Kinder des Zufalls. Astrid Rosenfeld

Kinder des Zufalls - Astrid Rosenfeld


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und Collin blickten ihr nach, als sie aus dem Zimmer verschwand.

      »Ich sollte auch gehen«, sagte Collin schließlich. »Gute Nacht.«

      »Seid ihr ein Paar?«, fragte Bob.

      »Wer?«

      »Du und die Blonde.«

      »Nein.«

      In der Tür drehte Collin sich noch einmal um. »Pass auf dich auf«, sagte er. »Pass gut auf dich auf.«

      Der Marine schaute ihn an. In diesem Moment sah Bob tatsächlich aus wie ein Krieger, der sein Gewehr und sein Leben meistern würde. Der schneller schießen würde als sein Feind. »Du bist auch bald dran.« Es klang wie eine Drohung.

      Collin lächelte. »III A.«

      »Was ist III A?«

      »Meine Großmutter. Ich kümmere mich um meine Großmutter.«

      »Das ist doch nur ’ne Ausrede. Ne beschissene Ausrede.«

      »Irgendwie ja, aber …« Weiter kam Collin nicht.

      »Hau ab!«, schrie Bob. »Raus, raus hier!«

      Es dämmerte, als Collins Schicht im Hotel endete und er in den Station Wagon stieg.

      Er ging nicht in die Garage, sondern in den Bungalow. Ozzy lag auf der Couch. Das Wohnzimmer roch nach Wein und altem Rauch.

      »Ozzy? Ozzy. Ich bin’s. Wach auf, wach auf!«

      Collin rüttelte an den Armen des Sofas, an Ozzys Armen, bis der seine Augen öffnete. Blutunterlaufen von zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf.

      »Ozzy, ich hab mich verliebt«, sagte Collin.

      Langsam setzte Ozzy sich auf. »Und deshalb veranstaltest du hier so ein Buhei? So ein Scheiß. Ich verlieb mich jeden Tag. Manchmal drei Mal in einer Stunde. Soll ich dir jedes Mal eins auf die Fresse hauen, wenn es so weit ist? Verliebt. Ich bin auch verliebt, na und?«

      »Nein, nicht so. So … na ja, richtig. Richtig verliebt.«

      Und dann erzählte er von der blonden Frau in dem dunkelroten Negligé und von dem weinenden Soldaten.

      Ozzy lachte. »Du bist hier und sie in einem Hotelbett. Das ist keine Liebesgeschichte, mein Freund.«

      Die Liebesgeschichte begann am nächsten Abend. Sie hatte ihren Koffer gepackt. Ihr Rock war eng, die Bluse tief ausgeschnitten. Sie stand an der Rezeption, als Collin seinen Dienst antrat.

      »Der Soldat ist fort, und ich möchte auch nicht hierbleiben. Ich mag dieses Hotel nicht. Wo wohnst du?«, fragte Charlotte.

      »In Hollywood. In einer Garage«, antwortete Collin. Eigentlich hatte er später an ihre Zimmertür klopfen wollen, um zu fragen, ob er sie irgendwann ausführen dürfe. Vergessen waren die zurechtgelegten Sätze.

      »Eine Garage? Das ist auch nicht sehr schön. Aber besser. Wusstest du, dass hier Leute ermordet wurden? Und dass zwei Frauen aus dem Fenster gesprungen sind?«

      Collin nickte.

      »Wie kann man nur aus dem Fenster springen?«

      »Wie kann man nur?«, sagte er leise.

      »Wann gehen wir?«

      »Was?«

      »Wann bist du fertig?«

      »Ich? Um … um halb sechs.«

      »Dann warte ich«, antwortete sie bestimmt.

      »Auf mich?«

      »Ja. Oder ist da kein Platz in deiner Garage?«

      »Platz?«

      »Ich meine, ich kann auch in ein anderes Hotel, aber …«

      »Nein. Nein.« Jetzt erst verstand er. »Natürlich ist da Platz.«

      Er hatte kräftige Arme, ein sanftes Gemüt und eine Garage. Diejenigen, die sich nur vom Schlag ihres Herzens leiten lassen, finden, was sie brauchen.

