Der Malaiische Archipel. Alfred Russel Wallace
Wir stiegen mehrere Meilen rüstig eine mäßige Abdachung hinan, zur Linken einen tiefen Bergstrom. Dann hatten wir ein ebenes Plateau zu passieren, worauf der Berg steiler und der Wald dichter wurde, bis wir an dem »Padang Batu« oder Steinfeld herauskamen, ein Ort, von dem wir viel gehört, aber den uns niemand verständlich hatte beschreiben können. Wir fanden einen steilen Abhang von platten Felsen, der sich längs des Berges weiter, als wir sehen konnten, hinstreckte. Teilweise war derselbe ganz kahl, aber wo er geborsten und zerspalten war, gedieh ein üppiger Pflanzenwuchs, in welchem die Kannenpflanzen am auffallendsten waren. Diese wunderbaren Pflanzen scheinen nie gut in unseren Gewächshäusern zu gedeihen und kommen darin nicht weit fort. Hier wuchsen sie auf zu halben Kletterstauden, ihre merkwürdigen Krüge von verschiedener Größe und Form hingen im Überfluss von ihren Blättern herab und erregten beständig unsere Bewunderung wegen ihres Umfangs und ihrer Schönheit. Hier erschienen zuerst einige Koniferen der Gattung Dacrydium, und in dem Dickicht gerade über der felsigen Oberfläche gingen wir durch Haine jener prachtvollen Farnkräuter Dipteris horsfieldii und Matonia pectinata, die große ausgebreitete, handförmige Wedel an schlanken sechs oder acht Fuß hohen Stämmen tragen. Die Matonia ist die größte und eleganteste, man kennt sie nur auf diesem Berg, und keine derselben ist bis jetzt in unsere Gewächshäuser eingeführt.
Es war sehr überraschend, aus dem dunklen, kühlen und schattigen Wald, in welchem wir seit unserem Aufbruch aufgestiegen waren, auf diesen heißen, offenen Felsabhang herauszutreten, wo wir mit einem Schritt aus einer Tiefland Vegetation in eine alpine übergetreten zu sein schienen. Die Höhe, mit einem Sympiëzometer gemessen, betrug ungefähr 2800 Fuß. Man hatte uns gesagt, dass wir auf Padang Batu Wasser finden würden, aber wir sahen uns sehr durstig vergebens danach um; zuletzt gingen wir zu den Kannenstauden, aber das Wasser, das in den Kannen enthalten war (ungefähr eine halbe Pinte7 in jeder), war voll von Insekten und durchaus nicht einladend. Aber als wir es versuchten, fanden wir es, wenn auch ziemlich warm, doch sehr schmackhaft, und wir löschten alle unseren Durst aus diesen natürlichen Krügen. Weiterhin kamen wir wieder an Wald, der aber einen mehr zwerghaften und verkrüppelten Charakter hatte als unten; und auf einem Weg, der abwechselnd an Bergrücken vorbeiführte und in Täler hinabstieg, erreichten wir eine Spitze, die von dem wahren Gipfel des Berges durch eine bedeutende Kluft getrennt war. Hier erklärten unsere Träger, dass sie ihre Last nicht weiter tragen könnten; und es war in der Tat der Weg zu der höchsten Spitze sehr steil. Aber auf dem Fleck, auf dem wir uns befanden, war kein Wasser, hingegen war es wohlbekannt, dass sich dicht am Gipfel eine Quelle befand, und so beschlossen wir denn, ohne sie weiterzugehen und nur das unumgänglich Notwendige mitzunehmen. Wir trugen also jeder eine wollene Decke, verteilten unsere Nahrungsmittel und die anderen Gegenstände unter uns, und gingen nun mit dem alten Malaien und seinem Sohn vorwärts.
Seltene Farne auf dem Berg Ophir (nach der Natur; Fitsch)
Nachdem wir in den Sattel zwischen den beiden Spitzen hinabgestiegen waren, fanden wir das Hinaufsteigen sehr beschwerlich; der Abhang war so steil, dass wir oft genötigt waren, beim Klettern unsere Hände zu Hilfe zu nehmen. Außer einer Vegetation von Sträuchern war der Boden knietief mit Moos bedeckt auf einem Grund von verwesten Blättern und bröckligen Felsen, und wir mussten eine starke Stunde klettern bis zu der kleinen Anhöhe dicht unter dem Gipfel, wo ein überhängender Fels angemessenen Schutz gewährt und ein kleines Bassin das herabtröpfelnde Wasser sammelt. Hier setzten wir unsere Lasten nieder, und nach wenigen Minuten standen wir auf dem Gipfel des Berges Ophir, viertausend Fuß über dem Meer. Der Gipfel ist eine kleine felsige Plattform mit Rhododendron und anderem Strauchwerk bedeckt. Der Nachmittag war klar und die Aussicht in ihrer Art schön – Hügelreihen und Täler überall mit endlosem Wald bedeckt, mit glitzernden sich zwischen ihnen durchwindenden Flüssen. Von der Ferne sieht eine Waldlandschaft sehr monoton aus, und ich habe nie einen Berg in den Tropen bestiegen, der ein Panorama bietet wie das von Snowdon, und die Fernsichten in der Schweiz sind unendlich viel schöner. Während wir unseren Kaffee kochten, machte ich Beobachtungen mit einem guten Siedepunkt-Thermometer und mit dem Sympiëzometer, und dann genossen wir unsere Abendmahlzeit und die schöne Aussicht vor uns. Die Nacht war ruhig und sehr milde, und da wir uns ein Bett aus Ästen und Zweigen gemacht hatten, über welche wir unsere Decken legten, so verbrachten wir sie sehr angenehm. Unsere Träger waren uns nach kurzer Rast gefolgt; sie brachten nur ihren Reis zum Kochen mit, und glücklicherweise bedurften wir des Gepäcks, das sie zurückgelassen, nicht. Am Morgen fing ich einige Schmetterlinge und Käfer, und mein Freund fand einige Landkonchylien; wir stiegen dann hinab und nahmen noch mehrere Exemplare von Farn- und Kannenpflanzen von Padang Batu mit.
