Es war anders damals!. Horst Viergutz

Es war anders damals! - Horst Viergutz


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Teilnahme während dieser Phase des Krieges war beschränkt auf Nachrichten, die wir im Radio hörten oder in den Zeitungen lesen konnten.

      1940 hatte Deutschland bereits Dänemark und Norwegen besetzt, deutsche Truppen marschierten in Frankreich ein, das berühmte Afrika-Korps kämpfte gegen die Engländer in Afrika und im Sommer 1941 begann der Feldzug gegen die Sowjetunion. Nichts deutete daraufhin, dass der Krieg bald zu Ende sein würde, im Gegenteil, wir waren jetzt engagiert in einem zweiten Weltkrieg, dem Krieg aller Kriege. Wie viel länger würde dies alles anhalten? Wäre es möglich, dass auch ich noch in diesem Krieg zum Einsatz kommen würde? Rhetorische Fragen eigentlich, denn letzten Endes war ich kaum zwölf Jahre alt. Jedoch mein Bruder Heinz, der ja zu der Zeit schon beim Militär war, wollte unbedingt dabei sein. Er meldete sich freiwillig zur Ausbildung als Fallschirmjäger.

      Wir schrieben das Jahr 1943, einige meiner guten Freunde besuchten jetzt das Gymnasium. Der Besuch einer höheren Schule war nicht kostenlos, und natürlich musste man auch die nötige Begabung mitbringen. Die hatte ich wohl schon, aber meine Eltern waren nicht in der Lage, eine höhere Schulausbildung zu finanzieren.

      Wie ich schon vorher erwähnte, hatte mein Vater nur ein geringes Einkommen (oder zu der Zeit vielleicht gar keines), während meine Mutter als Hebamme unseren Lebensunterhalt verdiente. Mit dem kargen Einkommen meiner Eltern konnten wir keinen großen Wohlstand nachweisen. Mein Vater tröstete mich mit dem Versprechen, dass er mich auf einer staatlichen Schule unterbringen würde. Ich wäre damals sicher gerne auf die national-politische Erziehungsanstalt gegangen, bekannt als NAPOLA. Da mein Vater jedoch niemals Mitglied in der NSDAP war, hatte ich keine Chance. Er beschloss für mich, dass ich auf eine Militärschule gehen sollte. Er war der Meinung, dass die Ausbildung dort genau so gut sein würde wie auf einem Gymnasium. Von dem, was ich heute weiß, würde ich dies bezweifeln. Ich würde also auf eine fliegertechnische Vorschule gehen.

      Mitte März 1943, kurz vor meinem Schulabschluss, kam ich nach Hause und fragte wie üblich: „Wo ist Mutti?" Diese Frage war berechtigt, da meine Mutter ja als Hebamme sehr oft unterwegs war. Entweder machte sie Wochenbettbesuche oder war bei einer Entbindung. „In Warschau", sagte mein Vater. „Was macht sie in Warschau?“ fragte ich. Da sagte mein Vater mit Tränen in den Augen. „Heinz wurde schwer verwundet während eines Fallschirmeinsatzes in Russland, von wo man ihn in ein Lazarett in Warschau evakuiert hat". Dieser schreckliche Krieg hatte uns plötzlich persönlich in einer Weise getroffen, wie wir es uns niemals hatten vorstellen können. Die traurige Nachricht und die Liebe, die mein Vater für meinen Bruder, seinen ältesten Sohn, hatte, waren zu schmerzlich für ihn. Es brach sein Herz, er starb an einem Herzinfarkt, buchstäblich in meinen Armen. Was sollte ich jetzt tun? Ich war allein zu Hause mit meiner kranken Schwester. Hildchen, wie ich schon erwähnte, war im Arbeitsdienst in Thüringen. Noch nie zuvor war ich mit so einem traumatischen Problem konfrontiert. Ich rief Doktor Tolks an, jedoch konnte er nur noch den Tod meines Vaters feststellen. Er starb am 25. März. Ich setzte mich mit einem Freund meines Vaters in Verbindung: Herr Radmer hatte eine Schreinerwerkstatt, wo auch Särge hergestellt wurden. Er war sehr hilfsbereit und traf fast alle notwendigen Vorkehrungen für die Bestattung.

      Gerda und ich wurden von unseren Nachbarn betreut bis zur Heimkehr meiner Mutter. Als sie aus Warschau zurückkam, wo sie mit meinem Bruder bis zu seinem Tode geblieben war, erstarrte sie vor Schreck, als sie den Sarg für meinen Vater vor der Tür stehen sah. Heinz starb am selben Tage wie mein Vater. Wir überführten Vater nach Arnsberg, um ihn in seiner alten Heimat zu beerdigen.

       Auf der fliegertechnischen Vorschule

      Schon ein paar Wochen nach dem Tode meines Vaters und meines Bruders wurde ich konfirmiert. In meinem vierzehnten Lebensjahr hatte ich meinen Schulabschluss, und gleich darauf war ich auf dem Wege zur Militärschule auf dem Luftwaffenstützpunkt in Bodenhagen bei Kolberg. Dort angekommen wurden uns Zimmer zugewiesen in Holzbaracken, vier Personen pro Zimmer. Sie waren kärglich möbliert mit vier Betten, je zwei übereinander gestapelt, einem Spind für jede Person, einem Tisch und vier Stühlen. Wir wurden eingekleidet mit Unterwäsche, Montageanzügen für den täglichen Dienst und - das Beste - einer fliegerblauen Uniform. Ich dachte, wie toll es sein würde, wenn mein Vater mich jetzt sehen könnte in dieser Uniform. Würde er genau so stolz auf mich sein, wie er es immer war, wenn Heinz auf Urlaub nach Hause kam? Wenn Heinz in seiner schneidigen Uniform die Straße herunterging, dann schaute er ihm nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte.

