Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke

Sitten, Strolche & Strategen - J. J. Juhnke


Скачать книгу
lockerer beim Sexbomben-Geschäft, auch weil der Rubel, überwiegend in Form von Dollar, mächtig rollt. Soviel kam man gar nicht in einer Fischfabrik arbeiten um das Einkommen zu realisieren. Zur Höchststrafe würde alles über eine Steuerkarte laufen. Vom Fischgeruch, den man nur schwer wieder los wird, ganz zu schweigen. Entsprechend angezogen, geschminkt und lächelnd, waren sie bereit ihre Gäste zu empfangen. Diese süßen Puppen wirkten aufreizend naiv zurecht gemacht, was im Widerspruch zu ihrem Verhalten stand. Wie sie es dir besorgen konnten, dich in eine Welt der schönen Körper und Sprache ohne Worte gleiten ließen. >Freudenhäuser, ohne Freude, sind keinem etwas wert. Bei den erhobenen Preisen haben Kunden Anspruch auf Qualität und Niveau. Die Drachenburg ist schließlich keine Gauner Spelunke im Hafenvierte<, so der Chef. Jede Künstlerin wurde von Alfredo zu völliger Verschwiegenheit gegenüber Behörden, Ehemännern, Freunden, Verwandten und Fremden, "vereidigt". Natürlich: keine privaten Kontakte mit Gästen. Zusätzlich versorgte Alfredo sein berufliches Umfeld gerne mit klugen Bemerkungen, wie: "Nichts hat mehr einen Wert ohne Erwartung", oder "Wenn alle viel Geld haben, hätte das Geld keinen Wert Mehr" und das die Welt wild bleiben wird "solange einer heiß begehrt, was der andere besitzt!" Selbst wenn man glaubt alles geplant zu haben gibt es schwierige Momente, die nicht vorhersehbar sind. Rex erzählte von einer Vorstellung an deren Beginn eines der Mädchen zu ihm gelaufen kam und um Ablösung bat. Sie hatte ihren Vater an der Garderobe erkannt. Warum auch nicht? Wird der aufgeklärte Zeitgeist hier einwenden. Es war durchaus Sitte und über die Jahre gute Tradition geworden, einen erfreulichen Geschäftsabschluss in der Drachenburg zu besiegeln. Nach einer Feier, mit den Engeln, hatte das Geschäft sozusagen sein Wachsiegel erhalten. Vertreter der Reedereien, Werften, Industrie und Handel, Inhaber von Speditionen, Abgesandte aus Demokratien, Diktaturen, Bananen-republiken und Schurkenstaaten – viele wollten über die Häfen was bewegen. So eine normale Geschäftsabschlussfeier war das, an diesem Abend, für bestimmte Personen, sicher auch. Das Mädchen war für den Themenabend gut kostümiert, sodass er sie nicht sofort erkannt hatte. Also wurde sie geräuschlos ausgewechselt. Alfredo hielt ständig Ersatzmädchen in Reserve, falls eines, im Laufe der Nacht, schlapp machte. Fällt ein Mädchen in einem laufenden Programm aus, kann es stressig werden. Die Gäste dürfen sich nicht alleine gelassen fühlen und trotzdem so etwas wie Privatsphäre genießen Jeder Gast sollte wie ein südamerikanischer General behandelt werden. Eiserne Regel der Geschäftsführung: Keiner bleibt unberührt! An diesem Abend bekam der Vater des Mädchens Töchter anderer Väter zur Gesellschaft und alles lief ruhig und gesittet weiter. Es ist lange her, doch wer erinnert sich nicht gerne an die babylonischen Sündennächte. Wie es damals war, was alles geschah und möglich gewesen ist. Der Zauber aus Showeinlagen, tanzen, lachen, Schminke, Parfüm, Musik, Alkohol und Sex. Diese Nächte, in denen man ausschweifende Momente zu flüchtiger Bedeutung