Reaktanz - Blindwiderstand erkennen und umnutzen. Carmen Thomas

Reaktanz - Blindwiderstand erkennen und umnutzen - Carmen Thomas


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bedeutende Erkenntnis ist die für mich zunächst verblüffende Einsicht, dass Struktur der Beginn von Freiheit, Kreativität, Mut und Sicherheit ist und nicht das Ende.

      Meine vorherige Haltung, mal alles ganz locker anzugehen, mal zu gucken, was passiert, führte – Grusel – zu Chaos, Ergebnislosigkeit, Fehlentwicklungen, Unsicherheit und insgesamt eher Unangenehmem. Das Strukturlose brachte eine hochgradig unprofessionelle Abhängigkeit von Tagesform, Antipathie, Sympathie, Hierarchie, Ambiente, Nebenschauplätzen, Entwicklungsstand des Gegenübers … also von viel zu vielen Variablen. Struktur gab und gibt mir die Sicherheit eines Geländers, das ich auch loslassen, an dem ich vor- und zurückgehen und runterrutschen kann. Vor allem schafft es Klarheit, wo es wie langgeht. Und deshalb kann dann alle Kraft in die Tiefe des Was fließen – gerade, weil das Wie glasklar ist.

      Zu Schlüsselerlebnissen habe ich ein ganz besonderes Verhältnis. Mein Leben ist voll davon. Ich sammele sie geradezu. Deshalb freute ich mich über die Publikums-Anregung, mal eine Sendung über „Situationen zum schnelleren Begreifen“ zu machen. Da war die Chance groß, dass viele Menschen erkenntnisreiche Geschichten über ihre Schlüsselerlebnisse teilen könnten. Herrlich. Also wurde eine Sendung unter dem Titel: „Und plötzlich macht es klick – Schlüsselerlebnisse“ geplant.

      Wo diese Sendung am besten ansiedeln? Die Publikumsbefragung ergab: Schlüsselburg in Ostwestfalen. Ja, ist das nicht wunderbar, dachten alle.

      Ich sehe mich noch heute da stehen und mich zwei Stunden lang darüber wundern, dass ausschließlich Geschichten von verlorenen und wieder aufgetauchten Schlüsseln erzählt wurden. Mir schwoll der Hals, aber warum und was da eigentlich passierte, das hinterfragte ich nicht. Erst gegen Ende der Sendung wurde es mir klar: Ich mit meiner klaren Vorstellung von Schlüsselerlebnissen hatte einfach die ganze Zeit nicht kapiert, dass der Schlüsselburger als solcher – und die Schlüsselburgerin auch – durch das Stadtwappen und tausend Schlüssel-Anspielungen in Straßen und Kneipen geprägt, den Begriff im übertragenen Sinne überhaupt nicht präsent hatte. Für diese Bürger-innen war ein Schlüssel ein Schlüssel und fertig.

      Das bedeutete, die Sendung hatte ein wunderbar gedachtes Thema – aber das konnte dort niemand nachvollziehen. Ich spürte zwar, wie ich angesichts dieser Entwicklung reaktant wurde, nutzte das Gefühl aber viel zu lange nicht; das Team im Hintergrund, die Expertinnen und Experten auch nicht. Alle waren ebenso betriebsblind wie ich und schüttelten die Köpfe über all die zum Teil hochdramatischen Schlüssel-verlier-und-wieder-auftauch-Geschichten.

      Im Nachgang dieser Sendung ging mir im wahrsten Sinn des Wortes ein Licht auf: Tatsächlich funktionieren Kommunikation und Kreativität wie der Umgang mit Licht. Das bloße Auge sieht immer nur weiß. Wenn ich jedoch das richtige Werkzeug habe, nämlich ein Prisma, und weiß, wie es im Licht zu drehen ist, erscheint immer das ganze Spektrum der Regenbogenfarben.

      Kommunikation und Kreativität funktionieren wie der Umgang mit Licht. Das bloße Auge sieht immer nur weiß. Wenn ich jedoch das richtige Werkzeug habe, nämlich ein Prisma, erscheint immer das ganze Spektrum der Regenbogenfarben.

      In meinem Fall war das „Prisma“ eine möglichst geschliffene professionelle Ausrüstung in Form von Fähigkeiten, Tools und Verhaltensweisen, die es mir ermöglichten, in allen Lebenslagen den richtigen „Dreh“ zu finden, um die bunten Farben eines Themas zum Auf- und Einleuchten zu bringen.

      Das Schlüsselburg-Beispiel gefällt mir deshalb so gut, weil es etwas Bedeutsames illustriert: Wenn etwas nicht klappt oder auf Anhieb sperrig wirkt, ist die erste Voraussetzung zur Veränderung, das Warnsystem in mir ernst zu nehmen, sprich: erst mal die Reaktanz, den inneren Blindwiderstand, als hilfreichen Hinweis erkennen zu können. Das liefert den Schlüssel zum Zulassen und dazu, mich selbst und dann auch andere für Neues und Veränderndes zu öffnen.

      Das bedeutet aber auch, die volle Verantwortung für die Resultate zu übernehmen, auch, wenn’s schief geht, ganz ohne Schuldzuweisungen. Denn wenn das Regenbogen-Spektrum nicht erscheint, ist es ja trotzdem vorhanden – ich habe es nur in diesem Moment nicht zum Einleuchten gebracht. Wenn es gelungen wäre, den Irrtum früh in der Sendung aufzuklären, wäre der Verlauf ein komplett anderer geworden.

      Wenn etwas nicht klappt, ist die erste Voraussetzung zur Veränderung, das Warnsystem in mir ernst zu nehmen, sprich: erst mal die Reaktanz als hilfreichen Hinweis erkennen zu können.

      Es liegt ausschließlich an meinen Kompetenzen, ob das Farbig-Spannende an einem Thema sichtbar wird. Und die brauchen in der Kommunikation genauso Methoden und Übung - wie jeder Sport, jedes Spiel, jedes Instrument.

      Mich fasziniert die Idee, dass sich Kommunikation ähnlich wie die vier Aggregatszustände in der Physik abbilden lässt:

      1. Gasförmig = Denken: was die Möglichkeit der Gedankenübertragung verständlicher machen könnte

      2. Flüssig = Reden: das „flüssige Sprechen“, der „Redefluss“ zeugen ebenso davon, wie die Tatsache, dass das Sprechen buchstäblich nicht mehr gelingt, wenn die Spucke wegbleibt

      3. Fest = Schreiben: Kommunikation mit Materie – egal ob Papier, Wachs, Leder, Kunst oder Stein – macht Kommunikation im wahrsten Sinne „handhabbar“

      4. Plasmatisch = intuitiv Spüren: Der plasmatische Aggregatszustand, der auf der Erde vor allem in Blitzen, im Polarlicht, in Magma, in den Funken beim Haare-Bürsten und im Weltall zu über 90% vorkommt, kann in seinen Ausprägungen von zerstörerisch bis faszinierend spiegeln, wie machtvoll das Unbewusste (inklusive Reaktanz) die Kommunikation beeinflusst.

      In diesem Bereich gibt es sicher noch viel zu entdecken, was bis heute noch ganz verborgen oder unbekannt ist, und was dann erst mal seinen Weg durch die gesetzmäßige Reaktanz-Kaskade von „ignoriert, verlacht, bekämpft, übernommen“ zu bewältigen hat.

      Tool 1

      „Türöffner“ als „Vergissmeinnichte“

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