Abenteuertour Afrika. Walter Odermatt

Abenteuertour Afrika - Walter Odermatt


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Gemeinsam haben sie zwei Kinder und leben im noblen Vorort Sandton. Erst kürzlich hat er sein Geschäft verkauft und möchte wie wir mit einem eigenen Wohnmobil quer durch Afrika fahren. So ist natürlich für Gesprächsstoff gesorgt.

      Auf der Suche nach den Drachen in den Drakensbergen

      Durch die dicht besiedelte Provinz Gauteng, das Wort bedeutet in der Sotho-Sprache Ort des Goldes, fahren wir entlang gewaltiger Maisfelder Richtung Süden. Langsam weicht die weite Landschaft geschwungenen Hügeln, die von kleinen Rinderherden bevölkert sind. Eukalyptusbäume, die aus Australien eingeführt wurden, säumen die Straßen der höheren Lagen. Einsame, unbesiedelte Höhenregionen sind typisch für die Drakensberge. Hier gibt es die größte Konzentration an Wegen und Trails ganz Südafrikas.

      Auf einer Wandertour im Golden Gate Highlands National Park bekommen wir etliche Bergzebras, Antilopen und Springböcke zu Gesicht. Grüne Hänge kontrastieren mit gelben Felsabbrüchen aus Sandstein. In der Ferne ist ein Donnern zu hören und die dunklen Wolken nehmen bedrohlich an Intensität zu.

      Kaum sind wir beim Suri angelangt, prasselt ein heftiger Regenschauer mit Blitz und Donner auf das Autodach nieder.

      Im nächsten, dem Royal Natal National Park werden wir nach der Wanderung von einem gewaltigen Gewitter heimgesucht. Am Morgen war es noch wolkenlos. Da man in dieser abgelegenen Gegend kaum einem andern Wanderer begegnen wird, muss man aus Sicherheitsgründen am Parkeingang die geplante Route angeben und sich einschreiben. Wir haben uns für den Plowmans Kop entschieden, eine Strecke, die es in sich hat. Mehrere Flüsse müssen durchquert werden und um den 2000 Meter hohen Gipfel zu erklimmen, sind an den neuralgischen Punkten Strickleitern und Eisenketten vorhanden. Die Aussicht auf den 3100 Meter hohen Sentinel und das Amphitheater ist schlicht fantastisch. Dieser Park ist das Wanderparadies schlechthin.

      Drei Tage später sind wir erneut am Wandern, doch im Gegensatz zu den vorhergehenden Parks läuft uns dieses Mal das Wasser aus den Schuhen. Wir befinden uns im Cathedral Peak National Park und das Wetter meint es nicht gut mit uns. Seit zwei Tagen regnet es ununterbrochen. Das hat uns aber nicht davon abgehalten, erneut den Rucksack zu packen und loszuziehen.

      Speziell nach den sechs Tagen im Krüger National Park, wo man nur fahrend die Gegend erkunden darf, haben wir das extreme Bedürfnis, uns in der freien Natur zu bewegen. Dazu sind die Drakensberge wie keine andere Gegend in Südafrika bestens geeignet.

      Lesotho, das Königreich hinter den Wolken

      Bevor wir die Fahrt zum Sani-Pass und weiter hinein nach Lesotho unter die Räder nehmen, wird noch zünftig eingekauft. Als wir von unserer Einkaufstour im Städtchen Eastcourt zurückkommen, steht ein älterer Herr vor unserem Suri.

      »Schöne Tour habt ihr da gemacht«, meint Rodney und zeigt dabei auf unsere Weltkarte, die schon seit vielen Jahren unser Auto mit der zurückgelegten Strecke ziert. »Ich wohne nicht weit von hier und wenn ihr noch keine Bleibe für die Nacht habt, könnt ihr gerne bei mir übernachten.«

      Wenn das kein Vorschlag ist!

      Rodney und Myra bewohnen nicht weit entfernt ein hübsches Einfamilienhaus. Unser Vorschlag, dass wir im Auto übernachten, wird energisch abgelehnt. Selbstverständlich steht für uns ein eigenes Zimmer mit Bad zur Verfügung.

      Unter anderem erklärt uns Rodney: »Wisst ihr, früher hatte ich ein großes Game Resort. Es brauchte alleine vierzig Kilometer an Zäunen, um diesen Tierpark zu umschließen. Vierundzwanzig Giraffen, Gnus, Zebras und jede Menge Antilopen bevölkerten den Park. Kurz nachdem die neue Regierung ans Ruder gelangt war, zwangen sie mich, ihnen dieses Wildreservat zu einem Spottpreis zu verkaufen. Was konnte ich tun? Ich wurde förmlich enteignet. Ein paar Tiere konnte ich noch verkaufen oder an andere Parks weitergeben, die restlichen wurden kurze Zeit später von Wilderern erschossen. Der einstige Campingplatz ist nur noch eine Ruine, die Zäune wurden gestohlen und das Land verwilderte. Es ist schlicht ein Desaster, was in der Zwischenzeit mit der einst blühenden Anlage geschehen ist. So wie mir ist es vielen Weißen ergangen.«

      Am nächsten Tag verlassen wir Rodney und Myra und machen uns auf nach Lesotho. Über eine staubige und extrem steile Naturpiste fahren wir Richtung Sani-Pass. Dieser verbindet die südafrikanische Ostküstenprovinz KwaZulu-Natal mit dem Bergstaat Lesotho.

