Der Mann, der nicht verlieren kann. Rick Reilly
Sie sich an den tollen Schlag auf dem Par 5? Der lag vielleicht drei Meter von der Fahne. Trump hat ihn einfach in den Bunker geschmissen. Ich hab’s gesehen‹.«
Und was tat Tirico? Er lachte, schüttelte bloß den Kopf, ging nach drinnen und zahlte Trump aus. Wenn es um Golf geht, bist nun mal du der Kellner und Trump ist der Koch.
Aber warum? Warum betrügt Trump ständig, wo er eigentlich ein ganz guter Spieler ist? Und wie kann es sein, dass er selbst vor Publikum derart schamlos betrügt? Sie sprechen ihn darauf an, doch er zuckt bloß mit den Achseln und betrügt immer weiter. Seinen Ruf in der Welt des Golfsports hat er damit komplett ruiniert. 90 Prozent der Leute, die ich – offiziell und inoffiziell – interviewt habe, sagen, dass er ganz offen betrügt. Viele von ihnen hätten deshalb aufgehört, mit ihm zu spielen. Also warum? Warum bescheißen? Warum lügen? Warum das eigene Handicap hochjazzen, die eigenen Scores fälschen, Clubmeisterschaften reklamieren, die er nie gewonnen hat?
»Er kann nicht anders«, ist Harvard-Psychiater Dr. Lance Dodes, Co-Autor von Wie gefährlich ist Donald Trump? 27 Stellungnahmen aus Psychiatrie und Psychologie überzeugt. »Er muss in allem, was er tut, der Beste sein. Er kann es nicht ertragen, nicht zu gewinnen, nicht der Beste zu sein. Das muss schon sehr früh in seiner Persönlichkeitsentwicklung begonnen haben. Nicht der Beste zu sein ist für ihn so schlimm wie für Normalsterbliche das Geräusch von Fingernägeln auf der Schiefertafel. Er hält es nicht aus … Er übertreibt seine Golfscores und sein Handicap aus dem gleichen Grund, aus dem er auch alles andere übertreibt. Er kann nicht anders. Er zeigt alle Anzeichen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Menschen mit dieser Krankheit ist ihr Zustand nicht bewusst. Er hat keinerlei Gefühl für Moral in irgendwelchen Dingen. Es fehlt ihm jede Fähigkeit zur Empathie. Er ist ein sehr kranker Mann. Er erkennt überhaupt nicht, dass andere Menschen Rechte und Gefühle haben. Andere Menschen zählen für ihn schlicht überhaupt nicht.«
Trump versichert standhaft, er würde nicht betrügen. »Ich berühre niemals den Ball«, sagt er. Das ist noch nicht einmal komplett gelogen, meint der Schauspieler Anthony Anderson. »Ich sage nicht, Trump würde schummeln. Aber wenn Trumps Caddy für ihn betrügt, ist das dann Betrug oder nicht?«
»Wir haben eindeutig gesehen, wie Trump auf dem Trump National [Bedminster] einen Ball in den See verzogen hat«, erinnerte sich der Schauspieler Samuel L. Jackson einmal, »und sein Caddy sagte ihm, er hätte den Ball gefunden!«
Die mit Trump befreundete LPGA-Profispielerin Suzann Pettersen geht davon aus, dass er seinen Caddy extrem gut bezahlt, denn »ganz gleich, wie weit er den Ball in die Botanik semmelt, wenn wir hinkommen, liegt er immer mitten auf dem Fairway«.
Sie können natürlich versuchen, sich zu wehren, aber es wird Ihnen nichts nützen. Als Doc Rivers, Basketballtrainer der L.A. Clippers, das erste Mal gegen Trump spielte, war der Freund, mit dem Rivers dort war, Trumps Teampartner. Der Freund kam irgendwann herüber und tröstete ihn. »Er zu mir: ›Na ja, es ist einfach so. Du hast heute absolut null Siegchancen.‹ Ich dachte, das ist bloß der übliche Trash-Talk. Ich darauf also: ›Okay, dann wollen wir doch mal sehen, was ihr draufhabt!‹ Aber dann sah ich mit eigenen Augen, wie Trump bescheißt. So etwa am fünften oder sechsten Loch sagte ich zu meinem Kumpel: ›Inzwischen weiß ich, was du meintest. Du hast recht – null Chance.‹«
Boxer Óscar de la Hoya sagte, er könne bezeugen, wie Trump betrügt. Rocker Alice Cooper dito. Der aus New Jersey stammende Bill Rayburn berichtete mir auf Facebook davon. »Bei einer Prominentenrunde spielte ich einmal den Caddy für ihn. Selbst vor Zuschauertribünen, Schiedsrichtern und mir, der ich direkt danebenstand, betrog er ganz offen, mindestens zehnmal in der Runde. Ungefähr am 15. Loch hörte ich auf zu zählen … Er kickte den Ball weg, wenn er direkt neben einem Baumstumpf lag, er trickste bei der Lage des Balls, berührte im Sandbunker mit dem Schläger den Boden, und auf dem Grün schummelte er wiederholt mit der Ballmarkierung, damit sein Ball nachher näher am Loch lag … Trump trabte vom 18. Loch davon und posaunte seinen Score hinaus: angeblich eine 74. In der wirklichen Welt war er eindeutig näher an einer 90. Dann drückte er mir zehn Dollar Trinkgeld in die Hand.«
Er treibt es so dreist, dass man es fast schon wieder bewundern muss. Als Trump und ich an dem Tag in Westchester für Who’s Your Caddy? zusammen spielten, leistete er sich reihenweise Wiederholungsschläge, und er zog einfach Schläge ab, wenn ich seinen Score eintragen sollte. »Von Zeit zu Zeit muss ich mir eine 4 genehmigen, für die Presse«, sagte er.
