Die Dirigentin. Maria Peters

Die Dirigentin - Maria Peters


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Es bleibt genug Geld übrig, um Professor Goldsmith zu bezahlen. Den Rest verstecke ich hinter der untersten Leiste des Klaviers.

      Ich schufte mich zu Tode für die Aufnahmeprüfung am Konservatorium. Ich habe mich schon angemeldet. Dreimal die Woche habe ich Unterricht bei Goldsmith, sonst studiere ich in der Bibliothek oder übe im menschenleeren Club. Ich habe Robin alles erzählt, und er findet es gut, was ich vorhabe. Meine Arbeit darf aber nicht darunter leiden. Ich habe allerdings noch nie so viel geschlafen, denn ich muss nicht mehr so früh raus. Und jetzt kann ich sogar hören, was ich spiele – das ist auch mal etwas anderes.

      Für die Mädchen in der Revue bin ich eine willkommene Abwechslung in der Männerwelt des Clubs. Ich hatte noch nie von flapper girls gehört. Aber die Tänzerinnen sind unbefangener als alle anderen Mädchen, die ich kenne. Sie haben alle etwas Verführerisches an sich. Vielleicht müssen sie sich so geben, um die Männer zu unterhalten, aber es scheint ihnen nicht schwerzufallen. Dolly ist so eine Art Anführerin. Sie schminkt sich stark, vor allem die Augen, und trägt ihre roten Locken kurz.

      Die Tänzerinnen rauchen und trinken ordentlich – Letzteres aber nur dann, wenn sie von Gästen eingeladen werden und soweit es die Prohibition zulässt. Sie haben versucht, mich ebenfalls zum Trinken zu bewegen, aber ich habe dankend abgelehnt.

      Vor einer Woche haben sie mich auf einen Stuhl in der Garderobe platziert, mit dem Rücken zum Spiegel. Dann hat Dolly losgelegt. Ich musste auch andere Kleidungsstücke anziehen, sie schleppte alles Mögliche an.

      Die Mädchen schauten gespannt zu; natürlich wollten sie wissen, wie ich zu meinem Namen gekommen bin. Als ich erzählte, dass ich nach der Königin der Niederlande benannt worden bin, wurde das Gekicher noch größer, denn sie dachten, die Königin heiße tatsächlich Willy. Erst als ich erklärte, sie trage den sehr königlichen Namen Wilhelmina – genauso wie ich –, beruhigten sie sich.

      Ich durfte erst in den Spiegel schauen, als Dolly fertig war. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich erkannte mich beinah nicht. Robin kam herein und staunte; ich sei schöner als je zuvor, sagte er. Ich konnte sehen, dass er es ernst meinte, also glaube ich es auch. Die flapper girls haben es sich jetzt zur Aufgabe gemacht, mir beizubringen, wie ich mir die Haare schneiden und mich schminken muss, und das funktioniert tatsächlich immer besser.

      Als Jazzpianistin mache ich Fortschritte. Während einer Stunde bei Goldsmith entdeckte ich sogar eine jazzige Passage in einer Sonate von Beethoven. Ich ließ die Noten richtig swingen, was mir natürlich einen Rüffel einbrachte.

      »Was höre ich da? Jazz?«

      Sofort riss ich mich wieder zusammen.

      Nach drei Monaten harter Arbeit habe ich die letzte Stunde bei Goldsmith. Irgendwie scheint er abgelenkt, das bin ich von ihm gar nicht gewohnt. Ich mache mir allmählich Sorgen, ob er findet, dass mein Niveau gut genug für das Konservatorium ist. Meine Unsicherheit hat mich fest im Griff.

      Plötzlich legt er die Hand auf mein Bein, mitten im Spiel. Ich höre auf. Der Ton verklingt. Ich starre auf die Tasten. Wird er jetzt sagen, dass dies eine Abschiedsstunde ist? Oder zeigt er so seine Wertschätzung?

      »Du kannst mich auf einen Wochenendausflug begleiten. Für meine Frau ist das mittlerweile zu anstrengend.«

      Sie ist im neunten Monat.

      »Montag ist die Prüfung«, sage ich einfältig, als würde er das nicht wissen.

      »Man trifft dort interessante Leute. Ich weiß, dass viele prominente Musiker da sein werden«, sagt er. Er verschiebt seine Hand etwas.

      Ich schaue ihn an. Das ist definitiv keine Abschiedsstunde.

      Meine Mutter hängt die saubere Wäsche nicht draußen auf, sondern im Wohnzimmer. Gerade als ich denke, ungehindert aufbrechen zu können, taucht sie plötzlich hinter einem Bettlaken auf.

      »Wohin gehst du so herausgeputzt?«

      »Ich …« Ich zögere einen Augenblick zu lange. »Auf die Arbeit.«

      »Mit einem Koffer?«

      »Ich komme heute Nacht nicht nach Hause, Mama. Ich übernachte bei Marjorie.«

      »Wer ist Marjorie?«

      »Das weißt du doch, Marjorie – von der Arbeit«, sage ich noch.

      Dann beeile ich mich, mit dem Koffer aus der Wohnung zu kommen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mir die Notlüge abgenommen hat.

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