WIE SCHATTEN ÜBER TOTEM LAND. S. Craig Zahler

WIE SCHATTEN ÜBER TOTEM LAND - S. Craig Zahler


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       Kapitel 28

       Kapitel 29

       Kapitel 30

       Kapitel 31

       Kapitel 32

       Kapitel 33

       Kapitel 34

       Kapitel 35

       Kapitel 36

       Teil IV

       Kapitel 37

       Kapitel 38

       Kapitel 39

       Kapitel 40

       Kapitel 41

       Kapitel 42

       Kapitel 43

       Kapitel 44

       Teil V

       Kapitel 45

       Kapitel 46

       Kapitel 47

       Kapitel 48

Sommer 1902
Teil I

      Kapitel 1

       Händeschütteln

      Die Frau, die ihren Namen vergessen hatte, rührte sich auf der klammen Matratze. Die offenen Wunden auf ihrem Rücken, ihren Pobacken und ihren Armen stimmten einen lauten Schmerzenschor an. Sie rollte sich auf ihre linke Seite, um ihre Qualen zu lindern. Als sie die Beine schloss, drückte etwas Hartes und Unbekanntes gegen ihre Scheidenwand und sie sagte: »Herr …« Die Frau schob ihre rechte Hand zu ihrem Schoß, steckte ihre Fingerspitzen hinein, berührte einen halbrunden Klumpen und zog ihn heraus wie eine Perle aus einer Auster. Nach einem Moment der Benommenheit öffnete sie ihre Augen, um das Ding zu betrachten, das sie zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, und erkannte, dass es eine tote Babyschildkröte war.

      Der Anblick der verstorbenen Kreatur hätte sie schockieren sollen, aber die Frau, die ihren Namen vergessen hatte, verspürte lediglich eine unbeteiligte Neugierde für den entnommenen Bewohner, als ob sie Fremde in der Nähe ein Thema von mäßigem Interesse diskutieren hörte.

      In kleine Nischen neben ihrem Bett geschmiegt standen zwei Kerzen, die den überreifen Geruch von Blumen, Zimt und Vanille und ein wenig bernsteinfarbenes Licht verströmten. In dieser übersättigten Beleuchtung musterte die Frau die tote Babyschildkröte, die ihr von einem Mann, an den sie sich glücklicherweise nicht erinnern konnte, zu einem zweifelhaften Zweck eingeführt worden war. Kopf und Beine in den Panzer eingezogen war die Kreatur gestorben, vollständig von der Welt isoliert, und die Frau beneidete sie.

      Weit abscheulichere Dinge waren während der vergangenen acht Monate, die sie in ihrer unterirdischen Hölle verbracht hatte, in sie eingedrungen.

      Aus keinem ihr verständlichen Grund legte die Frau den runden Leichnam auf ihr Kissen, neben wirre Locken ihrer langen, blonden Haare, und fuhr sanft mit einer Fingerspitze über den fein gekerbten Panzer. Der Kopf der Babyschildkröte rutschte aus seiner Öffnung und baumelte schlaff heraus.

      »¡Reina!« Die Stimme gehörte einem Mann und drang durch Holz und Stein.

      Die Frau löste ihren Blick von der winzigen Kreatur und richtete ihn auf die dicke, eisenbeschlagene Tür am anderen Ende des Raumes.

      »Essen«, kündigte der Mann an.

      Unfähig, ihr Nachthemd zu finden, zog sich die Frau eine von getrocknetem Sperma raue Decke über ihren nackten Körper.

      Eine Linie gelben Lichts erschien am Rand der Tür und wuchs zu einem zwei Yard großen Rechteck an. In diesem Rechteck der Helligkeit stand der Mann mit der Holznase, der Hombre, der den Behälter brachte. Die Kerzenflammen flackerten über seinen Gummiregenmantel.

      Die Frau sagte: »Keinen Hunger«, und schüttelte den Kopf. »Kein Essen. No comida para mi.«

      Der Mann mit der Holznase ignorierte ihre Äußerung. Mithilfe des Hebels, der am oberen Ende des Behälters herausragte, rollte er ihn ins Zimmer. Die Räder unter dem Gefäß quietschten wie gequälte Nagetiere und die misshandelte Frau spürte die schrillen Töne in der Flüssigkeit ihrer Augäpfel.

      »Essen«, verkündete der Mann mit der Holznase, während er den Behälter neben ihrem Bett abstellte. Er beugte sich darüber und wickelte einen fleischartigen Schlauch von der Seite des Gefäßes ab.

      Vom Gedanken an Nahrung angewidert sagte die Frau: »Kein Essen.« Ihr zitternder Körper verlangte etwas anderes.

      Der Mann mit der Holznase führte das triefende Ende des Schweinedarms zum Mund der Frau, aber sie presste die Lippen zusammen und drehte den Kopf zur Seite. Der Schlauch kleckerte grünliche Tropfen auf die Decke.

      »Reina muss essen und schön bleiben.« Luft pfiff durch die Nasenlöcher, die in die falsche Nase des Mannes gebohrt worden waren, und seine kleinen, obisidianschwarzen Augen starrten sie an. Er hob das Ende des Schweinedarms an seinen Mund, leckte einen Tropfen Suppe von der Spitze, lächelte und nickte. »Bueno. Ist gut.«

      Die Frau deutete auf die dunklen Flecken auf ihren knochigen Armen und sagte: »Ich brauche noch etwas.«

      »Keine Medizin mehr.«

      Angst verzehrte ihre Eingeweide wie ein Feuer ausgedörrte Wälder. »Ich … ich brauche mehr.« Ihr Mund wurde trocken. »Ich brauche mehr Medizin. Es ist Tage her, seit ich …«

      »Nichts mehr.« Der Mann mit der Holznase hielt das tropfende Ende des Schweinedarms in die Höhe. »Reina, por favor, tu …«

      »Ich werde nichts essen, solange ich keine Medizin bekomme.«

      Eine Faust krachte in den Bauch der Frau. Sie schnappte nach Luft und der Schweinedarm drang in ihren Mund ein. Der Mann mit der Holznase drückte ihr den Kiefer zusammen und betätigte die Pumpe des Behälters mit seinem rechten Fuß. Suppe, die nach Knoblauch, Schimmel und verrottetem Hühnchen schmeckte, floss der Frau über die Kehle und in den Magen. Sie wollte aufschreien, aber stattdessen spritzte sie saure Brühe durch ihre Nasenlöcher.

      »Bueno.«


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