Strand Krimi Paket: Auch Mörder unter den Freunden - Thriller Sommer 2020. A. F. Morland
als sei er hier zu Hause.
„Betty, sei lieb, und hol ihm auch ein Glas“, bat er und lächelte wieder. Ich fand keine Erklärung für seine Selbstsicherheit.
„McAllister, Sie sehen, ich schlafe nicht im Stehen. Ich sagte ja, in der Schule war es mies bei mir, aber danach bin ich doch um einiges munterer geworden. Ich bin von Ihnen aus hier nach New York gegondelt. Allerdings will ich nicht verhehlen, dass ich zwischendurch irgendwo gehalten habe, und was ich da hörte, veranlasste überhaupt erst die Fahrt nach New York. Tja, und hier habe ich das getan, was jeder amerikanische Bürger tun kann: Ich habe mich bei der Verkehrsbehörde nach dem Besitzer des Wagens erkundigt, dem eine gewisse Autonummer gehört. Ich hörte von Fukas. Fukas war nicht da, aber sein Schmiermaxe erzählte mir von Miss Collins. Jetzt bin ich seit ein paar Stunden hier. Ich weiß, dass sie diesen Wagen gemietet hatte. Ich weiß, und sie bestreitet es nicht, dass es genau der Wagen war, mit dem unser Sievers überfahren worden ist. Miss Collins hat den Wagen in eine Werkstatt bringen lassen, wo er in Windeseile ausgebeult werden soll.“
In mir begann es zu kochen. Hatte Higgins es zugelassen, dass jede Spur am Wagen vernichtet wurde?
Er lächelte versöhnend und meinte: „Inspektor, ich habe das natürlich unterbunden …‟
„Nein!“, rief die Frau entsetzt und sah Higgins erschrocken an.
Er zuckte die Schultern, drückte seine Zigarre aus und sagte bedauernd: „Tut mir leid, aber immerhin bin ich kein Privatdetektiv, wie du angenommen hast, Betty. Ich bin Detektiv der A.P. & N.Y. Bahnen. Das Beweisstück Auto konnte ich nicht verändern lassen.“
Ich atmete auf. In meinem Ansehen wuchs der smarte Higgins um ein paar Größen. Um ehrlich zu sein: Ich fand den Detektiv eigentlich mächtig auf Draht.
„Der Wagen befindet sich in der Housler Garage, eine halbe Meile von hier. Es wird niemand an ihn herankommen, dafür habe ich gesorgt. So wie die Dinge liegen, würde ich ihn dort abholen lassen, Mr. McAllister.“
Ich nickte. „Und wie war das mit Sievers?“, wandte ich mich direkt an die Collins.
„Das ist der Tote“, erläuterte ihr Higgins.
„Ich war doch nicht dabei! Ich bin doch gar nicht gefahren …‟
Tom Higgins sah sie lächelnd an. „Setz dich, Betty. Im Stehen, fällt das Reden schwer. Erzähl ihm deine Story!“
Sie war aber misstrauisch geworden und blieb neben ihrer bescheidenen Hausbar stehen. „Ich habe Ihnen ja gesagt, dass es Mr. Boulanger war, der gefahren ist. Ich war doch gar nicht mit. Er hat mir nur erzählt, als er kam, dass er einen Unfall gehabt hätte, und dass es weiter nicht schlimm gewesen sei.“
„Wer ist Boulanger?“, fragte ich.
„Richard Boulanger“, erklärte Higgins.
„Der Dirigent des Television-Schau-Orchesters?“
Higgins und die Collins nickten beide.
„Hm, und weiter?“, bohrte ich.
„Nichts weiter!“, behauptete die Collins. Sie goss sich ein Wasserglas halb voll Whisky, verzichtete auf Soda, und setzte zu einem harten und mannhaften Zug an.
Bevor sie abgesetzt hatte, sagte Higgins: „Betty, die es offenbar vorzieht, wieder Sie zu mir zu sagen, hat sich geirrt.“ Er lächelte verächtlich und warf der Collins einen missbilligenden Blick zu. „Sie hat etwas übersehen.“
Die Frau setzte das Glas mit hartem Schlag auf den Tisch und fauchte: „Ich habe was übersehen?“
„Die Tankstelle. Ihr habt getankt, und der Tankwart konnte sich recht gut entsinnen, dass es eine blonde Frau war, und neben ihr ein älterer, distinguiert aussehender Herr. Die Tankstelle liegt kurz hinter Shamokin. Es war vor dem Unfall. Der Tankwart entsinnt sich, dass du immer zur Eile gedrängt hast. Ihn und auch diesen Mr. Boulanger. Übrigens hast du ihn Dick genannt, den graumelierten Mr. Boulanger.“ Er lachte trocken und sagte zu mir gewandt: „Sind das nun gute Informationen oder nicht, Inspektor?“
„Er lügt da nichts wie Unsinn zusammen!“, schrie die Collins, und jetzt konnte ihre Schminke sie nicht mehr retten. Nun zeigte sie sich so, wie sie war. Und da war nicht viel Erfreuliches zu entdecken.