erheben konnte. Die Engelsburg sich in eine schamlose Hölle verwandelte. Saufen, feiern, tanzen und ficken bis zur Ekstase war hier der Weg Erlösung zu finden. Und keiner kriegt genug, um so öfter er kommt. Sie wollen mehr und mehr, weil die Wirkung nachlässt. Wie bei Drogen ist es auch beim Sex und der Liebe: sie suchen nach Brandbeschleunigern ihrer Lüste. Die Drachenburg, mit seinen selektierten "Tanzmädchen", lieferte bunt lackierte Träume für Männer, aus allen Herren Ländern, denen es gar nicht zu bunt werden konnte. Die Burg war, in jenen Jahren, die bunteste und hochwertigste Adresse, weit und breit. Pariser Adressen gab es ja so leider nicht mehr. Ein Dschungel erlebbarer Triebe und Phantasien war gerade bunt genug um in die Nähe ihrer Vorstellung vom Paradies zu gelangen. Die keine Probleme damit hatten das diese Schönen der Nacht, für den Preis den man ihnen zahlte, sehr in sich selbst verliebt sein konnten. Die tingel tangel Beschallung war in den Anfangsjahren noch echte Livemusik. Reste der Küstenmusiker wurden mit Dollarnoten gezwungen wieder aktiv zu werden. Wer von den alten Flaggschiffen des norddeutschen Lloyd zur Verfügung stand, wurde rekrutiert. Diese Anzugträgergeneration, im Dienst von ausschweifender Partystimmung, war eine welterfahrene, weitgereiste Künstlertruppe. Sie befuhren unzählige Male den Äquator, kannten sich in jedem großen Hafen aus und nichts von den Belustigungen, an Bord und Land, blieb ihnen unbekannt. Sie haben vieles gesehen und alles erlebt. Alte und neue Klassiker musizierten sie noch mit 3 Promille im Blut, im Schlaf, oder wenn sie bereits tot waren. Stabile Menschenkenner, in Hexenkesseln von Spelunken und Schiffen standen sie auf der Bühne, jeden Seegang erwartend. Als Anheizer von Körper und Geist waren sie in den sündhaften Amüsierjahren zu gefragten Akteuren geworden. Mancher Meister der Töne spielte, speiste und vögelte im Schichtbetrieb. So eine Combo wurde am Rande der Bühne, im großen Saal der Burg installiert. Manchmal kam es im Laufe der Nacht zu spielerischen Verwerfungen zwischen Gästen, Mädchen und dem Spielzug in weißen Gala Uniformen der alten Vergnügungsdampfer. Es soll mal ein Mädchen in einer Schlagzeug Pauke, mit den Hintern, gesteckt haben und dem Mann am Schlagzeug dabei sein Rohr poliert haben. Ein anderes soll über die Pauke gelegt worden sein, um dort, griffig bis zum abwinken, durchgevögelt zu werden. Sexistisches am Rande, um die Combo bei Laune zu halten. Spricht für ein sehr gutes Betriebsklima, finde ich. Jedenfalls war es mal was anderes, zumindest für die wechselnden Gäste. Jede mir erzählte Episode vor dem Vergessen zu bewahren scheint mir in diesem Buch nicht möglich. Mit der Zeit bedrohten neue Probleme dieses nächtliche Engagement der Combo, ehemaliger Vergnügungsdampfer Musiker. Die Zuverlässigkeit der Musikanten nahm bedrohlich ab. Nicht jeder der alternden Herren konnte das Tempo, in der Schleusenkammer der Burg, weiterhin mitgehen. Obwohl es ihnen wahrlich nicht an Interesse und Wille fehlte. Aber das Herz, die Lunge, die alte Kriegsverletzung, oder einfach nur der Zahn der Zeit, holte sie von den bekannten Brettern. So kam es, dass die Combo manchmal in Unterzahl antrat, oder dem Sänger die Stimmbänder versagten. Zwangsläufig und