Nostradamus und die Insel des Teufels. W. A. Castell
»Dein Gedanke war gar nicht abwegig. Er ließe sich ohne Weiteres realisieren! Es bedarf dazu lediglich einer Vorbereitungszeit von wenigen Tagen. Es handelt sich dabei um ein Objekt, das dem angeblichen Wunderwerk Wettersatellit weit überlegen ist.«
Candel stand da, wie vom Donner gerührt. Wer hatte zu ihm gesprochen? Und wie hatte er es getan?
Oder – den wissenschaftlichen Assistenten überlief ein eiskalter Schauer – waren es vielleicht doch seine eigenen Gedanken, die aus dem Unterbewusstsein aufgestiegen waren?
Hatte er nicht schon heimlich gegen das diktatorische Verhalten des Professors opponiert? Dabei stand eindeutig fest, dass das Projekt Raketenstart ihm, Ralph Candel, genauso viel zu verdanken hatte wie dem hochdotierten Professor!
»Sehr gut erkannt, Candel!«
Wieder war es die Stimme, die sich einfach in seine Gedanken eingemischt hatte. Nur diesen kurzen Kommentar hatte sie gegeben, und doch genügte er, um den jungen Wissenschaftler nachdenklich zu machen.
Neugierde war in ihm geweckt worden. Er wollte wissen, wer zu ihm sprach, wollte sich davon überzeugen, dass er nicht plötzlich verrückt geworden war.
»Wer sind Sie, und was haben Sie mir zu bieten?«
»Wer ich bin, spielt keine Rolle«, vernahm Ralph. »Aber hinter mir steht eine starke Vereinigung, und ich bin deren Sprecher. In der Zeit unserer Zusammenarbeit werden wir uns mit dir nur gedanklich unterhalten. Du wirst von mir Anweisungen erhalten und sie auch ausführen. Dein Vorteil wird sein, dass du innerhalb kurzer Zeit eine bekannte und einflussreiche Persönlichkeit wirst. Sie werden dir zu Füßen liegen, und es wird an dir liegen, ob du mit ihnen Gnade hast!«
»Aber wie …«
»Höre mich an, ich werde dir den Plan unterbreiten!«
Es war für Ralph Candel, als würde die Welt um ihn herum versinken. Sein ganzes Ich wurde in Beschlag genommen von dieser Macht, von der er nicht wusste, woher sie kam. Dann bildeten sich in seinem Gehirn Worte. Worte, von einer kaum vorstellbaren Tragweite.
»Es handelt sich um eine neu konstruierte Bombe von ganz ungeheurer Wirkung. Ihre Vernichtungsenergie ist mehr als zehnmal so groß als die einer herkömmlichen Wasserstoffbombe! Von den Konstrukteuren wurde das allerdings durch ein technisches Manko erkauft: Die Bombe lässt sich nur im Vakuum und bei extrem niedrigen Temperaturen zünden. Was also lag für uns näher als die Idee, den Wettersatelliten mit dem Endprodukt unserer Erfindung zu vertauschen? Im All herrschen exakt die Bedingungen, die zum Zünden der Bombe erforderlich sind!«
»Wahnsinn!«
Es brach aus Ralph Candel heraus, und er presste beide Hände gegen die Ohren. Er mochte nicht mehr hören, was da von ihm verlangt wurde. Vergeblich!
Die Stimme blieb weiter da. Sie entstand direkt in seinem Kopf.
»Die Bombe kann von der Erde aus per Funk ausgelöst werden. Den Zeitpunkt dazu bestimmen wir. Es wird nicht dazu kommen, wenn unsere Bedingungen, die wir an die Regierungen stellen, erfüllt werden.«
»Bedingungen?«
Candel ruckte hoch. Er achtete nicht mehr darauf, dass er so laut sprach, als würde er sich mit einer im Raum befindlichen Person unterhalten. Ihm war alles egal. Sein Risiko war ausgereizt. Er hatte nichts mehr zu verlieren.
»Ja, es sind Bedingungen«, wurde er belehrt. »Einmal geht es darum, dass dir ein Vermögen zur Verfügung gestellt wird, mit dem du mehr als ausreichend für die Zukunft versorgt bist. Zum anderen handelt es sich um einen jungen Mann, den wir gern in unserer Obhut hätten. Hätten, wohlgemerkt! Freiwillig würde er das nicht tun. Es bedarf dazu schon eines gewissen Zwanges!«
Ralph Candel konnte nicht begreifen. Und auch das teuflische Lachen des Sprechers machte ihn nicht stutzig.
