Das Auge der Medusa. Johanna T. Hellmich

Das Auge der Medusa - Johanna T. Hellmich


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und nickte. Dann schrieb sie in einer möglichst lesbaren Schrift: Abend Dreieck und schnippte den Zettel zu ihrer Freundin hinüber. Diese schien nicht erfreut über den Inhalt der Nachricht, doch stimmte sie mit einem resignierten Blick zu. Sie würde Geduld haben müssen.

      Medusa widmete sich erneut ihren Notizen. Heka … Wo hatte sie den Namen schon mal gehört? Mit einem Stirnrunzeln zog sie ihr Handy hervor und begann, im Internet nach dem Namen zu suchen. Sie wurde bald fündig und schlug sich die Hand vor die Stirn. Unglaublich, dass sie nicht früher darauf gekommen war.

      Bevor sie es bemerkte, war es Abend. Medusa ging kurz nach Hause, um Medea ihr Futter zu geben und ihre Sachen für die Arbeit zu holen. Punkt acht Uhr traf sie im Dreieck ein, wo Clara bereits auf sie wartete. Da es ein Wochentag war, gab es nur zwei Mitarbeiter an der Bar und wenig Gäste. Clara nutzte die Gelegenheit und zog Medusa sofort hinter die Theke, wo sie begann, auf sie einzureden. Medusa hatte sich schon gefragt, wie lange Clara noch ihren Mund halten könnte.

      „Sag schon, was ist passiert? Du bist mir den ganzen Tag aus dem Weg gegangen, hat die Wurzel gewirkt? Hast du Charly gefunden?“

      Medusa hob beschwichtigend die Hände und trat einen Schritt zurück. Dann holte sie ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus ihrer Jackentasche und breitete es auf der Theke aus. Das Blatt war noch dichter beschrieben als zuvor. Clara versuchte erst gar nicht, Medusas Schrift zu entziffern.

      „Ja, ich konnte mit Charly sprechen. Du bist ein Genie, Clara.“

      „Ich weiß, und?“

      Medusa musste schmunzeln und sprach weiter: „Ich habe denselben Traum erlebt wie in den Nächten davor, aber ich bin näher an Alfred herangekommen. Ich weiß noch immer nicht genau, wer …“

      „Wer ist Alfred?“, unterbrach Clara sie.

      „Ach ja, so hab ich den Anführer genannt. Du weißt schon, den im roten Gewand.“ Clara nickte.

      „Ich weiß nicht, wer er ist, aber Charly sagte wiederholt, dass er zurück ist. Ich nehme an, dass Charly Alfred irgendwo in der Realität gesehen hat und dies seine starken Albträume ausgelöst hat.“

      „Das heißt also, Alfred ist vor ein paar Tagen wieder aufgetaucht?“

      „Ja. Und er will eine Gottheit heraufbeschwören, Heka.“

      „Noch ein erfundener Spitzname?“

      Medusa schüttelte grinsend den Kopf und deutete stolz auf eine Ansammlung hieroglyphenähnlicher Zeichen, die Medusas Handschrift waren. Ihre Freundin zuckte entschuldigend mit den Schultern, sie konnte das nicht lesen. Medusa redete einfach weiter. „Mir kam der Name bekannt vor, also hab ich etwas recherchiert. Zuerst dachte ich, es wäre wegen Hekate, der griechischen Göttin der Magie und Nekromantie …“

      „Totenbeschwörung? Wähhh!“

      „Lass mich ausreden! Hekate ist offensichtlich eine Göttin, aber Alfred hat Heka Gottheit und Herr genannt. Ich meine, er hat auch Dämon und Mutter gesagt, aber das ist nicht der Punkt. Hätte er Hekate gemeint, hätte er nicht solche Worte gewählt. Aber rate, wo es eine Gottheit gibt, die Heka heißt?“

      Clara sah sie einfach nur stumm an, sie würde sich nicht auf so ein Ratespielchen einlassen.

      „Im Alten Ägypten! Heka war in ihrer Mythologie die Personifikation der Magie, deshalb hat es kein wirkliches Geschlecht. Es ist pure Magie, die als Gottheit verehrt wurde.“

      „Da es Magie gibt, wie wir wissen, existierte Heka dann auch?“

      Mit dieser Frage, die sie gefürchtet und vermieden hatte, schwand Medusas Enthusiasmus. Sie hob den Zettel hoch und betrachtete ihn, bevor sie ihn missmutig wieder in ihre Jackentasche stopfte.

