Abenteuertour Afrika. Walter Odermatt
nicht genügend Nahrung. Viele Besucher beschweren sich bei der Parkverwaltung, sie sollen doch etwas dagegen unternehmen, aber wir können nichts tun. Wir müssen der Natur ihren Lauf lassen und dürfen nicht künstlich in das fragile Ökosystem eingreifen.« Am nächsten Morgen ist das Nilpferd von den nächtlichen Aasgeiern und Wildtieren schon tüchtig angefressen. Der Tod eines Einzelnen bringt Leben für viele andere Kreaturen.
Am meisten faszinieren uns die grauen Riesen. Würdevoll, fast majestätisch bewegen sie sich hin und her, sprühen Wasser über die erhitzten, vom Schlammbad verkrusteten Körper und tasten sich gegenseitig ab, als ob sie sich vergewissern wollen, dass alles in Ordnung ist. Die großen Ohren schwanken wie Segel im Wind, vor und zurück, vor und zurück. Ab und zu trompetet ein Bulle, offensichtlich der Anführer der Herde, seinen Unmut über zu viel Gezanke seiner kleinen Elefantenbabys hinaus. Sofort kehrt wieder Ruhe ein und jeder nimmt seinen ihm zugestimmten Platz in der Gruppe ein. In einer Elefantenherde herrscht mehr Kommunikation, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Sie reagieren höchst sensibel auf ungewöhnliche Geräusche. So verhalten wir uns äußerst still, schauen ihnen fasziniert zu, vergessen Zeit und Raum und sind begeistert von ihrer Erhabenheit. Ein grandioses Schauspiel, das alleine schon den Weg nach Südafrika wert ist.
Die letzten zwei Nächte verbringen wir im Skukuza und Satara Camp, beides gut ausgerüstete Buschcamps mit Einkaufsmöglichkeiten, Schwimmbad und Restaurants. Am besten ist es, wenn man sich einen Platz am Außenzaun ergattert. Das haben wir und so können wir gemächlich einer Hyäne zuschauen, wie sie auf der Suche nach Essensresten den elektrisch geladenen Zaun abschreitet.
Heute ist, was die Tierbeobachtung betrifft, sicherlich der Höhepunkt: Wir befinden uns auf einer nur wenig befahrenen Naturstraße, auf der eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h vorgeschrieben ist. Unsere vier Augen sind auf die dichte Vegetation links und rechts des Weges gerichtet. Die Spannung steigt – wer erspäht die ersten Tiere? Fürs Erste sehen wir nur ein Dutzend Impalaantilopen. Die sind normalerweise auf uns fokussiert, doch nun sind sie ganz aufgeregt und machen sonderbare Geräusche.
Schlussendlich spazierten zwölf Löwen vor unserem Suri herum.
Im Unterholz erblicken wir nun den Grund dafür: Einer, zwei … immer mehr Löwen tauchen aus dem Gestrüpp auf und bewegen sich direkt auf uns zu. Vor uns überqueren sie die Straße, kommen zurück und schreiten gemächlichen Ganges vor und neben uns die Piste entlang. Wir zählen zwölf Löwendamen, die mitten am Tag durch den Park streifen. Eine davon ist ein weißer Löwe, ein Albino. Wie uns ein Park Rancher später erzählt, ist es der einzige weiße Löwe im Park. Was für ein Glück, den König der Tiere so nahe und so lange in freier Wildbahn betrachten zu können. Mehr als 15 Minuten schreiten sie direkt vor unserem Suri auf der Straße dahin, bevor sie sich in den Busch verziehen. Noch Stunden später sind wir ganz aufgeregt von diesem Naturschauspiel, das uns die Löwen geboten haben.
Nach einer heißen und staubigen Tour freuen wir uns auf das Camp, das uns mit einem erfrischenden Swimmingpool empfängt. Später ist das allabendliche Grillen, Braai auf Afrikaans, mit viel Fleisch und Boerwors (Bauern-Wurst) angesagt. Das gehört zum Camping der Südafrikaner und nun auch zu uns.
Das Abendessen teilen wir mit frechen Rotschnabeltokos und Webervögeln, deren Federkleid in den schönsten Gelbtönen schimmert. Die drei Meter entfernt auf der anderen Seite des stabilen Zauns auf und ab streifende Hyäne möchte auch gerne ein paar Leckerbissen, sie zu füttern ist jedoch strengstens verboten.
Am nächsten Morgen liegen 80 Kilometer Waschbrettpiste vor uns und der Suri scheppert an allen Ecken. Doch die Rüttelei lohnt sich, denn wir sehen erneut viele Löwen, Warzenschweine, Giraffen und mächtige Büffelherden. Die bis zu 800 Kilo schweren Tiere mit ihren Madenhackern auf den Rücken beeindrucken uns mächtig und wir sind froh, sie im Schutz des Autos in Ruhe und Sicherheit beobachten zu können.