Ich habe auch schon folgende Ausreden für Mulligans gehört, die er sich nach Gusto erlaubt:
»Sie haben mich abgelenkt.«
»Der Vogel ist genau in dem Moment aufgeflogen, als ich ausholte.«
»Ich bin weggerutscht.«
Er erlaubte sich an dem Tag sogar einen geschenkten Chip-in. Ein geschenkter Schlag (ein »Gimme«) ist normalerweise ein Putt, bei dem der Gegner sicher davon ausgeht, dass man ihn einlocht. Er sagt: »Geschenkt«, will heißen: »Den Putt glaube ich dir auch so, den brauchst du nicht mehr zu spielen.« Nach den offiziellen Golfregeln sind Gimmes natürlich unzulässig, beim Spiel in der Freizeit sind sie das Normalste von der Welt. Doch auch dann sollte ein Gimme-Putt nicht länger sein als zwei, allerhöchstens drei Fuß.
Gimmes sind als Geschenke gedacht: Der Gegner kann sie dir geben, aber du kannst sie dir nicht einfach nehmen. Es sei denn, du heißt Trump. Wenn Sie mit Trump spielen, entscheidet ausschließlich er, was ein Gimme ist. Er erklärt jeden Putt unter fünf oder sechs oder auch mal acht Fuß schlicht zum »Gimme«, klaubt den Ball auf und stapft weiter. Aber wehe, Sie selbst haben vor, sich einen kürzeren Putt zu schenken. Dann schreitet er ein und befindet: »Den sollten Sie schon noch lochen.« Auf dem Trump-Express ist ausschließlich er der Lokführer, und du kannst froh sein, wenn du im Bremserhäuschen mitfahren darfst.
Der Eishockey-Olympiasieger Mike Eruzione spielte am Tag von Barbara Bushs Begräbnis mit Trump in Palm Beach – Trump war zur Trauerfeier nicht eingeladen worden. Eruzione sagt, Golf mit Trump mache teilweise deshalb »so viel Spaß«, weil man ihn so schön ärgern könne. »Wir waren mitten im Spiel«, erinnert sich Eruzione, »und irgendwann sagte ich zu ihm: ›Mister President, Sie reden ja eine ganze Menge, wenn der Tag lang ist, aber so etwas wie Der war gut, Mike habe ich noch kein einziges Mal gehört.‹«
Noch niemals in der Geschichte des Golfspiels hat sich jemand einen Chip-in als Gimme genehmigt – niemals bis zu jenem Tag, als ich mit Trump spielte. Ich hatte an dem Loch bereits eine 5 gespielt, und er lag außerhalb des Grüns für seinen sechsten Schlag, und er meinte beiläufig: »Gut, ich denke, damit wären wir quitt«, klaubte den Ball auf und steckte ihn in die Tasche.
Ich war geplättet. Wir spielten um zehn Dollar für die Runde, das heißt, jeder Schlag zählte. Selbst wenn er den Chip nahe an die Fahne gesetzt hätte – und das hätte er nicht –, wäre er bei einer 7 gelandet.
»Haben Sie sich gerade einen Chip-in als Gimme genehmigt?«, fragte ich ungläubig.
»Ja, sicher, Sie hatten doch Ihre 5 schon.«
Mir fiel die Kinnlade herunter, und ich schnappte noch nach Luft, als er schon in seinem Wägelchen saß und davonrumpelte. Ich habe die Szene in meinem Buch festgehalten. Während des Präsidentschaftswahlkampfs fragte ihn die Washington Post nach dem bewussten Chip-in. Trump kam mit einer äußerst merkwürdigen Antwort um die Ecke: »Ich mache keine Gimme-Chips. Erstens: Wenn ich ihn gefragt habe, ob es okay ist, dann ist es kein Betrug. Zweitens: Ich habe das nie gemacht.«
Na wenn das so ist …
Am Ende hatte er laut Scorekarte gewonnen. Die Regeln des Spiels hatten sich da schon längst in Wohlgefallen aufgelöst, also beglich ich meine Schulden in Höhe von zehn Dollar. Immerhin lud er mich zum Essen ein. Es geht ja nicht ums Geld. Es geht ums Gewinnen.
»Ich habe einmal mit ihm auf dem Trump L.A. gespielt«, sagt Ken Slutsky, ein Golffunktionär und Investor. »Am Ende meinte er: ›Sie schulden mir 27 Dollar.‹ Ich sagte: ›Donald, Sie haben an jedem einzelnen Loch geschummelt. Von mir kriegen Sie keinen Cent.‹ Er zuckte bloß mit den Achseln und