strategisch ersetzte Alfredo den abgängigen Sänger durch ein Nachwuchstalent mit viel Sexappeal und Appetit auf Nachtleben. Er gab ihr den Künstlernamen, Fräulein Wunderbar. Aber es half alles nichts, abgelebten Musikern gehen die Lebenslichter schneller aus. So wurde mancher Kranz bestellt und abgelegt. Die Nachfolgemodell Idee, eine Pin Up Girl Band, wurde von den unter Vertrag stehenden Tänzerinnen unter größtem Protest, abgelehnt. Dem beugte sich Alfredo ausnahmsweise. Besinnung auf den Fortschritt in der Technik, war die Lösung. Es gab bereits brauchbare Raum Beschallung Systeme, sogar in High Fidelity, mit Tonband und mehreren Plattenspielern. So hielten Elvis, Sinatra und die neuen Traumtänzer Einzug in die Burg mit seinen begehrten Darbietungen. So gelangte etwas mehr Neuzeit in den Verteidigungswerten Kulturbetrieb vergangener Jahrhunderte. Aber manchmal schweifen meine Gedanken bei einem alten Lied aus der Burg ab. Dann sehe ich sie in den Paradeuniformen spielen und alles erweckt wieder zum Leben. Obwohl ich nie die Atlantikrouten Combo, dieser ausgestorbenen Lebemänner, persönlich gesehen habe. Ich betrat erst später die lustigen Räume. Es existieren aber Fotos und es gibt dazu legendäre Namen die mir im Gedächtnis haftengeblieben sind. Weil jemand, der sie noch spielerisch zaubern erlebt hat, mir von ihnen erzählte. Von Planken-Hein, der seine Eroberungen auf dem Sonnendeck abgriff. Von Peter Pan, dem Bi- Experten, welcher immer ausgebucht war, oder von Schweden Schwengel, Ziegen Peter, usw. Die angebotenen Motto-Show Termine waren über alle Weltmeere begehrt und oft ausgebucht. Bei außergewöhnlichen Anfragen konnten Sonder- Vorstellungen gefahren werden. Hier fanden Liebhaber von Rollenspielen großen Zuspruch. Die Mädchen waren innerhalb der Themenabende oft identisch gekleidet, brachten Tanz- und Striptease Nummern und waren darauf trainiert sich mit der Person, die sie in den Kleidern spielten, zu identifizieren. Mit enormem Erfolg. Man sah sie auf der Bühne Zaubernetze auswerfen in denen sich die Kerle bereitwillig verfingen. Die tanzenden Hostessen warfen mit Blicken um sich und zeigten steile Brüste und glatte Popos. Jung und strahlend wirbelten sie ihre Beine und Höschen zur Schau. Da gab es die Lufthansa Stewardessen in braver Uniform, die Schulmädchen im Röckchen und weißen Strümpfen, die frechen Lolitas oder die zugeknüpften Russinnen. Zu besonderen Anlässen wurden talentierte Mädchen grell geschminkt, einem Zirkusclown nicht unähnlich und mit Perücken versehen. Vor Beginn der Show wirkten die Mädchen schamhaft, was sehr erotisch sein kann, auch wenn es gespielt war. Zu Spitzenzeiten gab es 3 Besetzungen für die Shows. Aufgestockt mit Tanz begabten Studentinnen die immer Geld brauchten und es als angenehm empfanden es als Party Hostess zu verdienen. Das Arrangement forderte den Mädchen die Stoßfestigkeit einer Qualitätsmatratze ab, weil auch ausgehungerte Seewölfe im Publikum saßen. Darum schafften junge Mädchen nur 2 Vorstellungen in der Woche. Selbst gut bezahltes Aufziehspielzeug läuft ab und macht schlapp. Sehr beliebt war, interessanter Weise, die "Sklavenmarkt Motto Show". Blonde, schwarze, brünette und rothaarige Sklavinnen wurden leicht bekleidet, dazu an den Händen
Скачать книгу