Kinder des Zufalls. Astrid Rosenfeld

Kinder des Zufalls - Astrid Rosenfeld


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es reingefallen ist?«, fragte Charlotte.

      »Vielleicht«, sagte Collin.

      »Wie lange es wohl schon dort liegt?«

      Collin spürte, wie es ihm die Kehle zuschnürte, und zuckte bloß mit den Schultern. Bemüht, die feuchten Augen vor Charlotte zu verbergen, senkte er seinen Kopf.

      »Ich finde, die Leute sollten es da rausholen. Macht hier denn keiner sauber?«

      Als Collin nicht antwortete, sah sie ihn an, sah, dass er weinte.

      »Was hast du denn?«, fragte sie.

      »Ich weiß nicht«, sagte er und wusste es wirklich nicht.

      »Ist doch nur ein Eichhörnchen«, sagte Charlotte leise. Dann stand sie auf, um Zigaretten aus dem Zimmer zu holen.

      Sie hatte erst vor kurzem angefangen zu rauchen. Eine Zigarette, fand sie, war ein hübsches Accessoire. Als junge Frau brauchte Charlotte keine Diamantringe, eine Lucky Strike Filter genügte völlig.

      Sie kam zurück, zündete zwei Zigaretten an. Eine für Collin, eine für sich.

      »Weinst du noch immer?«, fragte sie sanft und reichte ihm eine.

      Collin schüttelte den Kopf. »Ist schon wieder gut.« Er dachte an den falschen Bob und seinen Kameraden auf dem Life Magazine. Ein verwundeter Soldat mit einem Becher in der Hand. Vielleicht hatte er, gleich nachdem das Bild entstanden war, einen Schluck getrunken, aber es sah aus, als ob er für immer durstig bleiben würde. Und dieses Gefühl der Endgültigkeit machte Collin traurig.

      Charlotte schnippte ihren Zigarettenstummel in den Pool, vorbei am toten Tierchen.

      »Was machen wir hier eigentlich?«, fragte sie und seufzte.

      »Die Mandelbäume. Du wolltest die Mandelblüte sehen«, sagte Collin.

      »Wollte ich das? Wann blühen sie denn?«

      »Bald«, antwortete er.

      »Eigentlich interessieren mich Mandelbäume nicht besonders. Ich meine, ich mag Bäume. Jeder mag Bäume …« Charlotte lehnte sich an ihn. »Lass uns verschwinden. Gleich morgen früh. Oder willst du warten, bis die Bäume blühen?«

      »Nein«, sagte er und lächelte. Lächelte, weil er diese unfassbare Frau so sehr liebte.

      Über fünfhundert Kilometer hatten sie an diesem Tag zurückgelegt. Charlotte hatte unbedingt und sofort zu den Mandelbäumen gewollt. Collin hatte ihr gesagt, dass sie noch nicht blühen würden. Sie wollte trotzdem – unbedingt und sofort.

      Ihre Unbeständigkeit störte ihn nicht. Es war dieses Sehnen, das sie im Kreis fahren ließ. Und solange sie weiterfuhren, durfte Collin Nacht für Nacht neben Charlotte schlafen.

      Die Sonne verschwand immer wieder hinter Schleierwolken. Vor ein paar Monaten waren sie schon einmal hier gewesen und hatten die einsame Bucht in der Nähe von Santa Barbara entdeckt. So musste sich Vasco Núñez de Balboa gefühlt haben, der erste Europäer, der den Pazifik sah.

      Nackt waren Charlotte und Collin ins Wasser gesprungen, kreischend vor Glückseligkeit.

      Jetzt waren sie zurückgekehrt, hatten ihren Felsen wiedergefunden. Eingewickelt in Decken, hockten sie auf dem Vorsprung.

      »Es ist anders«, sagte Charlotte enttäuscht.

      »Es ist nur kälter«, antwortete Collin.

      Sie schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht.«

      Den Vorschlag, am Strand spazieren zu gehen, wies sie ebenso zurück wie seine Zärtlichkeiten. Und auch die Delfine, die nur wenige Meter von der Bucht entfernt im Wasser tanzten, heiterten sie nicht auf.

      Charlottes Unzufriedenheit begleitete die beiden in ihr Motelzimmer.

