Wem gehört die Zukunft?. Jaron Lanier

Wem gehört die Zukunft? - Jaron Lanier


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werden mit den leistungsfähigsten Computern analysiert, die von Spitzenkräften gewartet werden. Die Ergebnisse der Analysen werden geheim gehalten, aber dazu genutzt, die übrige Welt zum eigenen Vorteil zu manipulieren.

      Doch dieses Prinzip wird irgendwann nach hinten losgehen, weil die übrige Welt für das erhöhte Risiko, die Kosten und den Müll auf Dauer nicht aufkommen kann. Homer warnte Seeleute eindringlich, nicht dem Ruf der Sirenen zu folgen. Doch nicht die Sirene schadet dem Seemann, sondern die Tatsache, dass er angesichts der Sirenen nicht mehr vernünftig denken kann. Und so verhält es sich auch mit uns und unseren Maschinen.

      Sirenenserver sind dazu bestimmt, Illusionen zu verbreiten. Sie sind verwandt mit einem anderen fiktiven Geschöpf, dem Maxwell’schen Dämon, benannt nach dem Physiker James Clerk Maxwell. In Maxwells Gedankenexperiment aus dem Jahr 1871 befindet sich der Dämon neben einer kleinen verschließbaren Öffnung, die zwei mit Wasser oder Luft gefüllte Behälter voneinander trennt. Der Dämon lässt die heißen Moleküle nur in die eine Richtung und die kalten Moleküle nur in die andere. Nach einer Weile wäre die eine Seite heiß und die andere kalt. Danach würde man sie sich wieder mischen lassen, was so schnell gehen würde, dass man damit einen Generator antreiben könnte. Durch die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Molekülen könnte man unbegrenzt Energie erzeugen, weil sich der Vorgang endlos wiederholen lässt. Doch den Maxwell’schen Dämon gibt es nicht, denn für die Trennung benötigt man Energie.

      Wir glauben, dass Rechnerleistung kostenlos ist, aber das ist sie nie. Der bloße Akt der Unterscheidung, ob ein Molekül heiß oder kalt ist, erfordert Energie und führt daher zu Wärmeverlusten. Dieses Prinzip ist auch als No-Free-Lunch-Theorem bekannt – »nichts ist umsonst«.

      Wir versuchen dennoch, den Maxwell’schen Dämon für unsere Zwecke in Anspruch zu nehmen, wenn wir die Realität mit unseren Technologien manipulieren, aber das gelingt uns nie so ganz. Wir hinken der Entropie immer hinterher. Alle Klimaanlagen in einer Stadt geben Hitze ab, wodurch die Stadt am Ende noch stärker aufgeheizt ist. Man kann zwar etwas einsetzen, was wie ein Maxwell’scher Dämon wirkt, wenn man nicht zu genau hinschaut, doch am Ende verliert man immer mehr, als man gewinnt.

      Jedes Bit in einem Computer ist eine Art Möchtegern-Dämon, der für eine Weile, und zu bestimmten Kosten, den Zustand »eins« vom Zustand »null« trennt. Auch ein Computer in einem Netzwerk kann wie ein Möchtegern-Dämon agieren, wenn er versucht, Daten von vernetzten Personen auf die eine oder andere Seite der imaginären Tür zu sortieren, und dabei so tut, als seien damit keine Kosten oder Risiken verbunden. Beispielsweise könnte ein Sirenenserver nur diejenigen durch die Türöffnung lassen, die billig zu versichern sind, um so eine unnatürlich ideale Versicherungsgesellschaft mit sehr geringem Risiko zu schaffen. Die Personen, die ein hohes Risiko aufweisen, würden in die eine Richtung sortiert, die mit geringem Risiko in die andere Richtung. Es wäre ein Pseudo-Perpetuum-mobile, angewandt auf die menschliche Gesellschaft. Allerdings würde die nicht-versicherte Welt nicht einfach aufhören zu existieren. Vielmehr würde sie die Kosten des Gesamtsystems erhöhen, zu dem auch diejenigen gehören, die den Sirenenserver betreiben. Eine kurzfristige Illusion der Risikoreduzierung würde langfristig sogar zu einem höheren Risiko führen.

      Wo Sirenen locken

      Zu den bekannten aktuellen Sirenenservern gehören die Hightech-Methoden der Finanzmärkte, etwa der Hochfrequenzhandel oder Derivatefonds, angesagte Unternehmen aus dem Silicon Valley wie Suchmaschinen und soziale Netzwerke, moderne Versicherungen, moderne Geheimdienste und noch viele weitere.

      Die letzten Wellen der Hightech-Innovationen haben nicht in dem Maße Arbeitsplätze geschaffen wie frühere technische Neuerungen.19 Neue Kult-Unternehmen wie Facebook beschäftigen deutlich weniger Mitarbeiter als die großen »klassischen« Firmen wie beispielsweise General Motors. Anders ausgedrückt, die Sirenenserver lenken einen Großteil der Produktivität gewöhnlicher Menschen in Richtung einer informellen Tausch- und Reputationswirtschaft, während sie das gewonnene altmodische Vermögen auf sich selbst konzentrieren. Jede Aktivität, die über digitale Netzwerke erfolgt, ist der Arbitrage unterworfen, das heißt, dass das Risiko dorthin geleitet wird, wo es schlechtere Rechnerleistung gibt.