      „Wer weiß. Vielleicht ist es wirklich eine Gottheit, vielleicht ist es auch einfach ein uralter Begabter, der irgendeinen Weg gefunden hat, wiederbelebt oder beschworen zu werden. Was auch immer Heka ist, es sollte tot bleiben, so viel weiß ich.“

      „Du hast gesagt, dass der Typ Heka auch Mutter genannt hat, richtig? Vielleicht glaubt er, dass, was auch immer Heka war, der Ursprung aller Magier oder aller … Begabten ist. Vielleicht kommen eure Fähigkeiten ja wirklich von irgendeiner antiken Gottheit. Vielleicht ist Heka nicht gefährlich oder böse.“

      Medusa verdrehte die Augen. „Wir müssen nicht gleich solche Schlüsse ziehen. Es kann gut sein, dass Alfred einfach nur verrückt ist und eine Gottheit in seiner eigenen Magie sieht. Wäre nicht das erste Mal, dass jemand durch seine Begabung in den Wahnsinn getrieben wurde oder schlimmer. Auf jeden Fall wäre starke Magie bei dem Anführer in den falschen Händen. “

      Bevor Clara antworten konnte, schwang die Tür auf, und eine Gruppe Jugendlicher betrat die Bar. Lachend und plaudernd suchten sie sich einen Tisch, an den sie alle passten. Medusa war froh über die Unterbrechung. Sie schnappte sich ein paar Karten und brachte sie der Gruppe.

      „Hier, bitte schön. Happy Hour ist bis neun Uhr, und ganz neu haben wir jetzt auch Nachos und Pommes zum Essen. Wisst ihr schon, was ihr wollt?“

      Eine kollektive Verneinung und ein paar Lacher schlugen ihr entgegen. Medusa nickte mit einem aufgesetzten Lächeln und kehrte zu ihrer Freundin hinter die Bar zurück.

      „Hast du gesehen, wer dabei ist?“, fragte diese aufgeregt.

      „Nein, wieso?“

      „Das ist Luis mit seinen Freunden. Du weißt schon, Luis mit den Feuerhänden.“

      Medusa erinnerte sich nur zu gut. Vor ein paar Monaten war Luis im Dreieck gewesen, relativ betrunken. Ein etwas älterer Typ hatte ihn blöd angesprochen, als Luis seinen damaligen Freund geküsst hatte. Medusa hatte gesehen, wie Luis versucht hatte, sich zurückzuhalten, er war sogar nach draußen gelaufen, doch dieser Vollidiot war ihm gefolgt. Sie hatte eine böse Vorahnung gehabt und war den beiden nachgegangen. Clara hatte sichergestellt, dass keiner sonst durch die Hintertür hinausging. Draußen war Luis in eine kleine Gasse gestolpert, wo der größere Mann ihn in die Enge getrieben hatte. Medusa war kurz davor, ihr drittes Auge zu öffnen und den Verstand des Verfolgers zu betreten, doch dann hatte Luis die Kontrolle verloren, und seine Hände hatten zu brennen begonnen. Und als ob das nicht schlimm genug wäre, hatten sich die Flammen auch noch verselbstständigt und den anderen Mann angegriffen. Zum Glück hatte es nichts als verbrannte Winterklamotten und einen Haufen Schreie und Flüche gegeben, doch Luis war aufgeflogen. Medusa hatte daraufhin ihre eigenen Kräfte genutzt und das Bewusstsein des Mannes davon überzeugt, dass alles, was er gesehen hatte, nur ein Traum gewesen ist. Realität und Vorstellung verschwimmen zu lassen, das war ein weiteres ihrer Talente.

      Sie hatte Clara davon erzählt, und die hatte sofort damit angefangen, ihn bei jeder Gelegenheit auszufragen. Seitdem besuchte er häufig die Bar, entweder allein oder mit Freunden, und gab mit seinen heldenhaften Taten an, da sie die einzigen waren, denen er davon erzählen konnte. Die Hälfte der Zeit hörte Medusa nicht zu, die andere Hälfte waren die Geschichten so ausgefallen, dass sie sie beim besten Willen nicht glauben konnte. Luis war ein netter Typ, doch bildete er sich zu viel auf seine Kräfte ein, fand Medusa. Clara hatte sich ein etwas anderes Bild von ihm gemacht.

      „Warum fragst du nicht ihn, ob er dir mit der Heka-Situation helfen will?“

      „Luis? Meinst du das ernst?“

      „Natürlich! Wen sonst? Er wäre genau der Richtige dafür!“

      Medusa drehte sich zu Clara um und hob eine Augenbraue. „Verstehe ich dich richtig? Du sagst, dass Luis genau der Richtige wäre, um die Beschwörung einer uralten Gottheit zu verhindern?“

      Clara zuckte verlegen mit den Schultern. „Na ja, was er so für Heldengeschichten erzählt …“

      „Ja, was er erzählt! Hast du ihn jemals einen Bankräuber oder Serienmörder stoppen sehen oder warst du dabei, als er eine Familie aus einem brennenden Haus gerettet hat? Seine Geschichten sind doch komplett erfunden! Wir sind keine Superhelden, wir sind verdammte Freaks! Wir haben einfach das Pech gehabt, dass in uns genug Magie fließt, um aktiviert zu werden. Wir sind


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