Nostradamus und die Insel des Teufels. W. A. Castell

Nostradamus und die Insel des Teufels - W. A. Castell


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heran.

      Der Mond trat hinter einer Wolke hervor. Sein matter Schein ergoss sich über die Landschaft. Er verlieh dem schnell näher kommenden Waldstück etwas Gespenstisches, Geheimnisvolles.

      »Achtung!«

      Gary vernahm die Warnung, die von seinem zweiten Ich gekommen war. Er reagierte sofort.

      Zu spät!

      Wie in Zeitlupe lief die Szene vor seinen Augen ab.

      Aus dem Wald war ein Schatten getreten. Ein Mann! Ohne auf das mit rasender Geschwindigkeit herankommende Fahrzeug zu achten, setzte er seinen Fuß auf die Straße.

      Der Privatdetektiv kurbelte wie wild am Lenkrad. Nur in dieser Möglichkeit sah er eine geringe Aussicht auf Erfolg. Eine Bremsaktion hatte er in Bruchteilen von Sekunden als sinnlos verworfen. Die Strecke bis zu dem Mann war zu kurz.

      Der Porsche folgte dem Befehl der Steuerung. Reifen quietschten, das Heck des Wagens brach leicht aus.

      Das Ausweichmanöver brachte nichts ein. Gary Dano erkannte diese Tatsache mit Schrecken.

      Wie magnetisch angezogen, prallte der Körper des nächtlichen Wanderers gegen das Sportfahrzeug. Es gab einen dumpfen Schlag. Der Fremde wurde auf die Motorhaube geschleudert. Mit dem Gesicht voran rutschte er über die Frontscheibe.

      Ein gellender Schrei klang auf. Es dauerte Sekunden, ehe Gary Dano bewusst wurde, dass er über seine Lippen gekommen war. Der Anblick der sich ihm bot, war von unendlicher Grausamkeit.

      Er schaute in das Antlitz eines Toten. Es war ein alter Mann, dem er das Leben genommen hatte.

      Der leblose Körper rutschte in den Straßengraben. Wenige Yards weiter kam der Porsche zum Stehen.

      Es überfiel den Privatdetektiv wie ein Fieberschauer. Seine Hände, die um das Lenkrad lagen, zitterten. Schweiß brach ihm aus allen Poren, er bebte am ganzen Körper.

      »Du musst weiter!«, riss ihn sein zweites Ich brutal aus der Apathie. »Du hast bereits wertvolle Sekunden verloren. Wenn …«

      »Nein.«

      Gary Dano schrie es hinaus, und er befreite sich damit teilweise von einer inneren Last, die wie ein riesiger Felsstein auf ihm lag. Er hatte durch seine Fahrweise einen Menschen getötet.

      »Das stimmt nicht ganz«, belehrte ihn sein zweites Ich. »Der Fremde trägt den größten Teil der Schuld. Sein Verhalten war der glatte Selbstmord! Außerdem …«

      »Außerdem? Weshalb schweigst du?«

      »Sieh nach, ob du die Leiche findest. Auf eine halbe Minute kommt es jetzt auch nicht mehr an. Dein Vater wird leben, glaube mir.«

      Gary öffnete die Tür und verließ den Wagen. Keinen Augenblick zweifelte er daran, dass sein zweites Ich, Vincent Corell, die Wahrheit sprach. Der Vater war außer Gefahr, Gary war davon überzeugt.

      Nur zögernd ging der Privatdetektiv auf die Stelle zu, wo der Tote liegen musste. Gary Dano schaltete die Taschenlampe ein, die er vorsorglich mitgenommen hatte.

      Ihr Lichtkegel huschte über den Boden, blieb zitternd an der Stelle hängen, wo die Bremsspuren des Porsche deutlich sichtbar waren.

      Weiter tastete sich das Licht, suchte den Unfallort ab. Jedes Fleckchen Boden wurde ausgeleuchtet. Aber von der Leiche war nichts zu entdecken, fehlte jede Spur!

      »Das gibt es nicht!«, murmelte der junge Detektiv vor sich hin. Noch einmal begann er von vorn. Eine Minute später kam er zu dem gleichen Ergebnis: Es gab keinen alten Mann und schon gar nicht dessen Leiche.

      »Du hast dich selbst davon überzeugt«, meldete sich Vincent Corell. »Fahr jetzt nach Hause und bringe deinem Vater das Medikament.«

      Gary Dano hatte den Porsche wieder bestiegen und die Unfallstelle bereits über eine Meile hinter sich gelassen, als er sein zweites Ich zur Rede stellte.