      »Mir ist eiskalt. Ich brauche ein Bad.« Türenknallend verschwand sie, türenknallend tauchte sie wieder auf. Und Collin fühlte sich schuldig. Schuldig, dass der Felsen seinen Zauber für Charlotte verloren hatte. Schuldig, dass sie fror. Schuldig, dass es nur eine Dusche und keine Badewanne gab.

      Erst am Abend, als sie in einem überfüllten mexikanischen Restaurant Enchiladas aßen, hellte sich Charlottes Stimmung auf.

      Die Rechnung lag auf dem Tisch. Collin zog das Portemonnaie aus der Hosentasche, doch Charlotte riss es ihm aus der Hand.

      »Lass uns einfach gehen.«

      »Was?«

      »Ich zähle bis fünf, und dann gehen wir.« Ihre Augen leuchteten. »Ohne zu bezahlen«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.

      »Warum?«

      Das Essen war billig, und sie hatten Geld.

      »Eins. Zwei …«

      »Charlotte, aber …«

      »Drei …«

      »Was ist, wenn …«

      »Vier …«

      Die leuchtenden Augen funkelten bedrohlich. »Fünf.«

      Charlotte stand auf, er folgte ihr.

      Draußen nahm sie seine Hand und zog ihn mit sich, kreischend vor Freude.

      Drei Tage später zwang sie Collin, in einem 24-Stunden-Diner aus dem Toilettenfenster zu klettern. Er gab nach, weil es sie glücklich machte. Ein Glück, das er nicht verstand. In Restaurants nicht zu zahlen, wurde Alltag. Und das galt auch für Tankstellen. Charlotte steckte ein, was sie in die Finger bekam. Schokoladenriegel, Bonbons, eine Sonnenbrille, eine Mütze, Kaugummis, Zeitschriften.

      »Und?«, fragte sie.

      »Ein bisschen zu groß«, sagte Collin.

      Sie klappte die Sonnenblende runter und betrachtete ihr Spiegelbild. »Stimmt, zu groß.«

      Der Strohhut flog auf die Rückbank. Dort würde er liegen bleiben, zwischen all seinen unbezahlten Brüdern und Schwestern, um später, wenn es zu viele geworden waren, in einer Mülltonne zu landen.

      In Willits, Mendocino, entführte Charlotte einen schwarzen Mischlingshund. Sie stahl den Welpen aus einem geparkten Auto und erstickte Collins Protest mit einem einzigen Blick.

      Der Hund winselte traurig in Charlottes Armen, als sie, nun zu dritt, Zimmer Nummer 27 betraten.

      »Ich nenne dich Bibo«, sagte sie zu dem Hündchen. »Ich wollte schon immer einen Hund haben«, sagte sie zu Collin.

      »Ich hätte dir einen gekauft. Aber der hier gehört doch jemandem. Der Hund will nach Hause.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Bibo muss sich nur an mich gewöhnen. Nicht wahr, mein Kleiner?« Charlotte liebkoste das Tier. Und während sie es mit Hot Dogs fütterte, sagte sie immer wieder: »Collin, ich liebe diesen Hund. Ich bin so glücklich.«

      Noch ein Glück, das er nicht verstand, aber sehen konnte. Auf ihren Lippen, in ihren Augen. Ihr Glück machte ihn glücklich. Und da saßen sie, zwei glückliche Menschen und ein unglücklicher Hund.

      Bibo lag am Fußende des Bettes und wimmerte die ganze Nacht. Als er sich im Morgengrauen auf der dunkelgrünen Decke erbrach, schnappte Charlotte sich das Tier. Barfuß, den Hund im Arm verließ sie das Zimmer. Wenig später kam sie zurück. Alleine.

      »Wo ist er?«, fragte Collin.

      »Wer?« Sie klang überrascht.

      »Bibo.«

      »Ach, Bibo«, sagte sie, »Ich habe ihn an der Rezeption abgegeben. Weißt du, eigentlich wollte ich immer einen Löwen haben.«

      Und da begriff Collin, dass ein kleiner Hund Charlotte ebenso viel bedeutete wie eine mit Rentieren bestickte Wollmütze oder eine Tüte Karamellbonbons.

      »Tu das nie wieder«, sagte er.

      »Was soll ich nie wieder tun?«

      »Der


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