Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke

Sitten, Strolche & Strategen - J. J. Juhnke


Скачать книгу
wurde das zu seiner Maxime. Damals wusste der Soldat nie, ob es das letzte Mal gewesen ist. Jedenfalls sei das eine gute Art sich seine Stammkundschaft zu sichern. Die zahlt Spitzenpreise und er den Mädels auch. Wenn gegen Morgen alles und alle abgefüllt und ausgelutscht waren, nahm Rex die Mädchen aus ihren jeweiligen Schlafpositionen und ließ sie das Haus verlassen. Die Böcke schliefen ihren Rausch aus und wurden zum Schiff oder ins Hotel gefahren. Hochrangige Soldaten und Geschäftsleute ließen sich vom Chauffeur abholen. Im Übrigen beklagten sich die Mädchen oft über den Verlust ihrer Unterwäsche nach derartigen Exzessen. Ein schönes Souvenir in der Hand der Herren auf ihren einsamen Fahrten durch die Weltgeschichte. Die alte Drachenburg ist für betuchte Lebemänner und andere Figuren ein zauberhafter Landgang gewesen. Ein Schlüsselwort zu wunderbaren Erinnerungen. Wie sollte er das "Separee der Spiegel" vergessen können und die süßen Nummerngirls. Zurück im normalen Leben konnte man glauben in einem Theater gewesen zu sein, mit überdurchschnittlich begabten Darstellerinnen. Was wirklich nicht von der Hand zu weisen war.

      Angie

      Ich sah die Schwestern schneller wieder, als ich es für möglich gehalten hätte. Rex bekam gelegentlich Konzertkarten zugesteckt und diesmal nahm er uns mit. Allerdings war es ein Glücksspiel und purer Zufall ob wir das Ziel erreichen würden. Rex besaß ein spritziges Auto und einen enthemmten Fahrstil. Der Mann mutierte hinter dem Lenkrad zu Lucifers Chauffeur und wir stritten uns regelmäßig, wer hinten sitzen durfte. Das mag nichts nützen, aber man sah das Ende nicht so klar auf sich zukommen. Nachdem wir mehrfach dem Tod begegnet waren, besonders in nicht einsehbaren Kurven und sehr zweifelhaft eingeschätzten Übermanövern, kamen wir schwitzend auf dem Parkplatz an. Unser Schilderwald missachtender Glücksritter sagte nur dazu: >Jungs diese Blechdinger sind doch nur Vorschläge und außerdem, wer hat einen Führerschein, ihr oder ich? Worauf sich innerlich mir die Frage aufdrängte: Von Düsentrieb Rehm, oder von einer Fahrschule? Aber Rex war nun mal unser Zugang zu vielen angenehmen Dingen der Erwachsenenwelt. Normalerweise weiß der Rex was er tut, nur am Steuer geht es mit ihm durch. Wie Gento, wenn sein Beuteschema in Reichweite kommt. Da wir das Rauchen im Auto, wegen vorhandener Schockstarre, vergessen hatten, zogen wir erst mal den Duft von Freiheit und Abenteuer in unsere unversehrten Körper. Wir folgten dem Menschenstrom in Richtung der Konzerthalle. Rex steuerte uns auf eine Litfaßsäule zu, wo wir zwei Mädchen von weitem winken sahen. Rex winkte bereits zurück.

      Die beiden Mädchen schritten ohne Eile uns entgegen und ich erkannte zu meiner Freude Angie und Ella, die von Pussyblue begehrten schmächtigen Vipern, aus der Burg der Engel. Ich ließ Angie dabei nicht mehr aus den Augen. Jeder Schritt zu mir ließ sie schöner werden. Dann stand sie vor mir und lächelte mich an. Sogar ihr Geruch lächelte mich an und das war ein Wunder, bei der Kälte. Überrascht begrüßten wir uns lachend und Angies dunkle Augen strahlte wieder pures Himmelreich Licht aus. >Unser junger Voyeur, womit kann ich denn heute deine Aufmerksamkeit auf mich lenken? sprach sie und harkte sich bei mir unter. Ich stammelte nur: >das mag ich dir gar nicht sagen, schönes Mädchen! Währenddessen zentrierte sich Gentos Leitstrahl auf Ella und das wurde in den nächsten Stunden auch nicht besser. Scheinbar war Ella dem aber gewachsen und nicht abgeneigt. Wahrscheinlich blieb normalerweise das Rampenlicht an ihrer Schwester haften. Bei Gento gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Mädchen sahen in ihm ein Großmaul, oder einen sichtlich interessierten jungen Mann der was zu erzählen hatte. So blieb es einige Jahre in Gentos Leben was eine gute Quote hergab. Rex zückte die Karten und verteilte an uns. Die Schwestern waren süß aufgehübscht und trugen gleiche Mäntel. Gemeinsam schritten wir in Richtung der Eingänge und kamen dabei einer Menschentraube näher. Ich erkannte auf der einen Seite mehrere Frauen mit Spruchbändern die sie in den Abendhimmel hielten. Sie waren eine "bewusstseinserweiternde Gruppe", wie sich viele in jenen Tagen gründeten. Auf ihren Plakaten stand zu lesen: "gegen Sexismus, gegen Schönheitswettbewerbe" und die Forderung: "alle Miniröcke in die Mülltonne". Auf der anderen Seite standen Konzertgänger die kurz verweilten um sich den Aufmarsch anzusehen. Man hörte die engagierten Frauen ihre Slogans rufen. Sie meinten: "Makeup kaschiert die Unterdrückung und Frauen könne man bald nur noch an ihrer Haarfarbe unterscheiden". Als die Wortführerin diese Behauptungen von sich gab, erwiderte Gento trocken: >Also, mir reicht das Angebot der Kosmetikfirmen mit den Haarfarben völlig aus und für die Frauenbewegung bin ich auch. Wäre doch schade, wenn sich die Frauen im Bett dabei nicht bewegen würden<. Die Frontfrau der kleinen Protestbewegung von "Ruferinnen in der Wüste" bewegte sich auf meinen Freund zu und blieb vor ihm stehen, sagte: >Na, Spaßfreund, große Klappe und Vorstellungen vom Mittelalter im Kopf, merkst du das nicht? Moment mal, wer hat denn damit angefangen<, rief Gento empört zurück. >Wer von uns beiden glaubt eher im Mittelalter zu stecken? Aber ich frage dich, tragt ihr noch Keuschheitsgürtel? Erfand man nicht erst kürzlich für euch die Anti- Baby- Pille? Zwinge ich dich einen Minirock zu tragen? Male ich dir das Gesicht an? Dürfen Frauen arbeiten gehen? Frauen dürfen sogar zur Wahl gehen! Vor allem: Werden heute noch Hexen verbrannt? Frauen dürfen sogar auf Plätzen stehen und sich darüber beklagen das sie sexy sein können und dann Männer hinter ihnen her sind. Ja, was denn noch? <, rief Gento laut in die Menge. > Da hast du dich gleich selber beschrieben, immer noch Jäger und Sammler, wie zur Steinzeit<, konterte die Rädelsführerin. >Also dich jage ich bestimmt nicht, höchstens zünde ich den Scheiterhaufen an<, sprach Gento und wollte gerade neu ansetzen, als ihn Ella unterbrach und sagte: > Komm, besser du jagst mich und lass uns vorher ins Konzert gehen<. So setzten wir uns wieder in Bewegung und ließen die Amazone zurück.

