For that Moment. Nena Muck
aber ich schätze, ich stehe kurz vor der Ohnmacht. Meine Arme und Beine sind taub und ich glaube, ich habe vergessen, wie man läuft, vom Reden ganz zu schweigen. Was ist nur los mit mir?
Ich versuche die Panik wegzuatmen. Vergeblich.
Dann zwinge ich mich, noch einmal tief durchzuatmen, schnappe mir meine Tasche und lasse anschließend die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
Ich bin überrascht, dass er ausgestiegen ist. Er lehnt lässig an der Fahrertür und schaut auf sein Handy, während ich auf das Auto zugehe. Wie kann man nur so verflucht gut aussehen?!
In dem Moment, in dem er aufsieht, weht mir eine Sommerbrise durchs Haar und lässt auch den unteren Teil meines Kleids im Wind wehen. Mir kommt der Gedanke, dass das im Film mit Sicherheit ein Slow-Motion-Auftritt geworden wäre und muss lächeln.
Wer hätte gedacht, dass es in meinem Leben noch einmal zu so einem Moment kommen würde.
Ich kann nicht sagen, was in seinem Kopf vorgeht, auf jeden Fall sorgt der intensive Blick, mit dem er mich ansieht, dafür, dass in meinem Inneren ein Feuerwerk beginnt.
Ich gehe auf ihn zu und er blinzelt einen Moment, als wäre er mit den Gedanken woanders gewesen.
Vermutlich ist es auch so und ich fange schon an, mir seine Blicke einzureden. Sollte es wirklich so sein, habe ich hier womöglich einen üblen Weg beschritten.
Er hat mehr als deutlich gemacht, dass er nicht im Entferntesten auf dich steht.
Wieso will das nicht in deine Birne?
»Hi.«, piepse ich bei dem Versuch, total gelassen zu klingen und er schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Halloooooo.«
Er zieht das Ende des Worts in die Länge, als er an mir herabsieht.
Ich wette, ich bekomme gerade einen knallroten Kopf, während ich dümmlich vor mich hingrinse.
»Was ist?«, frage ich schließlich, bevor ich vor Spannung explodiere.
»Nichts.« Er schüttelt frech den Kopf, während er die Augenbrauen hochzieht. »Heute noch ein heißes Date?«
Dieses verfluchte teuflische Lächeln bringt mich noch um den Verstand.
»Nein.« Ich gebe mich gleichgültig.
Sein Lächeln verschwindet und er sieht mich durchdringend an.
»Du…« Er deutet auf mich. »Du siehst wirklich sehr hübsch aus.«
In seinem Tonfall ist keinerlei Sarkasmus erkennbar, da ist nur sein warmer, ehrlicher Blick auf mir.
»Danke.«, krächze ich, meine Kehle ist staubtrocken und ich muss den Blick lösen. Ich bin verlegen und spüre, wie die Hitze in meinen Wangen aufsteigt.
Er geht einmal um den Wagen und öffnet mir die Beifahrertür.
Na wie soll ich das denn finden?
»Bereit?« Da ist dieser erhabene Ausdruck in seinem Gesicht wieder.
»Wofür?«, frage ich und er sieht mich herausfordernd an.
»Tja, das ist die Bedingung. Du musst einwilligen, ohne zu wissen, wohin es geht.« Er hebt provokant die Schultern. »Also was sagst du?«
»Ich weiß nicht.«, antworte ich und bemerke meinen unsicheren Blick, als er langsam auf mich zukommt und nur ein paar Zentimeter vor mir stehenbleibt. Ich spüre seine Wärme und seine unbeschreibliche Präsenz, als er sagt:
»Wenn du in dreißig Jahren auf dein Leben zurückschaust, willst du dann nicht sagen können, dass du das Risiko eingegangen bist?«
Sein Blick ist aufrichtig und sein Gesicht ist weich.
Diese dreißig Jahre werde ich nicht haben, aber ich habe diesen Augenblick und genau aus diesem Grund wiegt er soviel mehr.
Ich glaube, in diesem Moment würde ich ihm überall hin folgen.
Wie macht er das nur?
Er lächelt mich siegessicher an, als er theatralisch zur Seite rutscht, um mir den Weg zur Beifahrertür zu öffnen.
Er weiß, dass er gewonnen hat.
Kapitel 11
Als wir losfahren, dröhnt direkt die Musik einer Rockband aus den Lautsprechern, doch zu meiner Überraschung macht er es sofort leiser.
»War ja klar.«, spotte ich.
»Was?«
»Dass du diese Art von Musik hörst.«
»Was hast du gegen die Musik?«, fragt er überrascht.
»Gar nichts. Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Männer, die mich anbrüllen.«, necke ich.
»Spüre ich da etwa Sarkasmus?«
»Oh, nein. Ich würde es niemals wagen, den Meister der Ironie herauszufordern.«, gebe ich schnippisch zurück.
»Schön, dass wir uns wenigstens in einem Punkt einig sind. Ich habe hier gerade leider keine CD von Taylor Swift rumliegen. Sorry.«
Er zuckt bedauernd mit den Schultern.
»Oh, wirklich nicht? Das ist aber schade.«, scherze ich.
»Nein, mal ehrlich, es interessiert mich wirklich brennend, was du für gute Musik hältst? Ich meine abgesehen von irgendwelchen depressiven Schnallen mit Selbstmordgedanken.«
Nette Anspielung auf Billie Eilish.
Ich überlege einen Moment.
»Kann ich jetzt so genau gar nicht sagen.«
Ich schüttle leicht den Kopf.
»Wie, du weißt es nicht?«
Er runzelt die Stirn.
»Ich habe eigentlich keine bestimmte Lieblingsmusikrichtung oder ein Lieblingslied, zumindest fällt mir gerade keins ein. Obwohl doch …«
Ich halte einen Moment inne.
»Joseph Arthur- Honey and the Moon, das ist ein schönes Lied.«
»Kenn ich nicht.«
»Das tun die wenigsten, es kam damals in der ersten Folge einer Serie, die ich gern gesehen habe.«
»Welche Serie?«
Es ist mir für den ersten Moment etwas peinlich, weil ich sicher bin, dass er sich darüber lustig macht, doch ich habe sie wirklich geliebt, deshalb gebe ich es einfach zu. »OC-California.«
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und sehe verlegen aus dem Fenster, währender sich einen belustigten Laut nicht verkneifen kann.
Ich wusste es.
»Warum gerade die?«, will er wissen.
»Ich mochte die Geschichte einfach. Jemand mit großem Potenzial, dem das Leben aber schlechte Karten gegeben hat, bekommt eine verdiente zweite Chance.«
Ich zucke mit den Schultern und sehe ihn an.
Er wirkt nachdenklich. »Mmhh«, brummt er, »so läuft es im echten Leben aber nicht.«
Ich atme hörbar aus, wenn ich etwas weiß, dann das.
»Ich weiß. Genau dafür gibt es ja solche Serien und Bücher.«
»Wofür?«
»Um der ungerechten Realität zu entkommen. Ich habe einmal die komplette Serie an einem Wochenende durchgeschaut. Danach hätte ich schwören können, ich wäre ein Teil dieser Welt. Ich hatte das Gefühl, ich müsste nur aus dem Fenster schauen und würde den Strand sehen.«
Ich lache und im nächsten Moment könnte ich mir eine verpassen.
Hör auf, so