Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke
von ihm! Dem Kellerverlies entstiegen, fühlte ich noch mehr, wie betrunken ich war. Dann ging alles sehr rasch. Als wir auf die nächtliche Straße traten wirbelte ein kräftiges Schneegestöber, der Winter war nochmal zurückgekehrt.
Zum Abschied standen Angie und ich uns im Schneetreiben gegenüber, beide an einen Traum gebunden.
Sie sagte einen letzten Satz: > Mann muss doch Abschied nehmen, um sich wieder zu begegnen<. Es klang traurig und süß, wie einem Kinofilm entliehen und ihre Augen machten ein letztes Mal blink, blink. Ein ewig nachglühender Moment. Dann nahm Rex die Mädchen beiseite und brachte sie zum Taxistand auf der anderen Straßenseite, drückte Ella Geld in die Hand und kam wieder zurück. >So, jetzt fahren wir erst mal frühstücken, meine Herren<, waren seine ersten Worte an uns, nach stundenlanger Abwesenheit.
Auf der Heimfahrt ging mir eine der vielen Ansprachen meines Führungsoffiziers durch den Kopf:
>Junge, es gibt dunkle Wege, die ein Schicksal geht. Es gibt Zeiten da muss ein Mann kämpfen und Zeiten wo er sich seinem Schicksal ergeben muss. Nur ein Narr würde weiterkämpfen. Wer wird wohl der Narr sein<, fragte ich mich. So hat der Abend jedem von uns etwas Neues beschert. Rex ein neues Fohlen mit Namen Mascha, deren Familie, als Spätaussiedler, es in den goldenen Westen geschafft hatte. Aus dem Sudetenland, oder Polen, ich weiß es nicht mehr genau. Jetzt brannte sie darauf den Westen zu genießen und vieles nachzuholen. Also wieder eine, die schnell viel Geld benötigte, wie jedes schlaue Mädchen. Da wollte Rex ihr helfen, wo er nur konnte. Und natürlich, wie sie es konnte. Aber da hatte Rex schon ein sehr gutes Gefühl bekommen. So wie Mascha gebaut war standen die Chancen gut sie, in absehbarer Zeit, wieder zu sehen. Gento hatte Ella bereits sturmreif begeistert, für sein zukünftiges Filmkunststudio Projekt, dass nur noch, in nicht allzu ferner Zukunft, ihre Unterschrift folgen wird. Dann würden es Hauptrollen regnen und sie zum Star am Himmel des aufgehenden Erotik Zeitalters befördern. Spätestens wenn Gento das einundzwanzigste Lebensjahr erreicht hat und uralte Gesetze sich ändern. Beides wird passieren.
Brando hatte sich als neues Ziel gesetzt eines Tages in der mexikanischen Bar aufzutauchen und solange dort zu gastieren bis er alle Huren im Etablissement durchgevögelt hatte. Wieder zuhause würde er seinem Vater detailliert davon berichten. Von wegen: Wer fliegen will muss erst lernen zu landen, wie Alfredo ihm gerne predigte. Tja und ich hatte wieder ein bisschen mehr erfahren, was alles eine Liebelei sein kann und das wirklich Wichtiges in der Zukunft stattfinden wird. Ist es ein Stigma, bei Geburt für deine Zukunft hinterlegt, oder das Ergebnis zufälliger Entscheidungen? Ich glaube, Angies Einsamkeit beruht auf ein Phänomen von dem die Neuzeit erfasst wurde. Viele Männer, denen Angelas überdurchschnittliche Schönheit sofortige Gefühle von Verliebtheit bescherte, machten einen Bogen um das Mädchen um keinesfalls in Versuchung zu geraten. Nackte Angst, sich sonst ins bodenlose ihrer Macht auszuliefern, mag als Hauptgrund gültig sein. Eine Ohnmacht dem und ihr nicht gewachsen zu sein. Bevor überhaupt die Chance gesucht wird, mit ihr etwas anzufangen wird man abgefangen von der Gewissheit des sicheren Scheiterns einer Liaison mit der Traumfrau. Scheinbar wäre es für manchen eine unerträgliche Perspektive nicht ertragen zu können das Mädchen, wenn man es denn für sich gewinnen könnte, wieder zu verlieren. Zu groß, der zu erwartete Einschuss im Herzen. Besser keinen Kontrollverlust, kein siebter Himmel aus dessen Höhe Abstürze sicher schmerzhaft sind. Natürlich werden sie an manchen Orten mit wahnsinnig schicken Freunden gesehen und bewundert. Doch wenn es an Stammbaum, Mitgift und Akzeptanz der möglichen Schwiegereltern (Mutter ist die Konkurrenz zu mächtig, Vater ist zum Kirchenfenster schmelzen entzückt von der Braut) fehlt, verbleiben sie im Status der heimlichen Geliebten. So werden außergewöhnliche Mädchen, als "Nummer zu groß", oft am Rande stehen gelassen. Eine Chance, der großen Liebe zu begegnen, wird sinnlos vertan. Was ich sehr schade finden würde, wenn ich nicht davon profitieren würde. Und wenn es nur eine Nacht mit der Schönen ist, eine Nacht mehr ist auch eine Nacht weniger im Leben. Aber diese ist dafür wunderbar. Das ist es doch was zählen sollte und nicht die Länge der Zeit in der ich sie halten kann. Mir sind jedenfalls in den darauffolgenden Jahren einige wahrlich außergewöhnlich schöne Geschöpfe begegnet. Wie ein roter Faden stigmatisierte sie ihr Aussehen, bei Männern die sich vor ihnen fürchteten. Verlassen wir die Ebene der Liebe sieht es sofort anders aus. Kann ein Kerl seine Gefühle beim Verkehr mit so einem schönen Mädchen voll auf seinen Schwanz fokussieren, so kommt er bestens mit ihr auf seine Kosten. Die Lust beim Sex mit der Schönen ist grenzenlos und er hat keine Berührungsängste sie zu vögeln. Mehr gesteht er sich nicht zu und alles läuft prima. Auch deshalb läuft es in der Drachenburg. Traumfrauen um Träume zu erfüllen. Aber für diese Nacht und nicht fürs Leben.