Nach einer kleinen Mittagspause kommen wir schließlich zum letzten Camp unserer Krüger-Tour. Das Tsendze Rustic Camp liegt im nördlichen Teil des Parks. Da es keinen Strom gibt, stehen wir fast alleine auf dem idyllischen Platz. Schattenspendende Mopane-Bäume und ein üppiger Pflanzenwuchs sind eine schöne Abwechslung zu den vorangegangenen Camps.
Gnus, Kudus, Wasserböcke, Zebras und immer wieder herdenweise Impalas kreuzen unseren Weg, bis wir schließlich den Parkausgang bei Phalaborwa erreichen. Wehmütig aber um viele Erfahrungen reicher, verlassen wir nach sechs Tagen endgültig den fantastischen Krüger National Park.
Auf der Panoramastraße durch die nördlichen Drakensberge
Wir fahren entlang der R532, vorbei an vielen Wasserfällen, bis wir schließlich eine der größten Schluchten der Welt erreichen. Das Wetter ist nicht optimal, Wolkenfetzen hängen zwischen den gewaltigen, roten Sandsteinsäulen, trotzdem ist die Aussicht von der Plattform auf den 700 Meter unter uns liegenden Blyde River Canyon gewaltig. Am meisten faszinieren uns die Bourke’s Potholes. Es sind Strudellöcher und Auswaschungen im Gesteinsbett des Trauerflusses. Über Stege gelangt man zu den einzelnen Löchern, die der Fluss in Jahrtausenden aus dem Gestein geschmirgelt hat.
Wir sind nicht bereit, für jeden noch so kleinen Wasserfall Eintritt zu bezahlen, und so fahren wir zügig gen Süden, bis wir das kleine Städtchen Sabie erreichen. Lila blühende Jacaranda-Bäume säumen die Straße, es gibt zahllose Cafés und Wanderwege führen durch die einzigartige Bergwelt. In der Nähe von Dullstroom – alles Namen von den früheren holländischen Einwanderern – bleiben wir ein paar Tage auf herrlich kühlen 1800 Metern. Es ist immer noch Sommer und während im nahen Lowfeld alle schwitzen, weht hier oben eine kühle Brise und nachts wird es richtig kalt. Welch eine Wohltat nach der Hitze im Krüger National Park.
Auf nach Johannesburg, Joburg oder JB, wie er meistens genannt wird, der Ort des Goldes oder vielmehr der Kriminalität. Wir lesen im Reiseführer: Wagentüren und Fenster immer geschlossen halten, beim Parken nichts Wertvolles im Wagen liegen lassen, keinen Schmuck, Kameras oder Umhängetaschen spazieren führen, nur auf gesicherten Parkplätzen das Auto abstellen und, und, und. Das kann ja heiter werden.
KAPITEL 4
Südafrika West
Johannesburg – eine No-Go-Area oder ist es doch einen Besuch wert?
Aus Sicherheitsgründen haben wir unser Wohnmobil auf dem Campingplatz stehen gelassen, der sich in einer sicheren Gegend außerhalb Johannesburg befindet. Calvin, unser Taxifahrer meint: »Ich bringe euch gerne in meine Heimatstadt und zeige euch, wo ich aufgewachsen bin.«
Also fahren wir in die Wiege des Aufstandes, nach Soweto.
Auf dem Weg zum Mandela-Haus erklärt uns Calvin: »Im Kampf gegen die Apartheid spielte dieses riesige Township eine tragende Rolle. Es ist die größte schwarze Millionenstadt in Südafrika. Ich lebe gerne hier und fühle mich wohl.« Auf eine Frage meinerseits meint er: »Nein, Weiße leben hier keine. Ich jedenfalls kenne keinen einzigen Weißen, der hier lebt. Die kommen alle nur mit einem Touristenbus hier rein, machen ein paar Fotos und verschwinden wieder.«
Wir sind nicht viel besser. Nach dem Besuch der Orlando Towers, zwei bunt bemalten ehemaligen Kraftwerkstürmen, und dem kleinem Backsteinhaus, wo Nelson Mandela mit seiner ersten Frau Evelyn und später mit Winnie Mandela lebte, verlassen wir das erstaunlich saubere Township wieder. Die bunt zusammengewürfelten Hüttenverschläge sehen wir nur von der Schnellstraße aus.
Wenn wir schon mal hier sind, machen wir doch gleich das komplette Touristenprogramm: Mit dem roten Doppeldeckerbus lassen wir uns durch die City von JB kutschieren. So fahren wir durch den ehemaligen Minendistrikt, steigen im Viertel Newton kurz für einen Cappuccino aus und besuchen zum Schluss das Apartheid-Museum. Anhand vieler Fotografien und Ausstellungsobjekten wird uns dort auf beeindruckende Weise der Aufstieg und Fall der Rassentrennung gezeigt. Auch sind Filmaufnahmen von Massenprotesten in diversen Großstädten zu sehen. Was die Menschen zu dieser Zeit alles durchgemacht haben, lässt beklommene Gefühle in uns hochsteigen.
Am Abend sind