Der Mann, der nicht verlieren kann. Rick Reilly
2002, da hatte der Platz aber nur neun Löcher. Das zählt nicht – wenn es denn überhaupt passiert ist. Bleiben vier, einer davon wiederum Westchester, anno 2004. Hat er vielleicht damals wirklich gewonnen?
»Definitiv nein, ich weiß absolut sicher, dass das nicht stimmt«, sagt Gillule. »In den acht Jahren, die ich dort gearbeitet habe, hat er nie irgendwas gewonnen. Ich meine, ich habe sehr gerne für Mr. Trump gearbeitet, aber wissen Sie, manche Leute nehmen es eben mit der Wahrheit nicht so genau.«
Wir wissen immerhin, dass Trump 2007 bei der Westchester Club Championship der Männer mitgespielt hat und in der ersten Runde von einem 15-Jährigen namens Adam Levin aus dem Turnier geworfen wurde. Trump hatte fünf Löcher vor Schluss vier Löcher Vorsprung, wozu zwei vom 60-Jährigen äußerst kleinlich monierte Regelverstöße des Jungen nicht unerheblich beigetragen hatten – einmal hatte er in einem Hindernis versehentlich das Gras mit dem Schläger berührt, einmal einen Ballabdruck außerhalb des Grüns repariert – beides kostete ihn im Match Play das Loch.
In dem Moment sagte Trump laut Levin zur kleinen Zuschauertribüne gewandt: »Der Junge hat sich doch ordentlich gewehrt, findet ihr nicht?« In Levin begann ein kleines Feuer zu lodern, und am Ende holte er Loch um Loch auf. Nach 18 Löchern hatte er mit Trump gleichgezogen und gewann schließlich im zweiten Stechen.
»Er sagte noch nicht mal ›Glückwunsch‹ oder ›Gutes Match‹«, erinnert sich Levin, der heute als Datenanalyst arbeitet. »Er sah mir nicht in die Augen. Er gab mir nur die Hand und stapfte davon. Er hatte sich schon den ganzen Tag völlig bescheuert benommen. Wir waren an dem Tag fünf oder sechs Stunden zusammen unterwegs, es hätte also reichlich Zeit gegeben, sich mit mir oder meinen Eltern zu unterhalten, aber das Einzige, was er sagte, war: ›Ist das nicht ein phantastischer Platz?‹ und ›Besser als hier findest du es nirgendwo!‹ Er ist einfach ein Riesenarschloch, charakterlich eine totale Null.«
Damit bleiben drei mögliche Clubmeisterschaften, alle auf demselben Kurs – Trump International in West Palm Beach. Aber wie wir bereits wissen, war der Sieg von 1999 dort eine Lüge, weil der Platz damals noch gar nicht eröffnet war. Bleiben zwei: Von diesen beiden – 2001 und 2009 – habe ich bisher weder eine unterschriebene Scorekarte gesehen noch mit einem objektiven Zeugen reden können, der sich erinnern könnte, ob er nun gewonnen hat oder nicht.
Damit hätten wir also den Endstand, was die »18 Club Championships« angeht: gelogen – 16, unklar – 2, bestätigt – 0. Inzwischen ist die Nase von Pinocchio Trump so lang, dass man sie glatt als Putter benutzen könnte.
Das Ganze hat mich so wütend gemacht, dass ich etwas tun musste. Ich war nicht in meiner Eigenschaft als Staatsbürger und Wähler beleidigt. Ich war beleidigt in meiner Eigenschaft als Golfer. Das durfte man ihm einfach nicht durchgehen lassen. Sie wollen politische Versprechungen machen, die Sie nicht halten können? Bitte schön, schaufeln Sie Ihr eigenes Grab. Sie wollen Märchen über sich selbst als gnadenlos ausgebufftes Businessgenie in die Welt setzen? Gerne, hauen Sie doch übers Ohr, wen Sie wollen. Aber Golf bedeutet mir etwas. Ich spiele Golf, seit ich denken kann. Es hält mich gesund, es macht mich glücklich, und ich habe bei dem Sport zahllose neue Freunde gefunden.
Eines der Dinge, die ich beim Golf am meisten mag: Du bist dein eigener Schiedsrichter. Du begehst einen Regelverstoß und gibst ihn selbst zu. Redlichkeit ist untrennbarer Bestandteil dieses Spiels. Ehrlichkeit ist beim Golf kostbarer als die niedlichen weißen Dellen im Golfball. Wie Ben Crenshaw gerne sagt: »Golf ist ein Spiel mit Gewissen.«
Für Golfer hat der Makel des Betrugs unendlich viel mehr Gewicht als Sieg oder Niederlage, wir leben stets in tödlicher Angst davor, als Betrüger zu gelten. Tom Watson beschuldigte Gary Player einmal, beim Skins Game 1983 unerlaubterweise ein Blatt von seinem Ball entfernt zu haben – die beiden haben seitdem praktisch kein Wort mehr miteinander gewechselt. Ein Blatt. Vijay Singh konnte zehn Major-Turniere gewinnen und ist doch nie seinen Ruf als Betrüger losgeworden. Grund war ein winziger Vorfall bei einem Spiel vor vielen Jahren in Indonesien, und es ist noch nicht einmal sicher, dass sich die Sache wirklich so zugetragen hat.