Da der Platz, auf dem wir zuerst am Fuß des Berges gelagert hatten, sehr düster war, wählten wir einen anderen auf einer Art von Moor, nahe einem von Zingiberaceen überwachsenen Strom, auf dem eine Lichtung schnell gemacht war. Hier bauten unsere Leute zwei kleine Hütten ohne Seitenwände, die uns eben vor dem Regen schützten; wir wohnten eine Woche lang darin, schossen, jagten Insekten und durchstreiften die Wälder am Fuß des Berges. Hier war die Heimat des großen Argusfasans, und wir hörten beständig sein Geschrei. Als ich den alten Malaien bat, er solle es versuchen, einen für mich zu schießen, sagte er mir, obgleich er seit zwanzig Jahren in diesen Wäldern auf Vögel Jagd mache, habe er doch noch nie einen geschossen und auch noch nie einen gesehen, außer in der Gefangenschaft. Der Vogel ist so außerordentlich scheu und listig, und läuft so schnell über den Boden in den dichtesten Teilen des Waldes, dass es unmöglich ist, ihm nahezukommen; seine dunklen Farben und glänzenden augenartigen Flecke, welche ihn so zieren, wenn man ihn in einem Museum sieht, müssen gut mit den toten Blättern, zwischen denen er wohnt, harmonieren und machen ihn wenig bemerkbar. Alle Exemplare, die in Malakka verkauft werden, sind in Fallen gefangen, und mein Mann hatte, wenn auch keinen geschossen, so doch viele gefangen.
Tiger und Rhinozeros werden hier noch gefunden, und noch vor ein paar Jahren gab es viele Elefanten, aber sie sind jetzt alle verschwunden. Wir fanden einige Dunghaufen, welche von Elefanten herzurühren schienen, und einige Spuren vom Rhinozeros, aber sahen keines von den Tieren. Dennoch unterhielten wir während der Nächte ein Feuer für den Fall, dass irgendeins dieser Geschöpfe uns besuchen sollte, und zwei unserer Leute behaupteten eines Tages, ein Rhinozeros gesehen zu haben. Als unser Reis zu Ende war und unsere Büchsen gefüllt, kehrten wir nach Ayer Panas zurück, und gingen ein paar Tage darauf nach Malakka und von da weiter nach Singapur. Der Berg Ophir hat den Ruf einer Fiebergegend, und alle unsere Freunde waren erstaunt über die Tollkühnheit, dass wir uns so lange an seinem Fuß aufgehalten; aber keiner von uns litt im Geringsten, und ich werde immer mit Vergnügen an diesen Ausflug zurückdenken als an meine erste Einführung in die Bergszenerie der östlichen Tropen.
Die Dürftigkeit und Kürze der Skizze, welche ich hier von meinem Besuch auf Singapur und der Malaiischen Halbinsel gegeben habe, rührt daher, dass ich hauptsächlich auf einige Privatbriefe und ein Notizbuch vertraute, die verloren gegangen sind, ferner auf eine Abhandlung über Malakka und den Berg Ophir, die ich der Royal Geographic Society schickte, die aber weder gelesen noch gedruckt wurde, da gerade am Ende einer Sitzung sehr viel Material vorlag; jetzt kann das Manuskript nicht mehr aufgefunden werden. Ich bedaure es aber um so weniger, als so viele Bücher über diese Gegenden geschrieben worden sind; und ich beabsichtigte immer, schnell über meine Reisen in den westlichen und besser bekannten Teilen des Archipels hinwegzugehen, um den entfernteren Distrikten, über die in englischer Sprache fast nichts geschrieben worden ist, mehr Raum geben zu können.
7Sechs Unzen. A. d. Übers.
VIERTES KAPITEL
BORNEO – DER ORANG-UTAN
Ich kam in Sarawak am 1. November 1854 an und verließ es am 25. Januar 1856. In der Zwischenzeit hielt ich mich an vielen verschiedenen Lokalitäten auf und sah einen großen Teil der Dajak-Stämme und der Malaien von Borneo. Ich wurde von Sir James Brooke sehr gastfreundlich aufgenommen und wohnte in seinem Haus, so oft ich zwischen meinen Reisen in der Stadt Sarawak war. Aber es sind seit meiner damaligen Anwesenheit so viele Bücher