„Hm, Miss Collins, dann wollen wir es nicht so lange hinziehen. Am besten kommen Sie mit.“
„Wollen Sie mich etwa verhaften?“, schrie sie mich an.
Ich schüttelte den Kopf. „Eine Vernehmung, Miss Collins. Zunächst nur eine Vernehmung. Einen Haftbefehl muss ich nämlich erst besorgen. Kommen Sie bitte.“ Sie war im Hausanzug. Übrigens ein bemerkenswertes Exemplar von einem Textil, das verhüllte, um zu offenbaren. Nur hätte Betty Collins ein paar Jahre jünger sein müssen. Es hätte ihr besser gestanden.
„Ich will einen Anwalt!“, erklärte sie widerspenstig.
„Natürlich, der steht Ihnen zu. Aber erst kommen Sie mit. Den Anwalt besorgen wir Ihnen schon. Also?“
Ich trat auf sie zu, und sie meinte: „Umkleiden werde ich mich ja wohl noch dürfen, wie?“
„Bedaure. Wenn ich eine Beamtin dabei hätte, gerne, aber so ... Kommen Sie, Miss Collins! Sie brauchen nicht durch die Straßen zu laufen.“
„Das würde sie wenig stören, Inspektor“, behauptete Higgins boshaft.
Fünf Minuten später saß Betty Collins mit übergeworfenem Mantel im Dienstwagen und rollte mit meinem Kollegen und mir zum FBI-Büro. Hinter uns fuhr Tom Higgins in seinem frisierten Donnervogel.
Unterwegs dachte ich über Higgins nach. Ich war mir noch nicht ganz klar darüber, ob ich ihm für seine Unterstützung danken sollte oder nicht. Mir kam da so ein Gedanke, dem ich intensiver nachgehen musste.
Higgins wollte sich bei unserer Ankunft verabschieden, aber da spielte ich nicht mit. „Ich brauche Sie leider noch, Kollege. Kommen Sie bitte mit hoch. Außerdem kostet hier der Kaffee nichts, und den können Sie sicher gebrauchen. Also, hinauf mit Ihnen, Tom!“
Er grinste mich an und meinte dann misstrauisch: „Dass Sie mich Tom nennen, fände ich unter anderen Umständen verdammt nett. Aber mir schwant, Sie haben dabei einen unfeinen FBI-Hintergedanken. Ich soll in Ihrer Umarmung und unter freundlichen Redensarten verwelken, wie? Aber ich bin ein gut erzogener Mensch. Sie heißen Rex, wenn ich nicht irre. Also gut, Rex, ich komme mit. Aber glauben Sie nicht, dass ich mich von Ihnen wie ein Kuli einspannen lasse!“
Der hatte Sorgen, aber ich konnte ihn sogar begreifen. Detektiv bei einer Bahn zu sein, war kein Quell der Freude. Die Bahnen waren Aktiengesellschaften mit recht nervösen Aufsichtsräten. So eine Brückensprengung schadete der Gesellschaft enorm. Die Reisenden wanderten zu anderen Bahngesellschaften ab oder fuhren mit dem Wagen, vielleicht flogen sie auch, und weil es sich um Privatunternehmen handelte, ging es um Sein oder Nichtsein.
Der Gesellschaft musste sehr an einer schnellen Aufklärung des Falles liegen. Den Täter wollte man haben! Solange er frei herumlief, bestand für die Bahn das Risiko einer Wiederholung eines solchen Anschlages. Ob FBI mit der Klärung beschäftigt war oder nicht, interessierte vielleicht die Öffentlichkeit, nicht die Aufsichtsräte. Sie hatten Tom Higgins, und von ihm verlangten sie Erfolge.
Higgins hatte zwei Möglichkeiten: Entweder hing er sich an uns an, dann stand ihm die Apparatur der gesamten Polizei zur Verfügung. Oder aber er arbeitete auf der gleichen Basis wie ein Privatdetektiv, und das ist nur im Film ein fröhliches Geschäft. Trotzdem hatte Higgins diesen Weg vorgezogen, um bei seinen Chefs Erfolge buchen zu können. Ich musste zugeben, dass der leicht versnobte Tom die Sache ganz geschickt anging. Allerdings nicht immer mit fairen Methoden. Dafür musste ich ihm noch auf die Finger klopfen.
Betty Collins wurde zwei weiblichen Beamten übergeben und abgeführt. Sie protestierte und wollte sofort verhört werden, aber dazu hatte sie kein Recht. Vierundzwanzig Stunden lang konnte ich sie festhalten. Genau das hatte ich auch vor, falls ich