      Auf 2700 Metern trotzt eine kleine Grenzstation dem kalten Wind. Nach dem Abstempeln der Pässe fahren wir durch eine kahle Hochebene auf der kaum ein Busch, geschweige denn ein Baum die Eintönigkeit unterbricht.

      Doch dies ist nur der erste Eindruck. Schon bald sind die ersten Hütten zu erkennen – aus Bruchsteinen gemauerte Rundhütten mir Reet gedecktem Dach. Hirten in Wolldecken und Gummistiefeln reiten auf stämmigen Ponys und bewachen ihre Schafherden die, so scheint es, den letzten Grashalm schon längst abgenagt haben.

      Das Königreich Lesotho, rundum von Südafrika eingeschlossen, ist eines der ärmsten Länder der Welt. Viele der gut zwei Millionen Einwohner arbeiten in den Minen Südafrikas, da es hier so gut wie keine andere Verdienstmöglichkeit gibt.

      Wir suchen uns irgendwo abseits der Straße einen Stellplatz für die Nacht, doch es dauert nicht lange, bis wir von den Hirten entdeckt werden. »Give me sweets«, werden wir von ihnen angesprochen. Nebst Okay, Yes and No sind das die einzigen englischen Worte, die sie können. Wir geben ihnen zu verstehen, dass sie ohne Gegenleistung nichts von uns bekommen und wir Betteln nicht gut heißen. Also laden sie uns ein, am nächsten Tag ihre Hütte zu besichtigen.

      Schon früh am Morgen stehen sie in ihren dunklen Wolldecken und mit tief ins Gesicht gezogenen Mützen, aus denen nur die Augen hervorschauen, vor unserem Suri. Wir nehmen ein paar Gastgeschenke wie Obst, Mehl und Süßigkeiten mit und begeben uns auf den Weg zu ihren Behausungen.

      Zusammen sitzen wir in der rußgeschwärzten Hütte, die mangels Holz mit Dung beheizt wird. In einem gusseisernen Topf mitten auf dem aus Lehm gestampften Boden, dampft eine Art von vergorener Milch vor sich hin. »Mehr haben wir nicht, das ist unser Grundnahrungsmittel«, geben sie uns mit Zeichensprache zu verstehen. Geschlafen wird auf einem streng riechenden Schaffell, das zugleich als Sitzgelegenheit dient.

      Die drei jugendlichen Hirten sind verantwortlich für zehn Kühe und zwanzig Schafe. Die Kühe werden im Winter in tiefere Regionen getrieben, während die gut isolierten Schafe das ganze Jahr auf den fast 3000 Meter hoch gelegenen Weiden verbleiben. Das ist ein hartes Leben für verwegene Burschen, die tagein und tagaus jedem Wetter trotzen. – Cowboys auf dem Dach des südlichen Afrikas.

      In Katse besuchen wir den gleichnamigen Staudamm. Auf einer Tour lassen wir uns erklären, dass dieser Stausee fast die ganze Stadt Johannesburg mit Wasser versorgt. Ein kompliziertes Röhrensystem verbindet verschiedene Stauseen miteinander, die wiederum über Hunderte von Kilometern bis in die größte Stadt Südafrikas reichen.

      Eine Woche verbringen wir auf durchschnittlich 2000 Meter Höhe, genießen die Abgeschiedenheit in den Bergen, beobachten die einfache Lebensweise der hier ansässigen Basothos und sind erstaunt, wie sie seit Generationen in ihren strohgedeckten Rundhütten die kalten Winter überstehen. Etwas ist jedoch sehr auffällig. Vor jeder mit Lehm verputzten Rundhütte wurde auf ein Zementfundament ein WC-Häuschen gebaut und mit Wellblech überdacht; ein PVC-Rohr leitet den Geruch aus der Jauchegrube in den Himmel. Manchmal haben die Menschen das Dorf aufgegeben und sind umgezogen. Davon zeugen halbverfallene Rundhütten. Das Strohdach ist schon längst verrottet, aber die allgegenwärtigen WC-Häuschen stehen noch wie Denkmäler mitten in der Landschaft.

      Für viele westliche Länder oder NGOs ist Lesotho ein Schwerpunkt in ihren Entwicklungsprojekten. Die allgegenwärtigen WC-Häuschen sind ein Zeitzeuge davon. Außerdem wurde die Bevölkerung großzügig mit Nahrungsmittellieferungen, Kleidern und Geldspenden beschenkt. Das hatte zur Folge, dass sich die Leute an die verschiedenen Spenden gewöhnt haben. Sobald sie einen Weißen erspähen, wird daher gebettelt. »Give me sweets, give me money, I want your watch«, rufen die Kinder im Chor am Straßenrand. Dies ist das Produkt der gut gemeinten, aber in der Wurzel falsch angepackten Hilfeleistung der verschiedenen Organisationen. Sie sähen die Abhängigkeit. Wieso soll der Bauer noch sein Feld bepflanzen, wenn er


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