Unser täglich Bier gib uns heute. Theobald Fuchs
Tischen, oder man stellt sich an die Bar mit der langen Reihe von Zapfhähnen. Die Jungs und Mädels hinter der Theke sind hilfsbereit, sie unterstützen gerne bei der Auswahl — wer kennt sich schließlich in der jungen griechischen Craftbierszene schon aus? Wer möchte, kann das Bier auch mitnehmen. Ruckzuck ist ein großer Karton gefüllt und unter den Arm geklemmt.
Zentraler Ankerpunkt am Abend ist die Bar Beer Time am Iroon-Platz. Junge Damen und Herren sausen bis in den frühen Morgen mit Tabletts durch die Bar und über die Straße zu den Sitzgruppen in der Platzmitte. Bunte Flaschenetiketten zeugen von griechischem Craftbier aus Korfu oder Sparta.
Bereits mittags um eins, für Athener Verhältnisse also früh am Morgen, offeriert der English Pub The Lazy Bulldog alles, was das Herz begehrt: Deftiges Pub Food, klassisch-englische Pub-Atmosphäre und eine große Auswahl an Fassbieren. Englische, deutsche und viele griechische Biere von kleinen Brauern. Ganz besonders: Biere der Marke Noctua. Noctua, der Steinkauz, das Wappentier Athens — gleichzeitig der Name der ersten und (noch) einzigen Craftbrauerei im Herzen Athens, nur drei Minuten zu Fuß entfernt.
Eine weitere Brauerei findet man im Norden der Stadt: The Local Pub. Vor‘m Eingang sitzt die Jugend am Stadtbrunnen und auf Bänken rundherum und verwandelt den Platz in ein Open-Air Bierfestival.
Es tut sich also was in Griechenland. Nicht mehr nur kleine Wassergläser mit Industriebier als nebensächlicher Durstlöscher, sondern mehr und mehr Genussbiere zum Essen oder anstatt.
16.02.
EIN WINTERMORGEN (LIMERICK)
Ist’s morgens im Winter noch sehr dunkel,
prahlt der Himmel mit Sternengefunkel,
dann denk ich: „Wie nett,
wär jetzt so im Bett
ein Gläschen mit Kupferkarfunkel.“
„Ein Gerstensäftchen am Morgen,
vertreibt doch bekanntlich die Sorgen,“
hab ich mir gedacht
und fröhlich gelacht,
und fühl mich im Dunkeln geborgen.
Jedoch, mir wird flau, ich werd’ fahl,
hab ich doch die Qual jetzt der Wahl.
Was schenk ich mir ein?
Was soll’s denn nur sein?
Was nehm‘ ich als Flüssigkeitsstrahl?
Ich schrei laut: „Die Lösung , hurra,
ein Schwarzbier, ein Bock, Stout und ja,
ein Trappist noch und ein
gereifter Barley Wine,
ein perfekter Morgen ist da!“
17.02.
BIER IST FÜR ALLE DA
Ein altehrwürdiges Café in Brüssel. Eine Gesellschaft älterer Damen — ondulierte Haare mit Blauspülung, feiner Zwirn. Sie erzählen sich Geschichten, lachen, verbringen einen netten Nachmittag miteinander. Jede hält ein anderes, schönes Glas Bier in der Hand. Versetzte man die Gesellschaft an die Spree, säßen die Damen im alten Café Kranzler am Ku’damm bei Schwarzwälder Kirschtorte und Kaffee.
…
Ein Bauernhof in Flämisch Brabant. Es wird allerlei angebaut und Bier gebraut. Aus der eigenen Gerste und mit allem, was das Land sonst noch hergibt. Müde Nachbarn, auch Bauern, kommen nach einem harten Tag auf ein Bier vorbei. Sie tauschen sich aus, wie die Ernte gerade läuft, wie es den Kindern geht.
…
London, Shoreditch. Pub an der Ecke. Morty, der alte Pub-Kater, hält Audienz auf seinem Barhocker. Hippes Jungvolk an den Tischen. Ältere Herrschaften an der Bar. Familien mit Kindern auf der Couch. Nachbarn.
… Bier verbindet. Woher die Menschen auch kommen, wohin sie auch gehen. Bei einem gemeinsamen Bier finden sie zusammen.
18.02.
DOKTOR DEINZER
Doktor Deinzer war der beliebteste Dozent an der ganzen Uni. Ich weiß gar nicht mehr, worin er uns unterrichtete – Chemie?