»Es geht um einen jungen Mann?«, fragte Candel laut. »Weshalb der große Aufwand? Seid ihr denn nicht in der Lage, diesen Menschen so in eure Hand zu bekommen?«
»Nein, dazu ist er zu mächtig, Jeder andere Versuch würde scheitern. Es ist wichtig, dass wir die Öffentlichkeit gegen ihn aufbringen. Sie wird aus Angst dafür sorgen, dass mit dem jungen Mann das geschieht, was wir geplant haben.«
»Aber wenn die Erpressung nicht funktioniert? Wenn man nicht auf eure Forderungen eingeht? Was dann? Wenn die Bombe explodiert, wird es ein grauenhaftes Blutbad geben. Ein ganzer Erdteil wird dem Boden gleich gemacht werden. Es wäre das totale Chaos!«
Sekundenlang blieb es still. Dann war wieder die Stimme zu vernehmen: »Deine Sorgen sind völlig unbegründet. Es wird nichts Derartiges geschehen. Es ist kaum vorstellbar, dass die Regierungen wegen einer Person ein solches Risiko eingehen!«
Ralph Candel wollte sich auflehnen gegen diesen Teufelsplan. Jede Faser in ihm sträubte sich dagegen, an einem solchen Verbrechen mitschuldig zu werden.
Es war seine verdammte Pflicht, sofort den Professor zu informieren. Danach war es eine Sache der Polizei, die geheimnisvolle Stimme unter die Lupe zu nehmen. Die …
»Elender!«
Candel fuhr zusammen. Das Schimpfwort wirkte auf ihn wie der Stich mit einem Messer.
Dann aber spürte er mit einem Mal, wie sich in ihm die Verkrampfung löste. Ein Gefühl der Selbstsicherheit durchströmte ihn. Und als er die nächsten Worte mit der Stimme wechselte, war er davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen. Er würde den Befehlen des Unsichtbaren widerspruchslos gehorchen. Die Route war gesteckt und würde am Ende die Vernichtung eines gewissen Gary Dano zum Ziele haben.
4
Professor Harris verhielt den Schritt.
Der Anblick, der sich ihm bot, war imponierend. Vor ihm erhob sich die Rakete mit dem Montagegerüst, das inzwischen angefügt worden war. Wie eine riesige Zigarre stand sie da, bereit, zum feuerspeienden Ungetüm zu werden.
Noch wenige Tage, dann war es soweit. Bis dahin waren noch viele Hände tätig, um den letzten Schliff anzulegen und die Rakete startbereit zu machen. Vor allem das Anbringen des Wettersatelliten, vierundzwanzig Stunden vor dem Countdown, würde der entscheidende Augenblick werden. Wenn diese Präzisionsarbeit planmäßig verlief, würde dem Zünden der Rakete nichts mehr im Wege stehen.
Ein Mann im blauen Monteuranzug trat auf den Professor zu. Er hob die Hand zum Gruß.
»Es gibt noch einige Schwierigkeiten, Chef. Der Kran, der den Satelliten nach oben hieven soll, taugt nicht viel. Ich glaube, wir müssen da noch einige Verbesserungen anbringen.«
Harris nickte.
»Ich werde mir die Geschichte gleich mal ansehen. Bis heute Nachmittag gebe ich Ihnen Bescheid. Sehen Sie inzwischen zu, dass wir mit den anderen Arbeiten vorankommen.«
Wenig später betrat der Professor den Aufzug, der an der Rakete nach oben führte.
Die Fahrt ging in Sekundenschnelle zu Ende. Mit einem leichten Ruck stoppte die Kabine und pendelte aus.
Kalter Wind schlug Harris entgegen, als er ausstieg. Aus schwindelnder Höhe wirkten die Männer am Boden nicht größer als Spielzeugpuppen.
Der Professor wandte sich der Rakete zu. Die Mitte der Plattform, auf der sich der Wissenschaftler befand, war ausgefüllt mit der Spitze des Stahlmonsters. Deutlich war die Stelle sichtbar, wo später der Wettersatellit sitzen sollte.
Harris begutachtete den Kran. Schon nach der ersten Prüfung musste er seinem Chefmonteur recht geben. Hier war eindeutig gepfuscht worden. Er, Harris, hatte den Kran in den Plänen um einige Normen größer angelegt, als er tatsächlich angebracht worden war.
Der Professor verkniff sich einen Fluch. Gerade wollte er sich wieder dem Aufzug zuwenden, als er hinter seinem Rücken ein Geräusch vernahm.
Harris drehte sich um.
Was er sah, versetzte ihn in maßloses Erstaunen. Noch nie zuvor hatte er die Person, die vor