      Ich hatte die Wahl, entweder Motorenbauer oder Blechner. Ich entschied mich für den Motorenbau, was mir später im Leben noch nützlich sein sollte. Unsere Ausbilder im Fachgebiet waren Zivilisten, die uns lehrten, wie man mit Werkzeug umging. Später dann hatten wir kurze Lehrgänge in der Schmiede sowie in der Schweißerei, wo wir lernten, mit allen Metallen umzugehen, die im Flugzeugbau verwendet wurden. Nach dieser Grundausbildung wurden wir dann an verschiedenen Werkzeugmaschinen eingewiesen. Mehrere Stunden täglich erhielten wir Unterricht in der Theorie unseres ausgewählten Handwerks. Klassenunterricht wurde vom Militärpersonal erteilt. Als unsere Ausbildung Fortschritte machte, hatten wir an Militärflugzeugen zu arbeiten, die man uns zur Wartung zur Verfügung stellte. Unser Tag war jedoch nicht nur mit Arbeit ausgefüllt, es gab auch Spiele. Wir trieben viel Sport, angefangen mit Frühsport jeden Morgen, der immer mit einem Lauf von mehreren Kilometern endete. Jede Woche waren ein paar Abende eingeplant, an denen wir in unserer Freizeit Modelflugzeuge bauten, die wir später in Wettbewerben fliegen ließen. In den Sommermonaten fuhren wir dann in verschiedene Regionen Deutschlands, wo wir das Segelfliegen lernten. Das war immer der Höhepunkt für uns: Gedankenaustausch mit den Jungen aus anderen Schulen und – natürlich - mit ihnen zusammen das Fliegen zu lernen. Ich darf nicht vergessen zu erwähnen, dass selbstverständlich eine militärische Ausbildung täglich auf dem Stundenplan stand.

      Als sich die Kriegslage weiterhin verschärfte, befanden auch wir uns im Einsatz.

      Bei uns auf dem Flugplatz landeten Jagdflugzeuge, die wir dann auf schnellstem Wege wieder flott machen mussten. Wir füllten die verschiedenen Tanks mit Treibstoff und Öl aus großen Tanklastwagen auf und versorgten sie mit neuer Munition. Es war schon Winter, und da war das nicht gerade eine angenehme Aufgabe, in der klirrenden Kälte auf den Tragflächen zu sitzen.

      Ein vereinzelter Angriff britischer Jagdflugzeuge auf den Fliegerhorst geschah an einem Sonntagmorgen. Nur zwei von ihnen zerstörten mehrere Flugzeuge, die am Rande der Startbahnen abgestellt waren. Als sie abdrehten, beschossen sie noch ein paar Gebäude, und so schnell wie sie aufgetaucht waren, waren sie auch wieder verschwunden.

      Bevor es unseren Jagdfliegern gelang, in die Luft zu kommen, hatten die Engländer schon lange das Weite gesucht. Es war ein Zeichen dafür, dass unsere Luftabwehr nicht effektiv genug war, um solche Angriffe zu verhindern. Einmal wurden wir Zeugen, wie ein britischer Bomber, eine „Flying Fortress", zu einer Notlandung auf unserem Flugplatz gezwungen war. Nachdem die Besatzung das Flugzeug verlassen hatte und eine Durchsuchung desselben durchgeführt worden war, hatten wir Gelegenheit, das Flugzeug eingehend zu inspizieren.

       Wir werden evakuiert

      Im Winter 1944 erhielten wir Bescheid, dass die Belegschaft unserer Schule evakuiert würde. Man hatte beschlossen, dass wir in Bodenhagen nicht länger sicher wären, da die sowjetische Front jeden Tag naher rückte. Wir wurden umgesiedelt nach Heldrungen, einem kleinen Dorf in der Nähe von Sondershausen, in Thüringen. Vorher entschloss ich mich kurzerhand, mich noch schnell von meiner Mutter zu verabschieden. Ich fuhr abends mit dem nächsten Zug nach Kolberg, von dort gab es jedoch keine weitere Zugverbindung. Busse fuhren zu der Tageszeit auch nicht mehr, und ein Taxi konnte ich mir nicht leisten von den drei Reichsmark, die wir damals im Monat bekamen. Da gab es nur noch eine Möglichkeit, ich musste zu Fuß gehen. Es war eine dunkle Nacht, trotz des vielen Schnees, der gefallen war und immer noch fiel. Die Straße war matschig, und es war bitterkalt. Für mich war das kein Hindernis, ich wollte mich von meiner Mutter verabschieden, und ich war später froh, es getan zu haben. Es sollte eine lange Zeit vergehen, bis wir uns wiedersehen würden.

      Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis wir in Thüringen ankamen. Auf der Hinreise musste der Zug des Öfteren wegen Luftangriffen halten, die wir Gott sei Dank alle heil überstanden. Unser erster Eindruck von dem Lager in Heldrungen, das uns eine


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