Das Licht der Frauen. Żanna Słoniowska

Das Licht der Frauen - Żanna Słoniowska


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Hast du sie gelesen?«

      Mikolaj schwieg.

      »Aber zurück zu der Glasmalerei. Man weiß weder, wer sie erschaffen hat, noch wann. Ein völliges Rätsel, wie so vieles in dieser Stadt. Ich habe keine Ahnung, wo man Informationen finden kann. Ich habe sie noch nie jemandem im Dunkeln gezeigt. Findest du nicht, das ist eine Auszeichnung für dich und dein Talent?«, stellte sie mehr fest als zu fragen und legte dann ihre Lippen auf die seinen. Bei diesem Kuss blieben beide Münder geschlossen. Dann nahm sie seine Hand und legte sie auf das Glas.

      »Hier sind vier Elemente abgebildet. Von oben: Luft, Erde, Wasser und Feuer. Du hast die Hand gerade auf dem Feuer. Der einzige Teil, der nicht erhalten geblieben ist.«

      Das Mosaik war eiskalt, und Mikolaj zog rasch seine Hand zurück. Er glaubte plötzlich, am Glas festzufrieren und für immer in diesem Hauseingang bleiben zu müssen. Er ging, ohne ein Wort zu sagen, und bog rasch in die Akademicka ein.

      Die Akademicka

      Die Straße, die um die Ecke von unserer Wohnung begann, nannten wir Akademicka, obwohl auf den Schildern ein anderer Name stand: Taras-Schwetschenko-Prospekt. Es gab dort drei Kinos, viele Geschäfte und eine Allee von hohen Pappeln auf dem Mittelstreifen, wo früher die Peltew geflossen war. Alle paar Tage ließen Aba und ich uns dort treiben, leider sehr langsam. Ständig musste man in irgendeinem Hafen, also einem Laden, vor Anker gehen. Darin bestand das von mir gehasste Einkaufen.

      Die Akademicka begann an einem Platz, auf dem früher der steinerne Sessel des polnischen Dramatikers Aleksander Fredro gestanden hatte, mit ihm selbst darin. Heute allerdings waren Sessel und der, der in ihm gesessen hatte, verschwunden. Nur die Tauben schaukelten auf den schweren Ketten, die den Platz umgrenzten. Jedes Glied endete in einer Steinkugel mit spitzen Dornen. Ein Wettrüsten, dachte ich jedes Mal, wenn ich sie betrachtete.

      Die Akademicka, das war auch das Eckhaus mit dem Kino, das nach dem Revolutionär Mikolaj Schtschors benannt war. Und daneben stand ein Automat mit Sprudelwasser, in den man eine Münze werfen musste. Dann schoss die Flüssigkeit aus dem oberen Teil des Fensterchens in ein dickwandiges Glas, das man nach dem Trinken umdrehen und mit dem von unten hochspritzenden Wasser auswaschen musste. Anfang der neunziger Jahre wurden die Gläser mit Ketten befestigt und Ende des Jahrzehnts die Automaten entfernt. Aber ich spreche jetzt von den achtziger Jahren.

      Auf den handgemalten Plakaten las ich:

      »Andrei Tarkowski. Nostalghia.« Vor dem Kino war eine Schlange, so lang wie die halbe Straße.

      »Was ist Nostalgie?«, fragte ich Aba.

      »Sehnsucht nach der Heimat«, erwiderte sie und wandte den Blick ab. Ich weiß nicht, ob sie an Leningrad-Petersburg dachte, wo sie geboren war und vor dem Krieg gelebt hatte, oder an Polen, von dem sie immer geträumt hatte und das aus Lemberg verschwunden ist.

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