In Angies Welt kam es zu Verwerfungen im Leben der Personen die ihre Nähe dann doch für ein Glück zu zweit suchten. Wohl weil sich mancher in einer dunklen Sackgasse glaubte und sein Herz die einmalige Chance erkannte mit ihr auf der Sonnenseite vom Highway einzubiegen. Tunnelblick der Liebe nenne ich das einfach nur. Denn wer das tut, muss fest daran glauben, dass eine neue Liebe ein neues Leben bedeutet. So war Angie für einen Mann des Geistes, in den besten Jahren, wie man so sagt, auch eine schicksalhafte Begegnung. Wie das so ist verließ dieses Gerücht irgendwann das Uni Gelände und flog in die Ohren seiner Frau. Wenn ich an diesem Morgen geahnt hätte was mir Angie noch alles bieten würde, ich wäre ruhiger und zufriedener gewesen, mich auf das außerordentliche mit ihr vorbereitet. Was ich zufälliger und glücklicher Weise auch tun konnte, aber das ist eine andere Geschichte. Das Lied Angie (Rolling Stones) erinnert mich heute noch an ihre Liebe. An eine Zeit aus erster Qualität, die sich mit gar nichts vergleichen lässt. Es ist die Denke aus der Provinz, dass man meint man könne etwas nicht teilen, was man lieber allein besitzen will. Daran ist manch guter Mann, manch gute Frau zerschellt, sagten mir Augenzeugen, wie z.B. Bootsmann. Sie sind unfähig das beste von einer Sehnsucht für den Moment zu besitzen, oder wenigstens zu genießen. Es soll und muss der ganze Kuchen sein, bis jedes Verlangen ausgelutscht ist und in einer Ehe verendet, so Mandy. Sie suchen zwar die Erfüllung im kleinen Tod bei einem geeigneten Mädchen, aber vor allem wollen sie den großen Tod, in einer Liebesheirat, finden, so Candy. Candy und Mandy lernte ich etwas später in einer unvergessenen Nacht, bei einer Feier der Innung in der gelben Villa, näher und tiefer kennen, aber das ist schon wieder ein anderes Buch. Entscheiden heißt verzichten, sage ich!
MUSIK
An dieser Stelle muss ich, als älteres Semester und um meine Glaubwürdigkeit zu erhalten, den jüngeren Lesern (in der Hoffnung es gibt sie) erklären, warum ich mich an die Musiktitel erinnere und weshalb ich sie an den geschichtlich dazu gehörigen Stellen extra nenne. Damals, vor dem Internet und der Welle der Digitalisierung, gab es auch schon populäre Musik. Auf großen und kleinen schwarzen Scheiben per Plattenspieler, oder von Spulen auf Tonbandgeräten. Genaueres will ich hier nicht erklären, wozu auch, die Zeiten sind lange her. Aber was man wissen sollte ist, dass ein Lied, welches in den wenigen Radiostationen die es gab öfter gespielt wurde, eine viel längere Halbwertzeit bei den Hörern hatte, als es heute der Fall ist.
Einen Hit nannte man so ein ewig gehörtes Lied schon damals. Dafür gibt es heute hunderttausend Lieder mehr, die monatlich von der Unterhaltungsindustrie auf den Markt, mit seinen vielfältigen Kanälen, gestreut werden. Dafür hat kaum noch einer das Zeug zum Klassiker, wie es die Beatles, die Rolling Stones, die Beach Boys und vieler anderer Musiker damals hervor brauchten. Wir hatten zu jener Zeit viel weniger Auswahl, aber eine andere, tiefere Beziehung zu machen Song seiner Zeit. Ich sag mal: wir haben in unserer Lieblingsmusik mehr gelebt, sie haftete uns förmlich an. Vor allem später in den Siebzigern, was seine besonderen Gründe hatte. Die Zeiten waren einfach anders und somit die Musiker auch. Ich versuche nur zu erklären warum ich, hier und da, darüber berichte, welche Songs, zu welchen Geschehnissen, gerade liefen.
Es ist mir und meiner Generation wichtig gewesen, denke ich sagen zu können. Vielleicht weil es endlich Musik für uns gab, in denen explizit unsere Gefühle transportiert wurden. Manche sind für mich "Evergreens" geworden und das ist ein passendes Wort um diese unsterblichen Meisterstücke zu zertifizieren.
Mein Führungsoffizier