 1. Jürgen Bruno Greulich

Silvia - Folge 1 - Jürgen Bruno Greulich


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lohnte nicht mehr, das Tagebuch aus der Schublade zu nehmen, es war gleich fünf Uhr, die Zeit des Kochunterrichts, wie Maria berichtete, die gut erholt wirkte, fast war ihr von der Bestrafung nichts mehr anzumerken. Na ja, ein bisschen weh tue es noch immer, bekundete sie auf Silvias schüchterne Frage, aber nur ein bisschen eben, nicht weiter schlimm, kein Problem. Auch sie hatte den Nachmittag zum Studium der Regeln genutzt, damit ihr ein solcher Fauxpas wie gestern nicht noch einmal passiere. Sie hörten sich gegenseitig noch kurz ab, wobei Maria durch umfassende Kenntnis der Regeln brillierte und Silvia bemerkte, dass sie doch immerhin ein bisschen vom Gelernten behalten hatte und einige Passagen leidlich passabel daherstottern konnte.

      Die Mädchen räumten ihre Sachen in die Schublade und der Aufseher erhob sich von seinem Platz, legte das Buch auf den Tisch. Es war der „Fremde“ von Albert Camus. Ach. War das die passende Lektüre für einen gefühllosen Kerkermeister? Sicherlich nicht. Aber dieser Mann las es, also gab es einen Umkehrschluss (einen zulässigen, wie Silvia jedenfalls hoffte): Wenn es keine Lektüre für einen gefühllosen Kerkermeister war und er es trotzdem las, konnte er ein solcher nicht sein. Was aber war er dann, ein existenzialistisch Entrückter? Seine Wortkargheit hätte zum Kerkermeister ebenso gut gepasst wie zum Fremden, sollte es da etwa Parallelen geben? Wenn, dann im Leid, das der Erste allerdings an andere weitergab, während es der Zweite für sich behielt, womit ihr Aufseher wieder der ersten Gruppe angehörte, mochte er nun Camus lesen oder nicht und so viel persönliches Leid mit sich herumschleppen, wie er wollte! Er nickte den Mädchen zu, fast freundlich, wie man hätte meinen können, und sie folgten ihm hinaus.

      Eine Stärkung, verweigert

      Der Kochunterricht fand in der Küche statt, wo sonst? Ob man bei diesem Unterricht wohl lernte, wie man Ravioli warm hielt für verspätet nach Hause kommende Gebieter? – Aber nein, die Ansprüche waren höher, wie Silvia gleich erfahren durfte. Stilgerecht thronte auf dem Kopf des Kochs eine hohe weiße Mütze und emsig war er damit beschäftigt, auf einer weißen Arbeitsplatte Speck zu würfeln inmitten eines wüsten Durcheinanders. Dicht um das Schneidbrett standen hohe schlanke Gläser mit Gewürzen, eine Flasche Rotwein, eine halb gefüllte Weinbrandflasche, Mehl-, Zucker- und Stärketüten, dazwischen lagen einige Zwiebeln und geschälte Kartoffeln. Er schaute kurz auf, als die Mädchen eintraten, fast schien es, als würde ein erfreutes Lächeln in seiner Miene erblühen, und mit großer Geste winkte er sie zu sich her. Sie mussten sich im Halbkreis um ihn herum aufstellen, damit jede von ihnen gute Sicht auf seine virtuosen Kochkünste habe und vielleicht auch, weil er ihre Nähe zu schätzen wusste.

      „Es gibt Hasenkeulen mit Rotkohl“, teilte er freudig mit, ohne die Arbeit zu unterbrechen. „Ein köstliches Mahl, das allerdings einige Zeit an Vorbereitung benötigt. Die Keulen wurden vor vier Stunden abgewaschen, abgetrocknet, mit Salz und Pfeffer eingerieben und in Buttermilch gelegt.“ Schnell, präzise, gekonnt schnitt das scharfe Messer in raschem Tempo immer dicht an seinen Fingerkuppen vorbei, es war ein nervenaufreibendes Schauspiel für all jene, die kein Blut sehen konnten und sich mit Schrecken vorstellten, wie es wäre, wenn des Messers Schneide nicht den Speck, sondern einen Finger träfe. Silvia atmete erleichtert auf, als er die Speckwürfel zur Seite stellte und Stärke in Sahne rührte. Er verteilte die weiße Flüssigkeit in zwei mächtig große Schmortöpfe auf dem Herd, gab die Hasenkeulen, die Speckwürfel, Bouillon, Buttermilch, Lorbeerblätter, Wacholderbeeren und Rotwein dazu, schloss die Deckel und rieb geschäftig die Hände. „So, das Ganze muss jetzt vierzig Minuten schmoren. Widmen wir uns dem Rotkohl.“

      Im Nu waren drei Äpfel geschält, in Stücke geschnitten und das Kerngehäuse entfernt. In einem riesigen Topf wartete der vorgekochte Rotkohl, in Streifen geschnitten, und mahnend hob sich des Koches unversehrter Zeigefinger. „Wir nehmen selbstverständlich keinen Rotkohl aus der Konserve, nicht wahr? Alle Zutaten müssen frisch sein, das ist eines der Geheimnisse der guten Küche.“ Er gab Schmalz, die Apfelstücke und Wasser hinein. „Lassen wir es zehn Minuten dünsten. In der Zwischenzeit gibt es anderes zu tun.“ Staunend sah Silvia, wie er einige der geschälten Kartoffeln an den Kohl rieb. Das war ihr neu. Sollte hier tatsächlich hohe Kochkunst demonstriert werden? „Verfeinern wir das Ganze mit Nelkenpulver, Zimt und Zucker und lassen es weitere zehn Minuten dünsten, um sodann …“

      „Vergessen Sie die Pimentkerne nicht“, wurde er unterbrochen. Verblüfft drehte er sich um und mit ihm die Mädchen. Sie alle schauten zum Aufseher hin. Hatte er tatsächlich gesprochen und wusste er etwa über Kochen Bescheid? War es denn zu fassen?