      Nach dem Konzert schleppte uns Rex noch ins Vergnügungsviertel der Altstadt. In ein stark verrauchtes, dunkles Kellergewölbe, mit etlichen Räumen und Winkel. Ich glaube, hier wurde Nichtrauchern Hausverbot erteilt. Man hockte bei Kerzenschein und alles schien aus der Zeit gefallen, außer der Musik. Es war schon toll mit so schönen, erfahrenen Mädchen in diesem gemütlichen Nebelloch, bei Beatmusik, abzuhängen. Rex bezahlte für alles, setzte sich aber wieder von uns ab. Das hatte er schon während des Konzertes getan, dabei später den Mädchen Autogrammkarten von den Musikern geschenkt. Hier im Laden blieb er auf die Tanzfläche fixiert, wo in wilden Bewegungen die Götter der Hottentotten beschworen wurde. >Wenn uns Stuka hier sehen würde<, flüsterte ich Gento ins Ohr. >Lieber nicht<, meinte Gento, das würde er nicht überleben und wer weiß wer als Nachfolger uns das Leben schwerer machen würde. Der uns nicht die Unterschiede der JU 86 zur Ju 88 bei Feindflug erklären kann.< Ich erkannte, wenn eine besonders wild und sinnlich tanzen wollte, sie in der nächsten halben Stunde mit Rex an der Bar zu finden war. Ich begriff, er war im Dienst. Auf der Suche nach talentiertem Frischfleisch. Ich denke, der Laden war eine angesagte Adresse für Mädchen mit lockerer Moral und großem Bedarf an steuerfreiem Bargeld. Rex mutierte zu einem mobilen Rekrutierungsbüro. Es gelang mir, mich mit Angela ans Ende vom Tresen abzusetzen, Gento, Brando und Ella bekamen zwei Meter entfernt von uns Plätze am Bartresen. Umgehend bestellte Angie die erste Lage Jägermeister und Zigaretten begannen zu glimmen. >Wie bist du zu Alfredos Entertainment gekommen<, fragte ich sie und Angie zeigte auf Rex der in einem lebhaften Gespräch mit einer Jane Fonda Kopie steckte. >Der Zufall hat Regie geführt<, sagte sie. >Das kam ganz zufällig. An einem schwarzen Brett in der Uni steckte der Zettel. Eine Art ausgeschnittene Zeitungsanzeige. Ich weiß den Text noch auswendig.< Sie lehnte sich auf die Seite und sprach mir die Worte in Art einer Werbesprecherin ins Ohr: >Gehobener, intimer Club für den Mann von Welt, bietet begabten jungen Frauen Möglichkeiten sich in Tanz und Schauspiel zu präsentieren. Gute Englischkenntnisse sind wünschenswert. Es erwarten Sie sehr gute Verdienstmöglichkeiten in angenehmer Atmosphäre und völliger Diskretion. Bitte aussagefähige Bildzuschriften an Postfach so und so<. Weil Angie so dicht an mein Ohr gekommen war, rutschte sie nun vom Barhocker und ihr Rock positiv hoch. Ich half ihr auf und sie verteilte zwei neue Gläser. Ex und hopp, dann sprach sie weiter: >Die Tristesse bei Oma schnürte uns vom Leben ab, je älter wir wurden desto mehr. Wir mussten da so schnell wie möglich raus. Aber was konnten wir denn schon? Da gab es nur Talente die wir von Mutter geerbt hatten: tanzen, schauspielern und Männer in Versuchung bringen. In ihrem Leben drehte sich viel um Täuschung, sie hat nur Rollen gespielt, auf Bühnen und im Leben. Tatsächlich meldete sich auf das Antwortschreiben ein Herr Rex und verabredete sich mit uns zum Kaffee in einem noblen Hotel. Wir haben ihm wohl gefallen, denn er lud uns später zum Abendessen ein. Wieder ein schicker Laden und wenn du das nicht


Скачать книгу