      »Ich möchte nun von dir ganz genau wissen, um was es hier geht. Was haben deine Bemerkungen über die verschwundene Leiche des alten Mannes zu bedeuten?«

      Vincent Corell schwieg einen Moment. Dann formulierte er vorsichtig Gedanken, die sich im Gehirn seines Gastkörpers eingruben: »Ich bin auch nicht viel schlauer als du, Gary. Nur sagt mir mein Gefühl, dass hier einiges nicht stimmt. Ich werde mich mit meinen Freunden unterhalten und dich dann informieren. Jedenfalls müssen wir auf der Hut sein.«

      Damit war das Gespräch für Corell beendet. Er sperrte sich den Gedanken des Privatdetektivs.

      Vincent Corell!

      Gary hatte den Geist vor Jahren kennengelernt. Sie waren zu einer Einheit in einem Körper geworden, wobei der Privatdetektiv von den phantastischen magischen Fähigkeiten Corells profitierte. Nach einer Kette von Abenteuern, die sie auf der Seite des Guten erfolgreich bestanden hatten, war Vincent Corell von den Kräften der Weißen Magie zu ihrem Führer gewählt worden. Eine Funktion, die nicht nur Verantwortung, sondern auch Gefahr mit sich brachte.

      Gary hatte das Elternhaus ohne weitere Zwischenfälle erreicht. Er stellte den Wagen ab, und Augenblicke später betrat er den Raum, in dem sein Vater lag.

      Diti Norkay, seine indische Freundin, kam ihm entgegen. Ihr Gesicht drückte Erleichterung aus. Sie deutete auf das Bett, wo der Arzt kopfschüttelnd den Patienten betrachtete.

      »Ein Wunder ist geschehen, Gary«, flüsterte das Mädchen: »Deinem Vater geht es wieder gut! Es war von einer Sekunde zur anderen. Ungefähr vor …«

      »… zweieinhalb Minuten«, fuhr der Detektiv fort. »Es war genau zu dem Zeitpunkt, da ich außerhalb des Dorfes einen alten Mann angefahren habe.«

      »Mein Gott! Du …«

      »Keine Sorge«, beruhigte Gary seine Freundin. »Ich werde dir erzählen, was geschehen ist. Anschließend werde ich nicht umhinkönnen, die Polizei zu verständigen. Und auch der verehrte Inspektor Samuel Morley wird sich für die Geschichte interessieren.«

      Im Plan des Nostradamus hatte sich das erste Mosaiksteinchen an seinen Platz gefügt.

      3

      Die Wände des Raumes waren behangen mit technischen Zeichnungen. In der Mitte stand ein ziemlich großer Tisch. Ihn zierte das naturgetreue Modell einer Rakete.

      Ein Mann im weißen Kittel trat durch die Tür. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich vor das Modell. Eine Weile verharrte er so und starrte auf die Rakete.

      »Bald ist es soweit«, murmelte Ralph Candel vor sich hin. »Wenn der Start glückt, wird die Rakete einen Wettersatelliten in eine Erdumlaufbahn bringen, dessen Innenleben alles weit in den Schatten stellt, was es auf diesem Gebiet bisher gegeben hat. Ich …«

      Candel fühlt eine Hand auf seiner Schulter. Erschrocken wandte er sich um. Es war sein Chef, Professor Harris, Leiter der Station.

      »Sie führen Selbstgespräche?«, fragte Harris lächelnd. »Kein Wunder, wir sind seit Monaten praktisch hier eingesperrt. Aus Sicherheitsgründen, so lautet die offizielle Version von oben. Nun, uns bringt das nur Unannehmlichkeiten, aber die müssen wir auf uns nehmen. Entscheidend für uns ist nur, dass der erste Start einer Europarakete unter deutscher Regie glatt über die Bühne geht. Ich sage Ihnen, die Amerikaner werden Augen machen, wenn sie in Erfahrung bringen, welches Wunderwerk wir da in luftleere Höhen gebracht haben.«

      Noch einmal schenkte der Professor seinem Assistenten ein aufmunterndes Lächeln, dann verließ er den Raum.

      »Zukunftsmusik«, murmelte Ralph Candel. »Zukunftsmusik. Wir werden sehen.«

      Er wollte dem Professor folgen, als sein Blick wie zufällig auf die Spitze der Rakete fiel. Dort hatte im Original der Wettersatellit seinen Platz.

      Man könnte versuchen, an diese Stelle eine …

      Ralph Candel zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Der Gedanke, den er soeben gedacht hatte, war einfach ungeheuerlich. Wie konnte er


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