      „Pimentkerne?“ Der Koch war irritiert. „Wie kommen Sie darauf?“

      „Zu Rotkohl mit geriebener Kartoffel gehören Pimentkerne. Diese runden das Gericht ab“, erklärte der Aufseher mit angenehm ruhiger Stimme und unerschütterlicher Gewissheit.

      „Darf ich Ihnen einen Tipp geben, wie Sie mit den Mädchen besser umgehen können?“

      „Nicht nötig. Ich weiß schon, wie ich sie zu behandeln habe.“

      „Genau. Und ich weiß, wie man kocht. – Aber wir können gerne mal tauschen, wenn Sie möchten.“

      „Lieber nicht. Die Mädchen gefallen mir besser als Ihre Hasenkeulen und Kohlköpfe. Trotzdem aber gehören Pimentkerne rein.“ Der Aufseher verschränkte die Arme vor der Brust und hielt die Diskussion damit offenbar für beendet.

      Kopfschüttelnd wandte sich der Koch an die Mädchen. „Tja, ihr seht also, dass es in puncto Kochen verschiedene Meinungen gibt. Aber vermutlich wisst ihr das aus eigener Erfahrung. Auf alle Fälle, mit oder ohne Pimentkerne, wir lassen das Ganze noch zehn Minuten dünsten, gießen zum Fleisch die restliche Buttermilch und zwei Gläschen Weinbrand, lassen es zugedeckt ebenfalls noch zehn Minuten köcheln – und voilà, ist ein festliches Essen bereitet und ihr könnt zu Tisch kommen.“

      Wenn es nur so einfach wäre, dachte Silvia bekümmert. Zu Tisch kommen. Gab es da nicht einige Vorbereitungen zu treffen? Doch, die gab es. Und damit sie auch getroffen würden, erschien der blonde Aufseher in der Küche. Wachablösung. Die beiden flüsterten sich einige kurze Worte ins Ohr, nichts von Belang, wie es den Anschein hatte, und der Dunkelhaarige ging hinaus, ohne die Mädchen noch eines Blickes zu würdigen.

      ‚Anspornend klatschte der Blonde in die Hände. „Auf, Mädchen, gehen wir nach unten.“ Dieses Händeklatschen! Als seien sie eine Schar kleiner Kinder. Dieser Mann las sicherlich nicht Camus, spekulierte Silvia.

      Draußen auf dem Korridor wandte sich Isabel an Jasmin. „Nimmst du Pimentkerne zum Kohl?“

      Ratlos zuckte Jasmin mit den Achseln. „Ich weiß gar nicht, was das sein soll. Außerdem nehme ich sowieso nur Rotkohl aus dem Glas. Anders macht das zu viel Arbeit.“ Das war eine Einstellung, mit der sie nicht alleine stand.

      Im Mädchenraum angekommen, suchten die Mädchen zunächst die Toiletten auf, im Kollektiv, wie immer. Wer nicht dringend musste, ging eben prophylaktisch, um sich später die Peinlichkeit zu ersparen, den Aufseher um Erlaubnis bitten zu müssen. Zudem wäre es unter den folgenden Umständen auch recht umständlich geworden. Nachdem sie von den Bidets zurückkehrten, gingen sie alle zu ihren Zellen.

      Erneut erwies sich, wie praktisch sie waren, die Häkchen am Saum des Gewandes. Nach einem Moment des Zögerns folgte Silvia dem Beispiel der anderen Mädchen, hob das Gewand hoch und hängte sie am Halsband ein. So war der Hauch von Stoff nicht mehr im Weg. Bangen Herzens nahm Silvia den Freudenslip vom Haken und öffnete zaghaft die Schnalle des Gürtels. Sollte sie wirklich …? Sie sollte nicht, sie musste! Der Blick des Aufsehers ruhte auf ihr, gebieterisch und erwartungsvoll. Schicksalsergeben streifte sie den Slip über die Füße, zog ihn hoch, umfasste den herabhängenden Dildo mit der Hand, richtete ihn nach oben und führte ihn behutsam in sich ein. O ja, er war größer als der von Wolfgang, ein ganzes Stück sogar, er kam tief, er war dick, er ließ ihre Scheide glühen und trieb ein Stöhnen von ihren Lippen. Mit fahrigen Fingern schloss sie die Gürtelschnalle im mittleren der drei Löcher. Eng spannte sich das Leder um ihre Taille, aufreizend schnürte sich das hintere Band in die Gesäßfalte und fest war der Dildo fixiert, unverrückbar, wie sie sich auch bewegte. Autonome und mobile Stimulanz, die unabhängig von äußeren Einflüssen war und an keinen Ort gebunden, überall dort vorhanden, wo sie sich befand.


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