Infektionskrankheiten? Spektakel? Er ist mir nur wegen eines Kunststückes in Erinnerung geblieben, mit dem er am Ende jeder seiner Vorlesungen uns Studenten in den Tag entließ. Hierfür brachte ein Assistent ein frisch eingeschenktes Glas Kristallweizen zum Katheder.
Am Boden des Glases lag ein Reiskorn, von dem ein ununterbrochener Strom Bläschen aufstieg. „Seien Sie vorsichtig“, verkündete Dr. Deinzer, „es bedarf großer Übung, Schaum zu speien.“
Woraufhin er das charakteristisch geformte Weizenglas in einem Zug austrank und derweil nicht unterließ, das Reiskorn zu schlucken. Er grinste zwei oder drei Mal, dann öffnete er den Mund und spie Schaum. Gewaltige Mengen Schaum. So gewaltig, dass stets der nervenschwächste Student in den Rängen nach vorne rief: „Eine Frage Herr Doktor, nur zu meinem Verständnis: Wann hört das wieder auf?“ Anstelle einer Antwort grinste Deinzer nur noch mehr und spie weiter Schaum. Als er endlich damit aufhörte, brandete gewaltiger Applaus auf und Deinzer verbeugte sich. Ach! Welch liebliche Erinnerung an die süßen Zeiten des Studiums!
In den 1980ern, als Kristallweizen DAS Ding war. Und als auch noch nicht in jeder Ecke ein doofer Feuerlöscher stand, so dass es beruhigend war, einen Doktor Deinzer im Raum zu wissen. Falls halt doch einmal Feuer ausbrach. Denn geraucht wurde ja in dem Hörsaal, dass es nicht mehr feierlich war.
19.02.
WARUM DAS BIER SCHON VOR DEM TRINKEN IM KOPF IST ODER
VOM WERT DES IMMATERIELLEN
Normalerweise klagt man erst am Morgen danach über den Brummschädel. Doch genau genommen raucht der Kopf schon lange vor dem Biergenuss. Jedenfalls bei denen, die das Bier ursprünglich mal ersonnen haben. Bis alles beim Bier perfekt ist und es wirklich gut schmeckt, kann es eine Weile dauern. Da müssen die richtigen Zutaten gefunden werden, die passende Dosierung und Kombination. Da wird mit der Temperatur gespielt und immer viel Geduld aufgebracht. Der Biersud, also der gesamte Vorgang des Bierbrauens inklusive Kochen, Gären und Reifen, braucht Tage,
Wochen, Monate — wenn man auch die Kopfarbeit berücksichtigt. Rezepte und Alternativen bei den Zutaten wollen immer wieder neu durchdacht werden, bis am Ende dieser unverwechselbare Geschmack entsteht.
Einem Außenstehenden ist der immense Aufwand oft nicht klar. Woher auch, wenn man nicht vom Fach ist. Der geistige Überbau eines Produktes oder einer Dienstleistung erschließt sich nicht automatisch. Was also tun? Darüber reden, reden und nochmals reden! Und genau das machen die Bierbrauer: Sie schreiben über ihr Tüfteln und Ausprobieren, lassen sich beim Experimentieren über die Schulter und in die Kessel schauen, geben Interviews und erklären ihr Tun immer wieder aufs Neue. Auch, warum handwerklich gebrautes Bier mehr kostet als Mainstream-Bier. Was Zeit und wertvolle, natürliche Zutaten braucht, hat seinen Preis. Das leuchtet jedem ein. Dennoch müssen Verbraucher und Kundschaft aufgeklärt und informiert sein. Die Bierbrauer tun es. Davon können auch andere Berufe und „Gewerke“ lernen. Alle jene, die ebenfalls lange Denk- und Entwicklungsprozesse durchlaufen, bevor das Endprodukt steht: Künstler und Kreative etwa. „Die Wurzel alles Materiellen liegt im Immateriellen.“ — hat ein unbekannter Denker mal gesagt. Recht hat er. Nur muss man das unsichtbare Immaterielle irgendwie sichtbar machen.
20.02.
LIEB LINGS FILM
„Welche Nationalität haben Sie?“
Ich bin Trinker
Antwortet Humphrey Bogart als Rick
Casablanca
Im Film trinkt Rick Champagner-Cocktails
Privat trank Bogart Whisky und Martinis
„Scotch ist ein sehr wertvoller Teil meines Lebens“,