      4 Schiffe

      Wenn Collin abends ins Hotel fuhr, lud Ozzy Charlotte manchmal in den Bungalow ein. Seine Drinks waren stark, das Radio bis zum Anschlag aufgedreht. Viel hatten sich die beiden nicht zu sagen. Die Musik übertönte ihr Schweigen, und der Alkohol lockerte die Stimmung.

      Warum Ozzy sie überhaupt einlud, blieb Charlotte bis zu jenem Abend ein Rätsel.

      »Muss mal kurz raus«, sagte er, während Charlotte, vom Whiskey benommen, auf dem Sofa saß.

      Jedes Mal verschwand er eine Weile, und jedes Mal wunderte sie sich. Doch die Verwunderung hielt nur einen Wimpernschlag lang. Ozzys Drinks machten sie gleichgültig und vergesslich.

      »Bin gleich wieder da«, sagte er.

      Charlotte nickte, die Augen halb geschlossen. Ihr Magen krampfte, die Knie zitterten. Jameson und frittierte Hühnerbeine stiegen in ihr hoch. Und Erinnerungen an ihr altes Leben in Deutschland. Sie würgte.

      »Ozzy?« Aber Ozzy war schon aus der Tür und Petula Clarks Downtown zu laut, als dass er Charlotte noch hätte hören können. Dunkelbraun platschte es auf den hellbraunen Kachelboden.

      »Ozzy?«, rief sie noch einmal.

      Sie stand auf, stolperte zur Tür, öffnete sie. Kühle Nachtluft füllte ihre Lungen. Sie setze einen Fuß vor den anderen. Fünfzehn Schritte bis zur Garage. Auf halber Strecke blieb sie stehen. Ein Auto parkte vor dem geöffneten Tor. Den Wagen kannte sie nicht, auch nicht die zwei Männer, die mit Ozzy und einem Seesack aus der Garage kamen. Das schwere Gepäckstück – alle drei mussten anpacken – wurde im Kofferraum verstaut. Schulterklopfen, gedämpfte Stimmen. Einer der Männer gab Ozzy ein Papierbündel, das er in seine Hosentasche stopfte. Das hier war nicht für Charlottes Augen bestimmt.

      Alle Benommenheit wich aus ihrem Körper. Sie lief zurück in den Bungalow und holte einen Lappen aus der Küche. Als Ozzy wiederauftauchte, wischte sie gerade den Boden.

      »Was machst du da?«, fragte er und stellte das Radio ab.

      »Ist einfach rausgekommen.«

      Er kniete sich neben sie. »Setz dich aufs Sofa«, sagte er und nahm ihr den Lappen aus der Hand. »Ozzy macht das schon. Bin doch ’n netter Kerl.«

      »Wo warst du?«, fragte sie.

      »Wo ich war? Draußen.«

      »Und was hast du draußen gemacht?«

      Er schaute sie nicht an. »Kann nicht die ganze Zeit stillsitzen, weißt du? Ist so ’n Tick. Ozzys Beine müssen zappeln.« Er hielt den Lappen hoch. »Verträgst nicht viel, was?« Ein aufgesetztes Lachen.

      Ruckartig erhob er sich und marschierte in die Küche, Charlotte folgte ihm. Er drehte den Wasserhahn auf, hielt den verdreckten Lappen unter den Strahl.

      »Danke«, sagte Charlotte.

      »Danke für was?«

      »Danke, dass du das aufgewischt hast.«

      »Kein Problem. Hab doch gesagt: Ozzy ist ’n netter Kerl.«

      »Und danke, dass ich hier wohnen darf.«

      Er sagte nichts. Charlotte zog ihn an sich. Ihre Hände fuhren über seinen Körper, ihre Lippen küssten seinen Hals.

      Fast hätte er sich gehen lassen. Doch dann stieß er sie weg. »Hör mal«, sagte er in ungewohnt ernstem Ton, »ich hab schon mit Collin geredet. Du kannst hier nicht bleiben. Ich meine …«

      Sie lächelte. »Stör ich dich?«

      »Was«, er zuckte zusammen, »was redest du da? Was …«

      »Na ja«, sagte sie.

      »Und was soll das heißen: ›Na ja‹?«

      »Na


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