Und hier haben wir also Mr. Trump, wie er von 18 Golfmeisterschaften salbadert, die noch verlogener sind als Analogkäse, und da kam ich dann ins Grübeln. Wie viel von dem brillanten Golfer, der zu sein Trump behauptet, nimmt ihm eigentlich die Öffentlichkeit ab? Als Trump während des Wahlkampfs vor 30000 Anhängern mit ihren roten Baseballkappen stand und schwafelte: »Wenn es um Golf geht, gibt es nur sehr wenige, die mich schlagen können«, haben ihm die Leute das wirklich geglaubt? Schließlich gibt es auf jedem Golfplatz in Amerika 50 Leute, die ihn schlagen können.
Als Trump Puerto Rico nach dem Hurrikan Maria im Regen stehen ließ, wusste da jemand, dass er sein »fabelhaftes« Golfprojekt dort im Jahr zuvor aufgegeben hatte, ein Bankrott, bei dem das winzige Land auf 32 Millionen Dollar Schulden sitzen blieb?
Als Trump endlose, 18-Loch-Runden dauernde Meetings mit diesem Premierminister und jenem Machthaber auf seinem Golfresort in Florida abhielt, kehrten diese Staatenlenker zurück nach Hause, um unseren Präsidenten so auszulachen, wie sie ihn bei den Vereinten Nationen auslachten? Glauben die jetzt, alle Amerikaner würden beim Golf bescheißen?
Das brachte mich ins Grübeln …
Irgendwer muss doch einmal aussprechen, dass Trumps Art und Weise, Golf zu spielen, genau seiner Handhabung der Präsidentschaft zu entsprechen scheint, will sagen: Er handelt so, als würden die Regeln bloß für die anderen gelten.
Irgendwer muss doch mal sagen, dass Fakten und Wahrheit für Trump dasselbe sind wie Golfergebnisse und Zuschauerzahlen – »gefühlte Werte«, dehnbar, verhandelbar, mal in die Richtung weisend und mal in jene, wie der mit den Armen rudernde aufblasbare Einweiser auf dem Parkplatz.
Irgendwer muss doch mal schreiben, dass die Masche, mit der Trump beim Golf betrügt, wie er über seine Plätze Lügen verbreitet und wie er seine Golfvertragspartner vor den Kopf stößt, sich gar nicht so sehr davon unterscheidet, wie er seine Frauen betrügt, über seine Missetaten Lügen verbreitet und die Welt bei Verträgen und Vereinbarungen vor den Kopf stößt, die Amerika lange vor seiner Zeit unterschrieben hat, vom Iran bis hin zum Klimawandel.
»Golf ist wie eine Radlerhose«, schrieb ich einmal. »Es verrät eine Menge über den Mann.«
Man könnte glatt ein Buch darüber schreiben, was Trumps Golfspiel über ihn verrät.
Hier ist es.
Kapitel 2 Du bist keine Ballerina!
Golf ist tödlich.
Theodore Roosevelt
Für US-Präsidenten ist das Weiße Haus eine Art Gefängnis mit Butler. Sie können keinen Schritt machen ohne einen ganzen Schwarm von Secret-Service-Leuten und ohne eine Woche Planung im Voraus. Sie schlafen über dem Büro, wo ein Schreibtisch auf sie wartet, auf dem sich die kniffligsten Probleme der Welt auftürmen und still nach Lösungen schreien. Da ist Golf der perfekte Zeitvertreib. Keine Fensterfronten von Wolkenkratzern, keine Straßen, auf denen sich Menschen drängen, keine Kreuzungen, keine vorbeifahrenden Autos – beim Golf sind sie einigermaßen sicher.
Wo sie spielen, wie sie spielen, wie oft sie spielen und warum sie spielen, verrät uns mitunter mehr über Präsidenten als ein ganzer Hörsaal voller Historiker.
Golf kam in Amerika erst um die Wende zum 20. Jahrhundert so richtig in Mode, und einer der ersten, die von dem Virus befallen wurden, war William Howard Taft, ein Mann, der deutlich über 130 Kilo auf die Waage brachte. Er liebte das Spiel so sehr, dass er einmal den chilenischen Präsidenten einfach sitzen ließ – während der im Weißen Haus Däumchen drehte, schwang Taft den Schläger.
Woodrow Wilson war ein derart extremer Pessimist, dass ihm die Ärzte das Golfspielen verordneten, um seine Verdauungsstörungen in den Griff zu bekommen – dabei brachte Wilson praktisch keinen vernünftigen Schlag zuwege. Er schaffte kaum eine 110. Beim Putten bückte er sich im 90-Grad-Winkel über den Schläger, als wollte er mit einer Maus Konversation treiben – der Putter konnte kaum länger als eine Klobürste gewesen sein. Wilson spielte ausschließlich