      Ein allgemeiner Ratschlag für unsere Zeit könnte daher lauten, dass man, um ein gutes Leben zu führen, mit dem Fortschreiten der Informationstechnologie seine technischen Kenntnisse verdoppelt und lernt, unternehmerisch und anpassungsfähig zu sein, denn diese Eigenschaften ermöglichen eine Position in der Nähe eines Sirenenservers.

      Kurzfristig betrachtet ist es ein guter Rat, zu versuchen, so nah wie möglich an einen Sirenenserver heranzukommen. Dort werden die großen Vermögen unserer Zeit gemacht. Aber es wird nicht genügend Positionen im Umfeld eines Sirenenservers geben, um eine ganze Gesellschaft zu versorgen, es sei denn, wir ändern ein paar Dinge.

      Kapitel 6 Das Gespenst der perfekten Investition

      Unser kostenloses Mittagessen

      Im Silicon Valley geht das Gespenst der perfekten Investition um. Auch die Wall Street und andere Orte, wo digitale Netzwerke menschliche Tätigkeiten kanalisieren, werden davon heimgesucht.

      Eine »perfekte Investition« in einen Sirenenserver ist schon mit einer geringen Summe möglich, jedenfalls in der Anfangszeit, die gigantische Renditen abwerfen kann, und das in kürzester Zeit. Sie erfordert zunächst bemerkenswert wenige Mitarbeiter oder Mitinvestoren, und auch die Entscheidungsgewalt muss kaum geteilt werden. Selbst wenn das Unternehmen später gigantische Ausmaße annimmt, hat es relativ wenig Mitarbeiter.

      Man muss im Vorfeld nicht genau wissen, wie die perfekte Investition Geld einbringen wird, denn es geht ja um die Kanalisierung von Informationen. Informationen und Geld stecken gewissermaßen unter einer Decke, daher wird der Investor reich, ohne zu wissen, wie. (Tatsächlich geht es womöglich gar nicht ums Geld, doch selbst in dem Fall werden viele Menschen einen Teil ihrer wirtschaftlichen Perspektive aufgrund eines Sirenenservers verlieren,20 aber ihn dennoch unterstützen und seinen Einfluss und Vorsprung weiter ausbauen.)

      Die perfekte Investition hält die reale Welt auf Abstand und hat daher praktisch keine Verpflichtungen. Idealerweise macht oder tut sie gar nichts. Der Plan besteht einfach darin, Informationen zu kanalisieren und zu denjenigen zu leiten, die in der Welt aktiv sind. Diese Aktiven gehen die Risiken ein, nicht die perfekte Investition.21

      So zählt es beispielsweise nicht zur Aufgabe von YouTube, darauf zu achten, ob ein urheberrechtlich geschütztes Video eingestellt wurde. Falsch eingestufte Wertpapiere vergifteten zur Zeit der Finanzkrise die Fonds der Finanzinstitute, die dann vom Staat gerettet wurden, doch bisher mussten die Nutznießer dafür keine Nachteile in Kauf nehmen, die negativen Folgen wurden auf Steuerzahler und Kleinanleger abgewälzt. Die Verantwortung, die Probleme zu beheben, die durch die perfekte Investition entstehen, liegt bei den bedauernswerten Geschöpfen, die im benachteiligten Umfeld, das man auch Realität nennt, leben und handeln und Risiken eingehen müssen.

      Die perfekte Investition wird bald eine unangreifbare Position erlangen und von Natur aus ein Monopol über ihren Bereich ausüben. Es kann durchaus Wettbewerb im traditionellen Sinn geben, aber er wird nie mehr als eine symbolische Funktion haben. (Ich verwende den Begriff »Monopol« nicht im rein rechtlichen Sinn, sondern wie er im Silicon Valley gebräuchlich ist. So riet beispielsweise Peter Thiel, der Gründer von PayPal und einer der ersten Investoren bei Facebook, seinen Studenten in einem Seminar zu Startup-Unternehmen in Stanford, sie sollten eine Möglichkeit finden, »Monopole« zu gründen.)

      Gratisverlockungen

      Das Hauptgeschäft digitaler Netzwerke ist mittlerweile die Erstellung ultra-geheimer Mega-Dossiers über das Tun anderer Leute und die Nutzung dieser Informationen, um Geld und Macht zu konzentrieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich diese Konzentration soziales Netzwerk nennt oder Versicherungsgesellschaft, Derivatefonds, Suchmaschine oder Online-Kaufhaus. Welche Absicht auch immer ursprünglich dahintersteckte, das Ergebnis ist, dass die digitale Technologie dazu eingesetzt wird, die Zukunft der Mittelschicht zu zerstören.

      Ich kenne einige Betreiber der


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