Unser täglich Bier gib uns heute. Theobald Fuchs

Unser täglich Bier gib uns heute - Theobald Fuchs


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für sich, die Neuankömmlinge werfen ihm verstohlene Blicke zu. Ab und zu kommt Hitler auch nach oben, weil ein Bier-Himmler Erbarmen hat, und stürzt seine Biere stumm hinunter, niemand hat ihn bis heute etwas gefragt. Wozu auch? Im Bierhimmel kommen die Antworten vor den Fragen.

      Im Folgenden, liebe Leserin und lieber Leser, möchte ich Ihnen vom sogenannten Schnitt erzählen, auf dass er sich mit Ihrer Mithilfe in allen Schankbetrieben des Landes etablieren möge. Der Schnitt ist bereits in diversen Regionen verbreitet, zum Teil mit leicht divergierenden Prinzipien.

      In meiner oberfränkischen Heimat funktioniert er folgendermaßen: Nimmt der Bierdurst gegen Ende des Abends ab, hat jeder Gast die Möglichkeit, noch einen Schnitt zu bestellen. (Der Schnitt ist immer die letzte Bestellung – wer danach noch etwas bestellt, wird mit berechtigtem Hohn und Spott gestraft.)

      06.01.

      DER GOLDENE SCHNITT

      Grundsätzlich ist der Schnitt ein halbes gezapftes Bier zum halben Preis. Doch der Clou ist: Die tatsächliche Füllhöhe korreliert mit der Sympathie zwischen der bewirtenden Person und ihrem Gast. Wo geschätzten Gästen das Glas bis knapp unter den Eichstrich gefüllt wird, bekommen unbekannte oder sich schlecht

      benehmende Gäste keinen Milliliter mehr als exakt die Hälfte. So wird der Schnitt zu einer eleganten Möglichkeit, Treue zu belohnen und sowohl Wert- als auch Geringschätzung auszudrücken. Sprechen Sie Ihre Wirtin oder Ihren Wirt darauf an. Die Stammgäste des Landes werden es Ihnen danken.

      07.01.

      TITTIES & BIER 1

      Wenn ich „Titties & Bier“ erwähne, ruft oft eine: „Ich kauf dir ein T-Shirt“, überwältigt von Begeisterung, so als käme endlich zusammen, was zusammengehört. Wie jetzt, als ich mit ein paar Verkoster-Kollegen bei meinem Lieblingsimporteur im Lager sitze. Er hat uns eingeladen, seine Neuzugänge aus USA zu probieren. Wir kosten jede Menge Pale Ales und India Pale Ales – West-Coast- und New-England-Style, einmalige Single-Hop-Auflagen. Davon angeregt, schießt es durch mich durch: „Lasst uns eine Zeitschrift mit dem Titel ,Titties & Bier' gründen.“ Der junge Gastronom Jäger neben mir ironisch: „Klingt wie 'ne hypermoderne Themenkreuzung“, wendet sich ab. Die Amerikanerin Amy, die als Vertreterin für Craft-Biere arbeitet, hingegen wird wach, stellt im Geiste ein Frauenteam für die Posten im Vorstand zusammen. Wir diskutieren kurz die Dekolletés der Kandidatinnen und nehmen die, die echt was vorzuweisen haben.

      „Nee, nee“, sag ich, „Wir müssen die Inhalte kreativ umsetzen. Zum Beispiel das Centerfold.“ Der junge Gastronom schielt herüber. „Ich möchte da keine Playmates sehen“, sage ich entschieden. Da ich unausgesprochen aber einvernehmlich die Rolle der Chefredakteurin übernehme, verfüge ich: „In der Erstausgabe will ich im Centerfold Orval in voller Pracht. Und in den weiteren Ausgaben Orval-Klone!“

      Betroffenes Schweigen.

      „Und dann will ich einen investigativen Report darüber, inwieweit das Biertrinken bei Männern zur Brustbildung führt.“ Der junge Gastronom muss aufs Klo. „Außerdem eine Umfrage“, setze ich fort, „ob extrem-gehopfte Biere auf Frauen luststeigernd wirken.“ Amy frustriert: „Und auf Männer einschläfernd.“ Ich bin kaum zu stoppen. Mein Lieblingsimporteur schenkt uns ein kaltgehopftes Saison ein. Jäger setzt sich wieder zu uns. Amy googelt in ihrem Smartphone, wo sie T-Shirts mit Aufdruck kaufen kann.

      08.01.

      DR. GRÜNDELSTETT ÜBER DAS PILS

      Es war ein verregneter Hamburger Montag, montags gehe ich immer zum Tennis, müssen Sie wissen, und danach trinke ich mit meinem Tennispartner ein gepflegtes Pils in meiner Stammkneipe. Und an jenem Montag betrat Dr. Gründelstett ebenfalls die Lokalität und stellte sich neben uns an den Tresen.

      Welch ein Zufall, dass man sich hier treffe, begann er sogleich, als er meiner ansichtig wurde. Er sei eben von der Universität gekommen und habe das Bedürfnis nach einem kühlen Biere verspürt, was ihn dazu veranlasst habe, zufällig diese Kneipe aufzusuchen. Die Frage, ob er sich denn uns anschließen dürfe, konnten wir schlecht verneinen. So besetzte er den Barhocker neben uns und begann mit einem seiner berühmten Vorträge.

      Um das Pils, raunte er meinem Tennispartner zu, rankten sich zahlreiche Mythen und falsche Vorstellungen, dass es ein Wunder sei, dass das Pils überhaupt noch getrunken werde. Kein Mensch wisse heute noch, dass man bei den ersten Pilsnern ausdrücklich von bayerischem Bier sprach, obwohl die Bayern doch so gut wie kein Pils tränken! Überhaupt habe das nordisch-herbe Pils, dass man sich gerade schmecken lassen wolle, mit dem Pils, das Joseph Groll 1842 in Pilsen erfunden habe, kaum etwas zu tun. Aus dem Norden stamme höchstens die Legende, dass man sieben Minuten brauche, um ein gutes Pils zu zapfen. Die weiland hier verwendeten Zapfhähne hätten eine Regulierung des Zapfdrucks nicht zugelassen. So habe das Bier zu sehr geschäumt und der Zapfvorgang habe sich verlängert. Ein Umstand, der ihn jetzt so lange auf sein so lange ersehntes Pils warten lasse.

      „Na, mein Jung“, unterbrach ihn da der Mann am Zapfhahn trocken, „hätteste man nicht so lange geredet, hätteste dein Pils schon längst gehabt!“

      09.01.

      KOMMT EIN FERNSEHBIER NACH BAYERN

      Kommt ein Fernsehbier nach Bayern,

      schon fängt's beleidigt an zu eiern:

      Mein Gott, ist das hier voll im Bierregal,

      die ganzen Sorten, schau bloß mal!

      Märzen, Helles, Doppelbock, Export,

      Weizen, Zwickel, Wies'n und so fort –

      da kommt doch kein Mensch mehr mit klar.

      Erklärt auch, wie's hier bisher für mich war:

      Ich bin ein weltbekanntes Fernsehbier!

      Doch hier greift keine Sau zu mir.

      Das ist mir echt zu blöd. Ich bin jetzt schlau:

      Ich gehe heim – zurück in mein TV.

      10.01.

      DATE MIT BIER

      Im Sommer 2013 hatte ich mein erstes Online-Date. Eine Premiere, meine digitale Flirtkompetenz war quasi nicht vorhanden. Aber da sich meine analoge Bilanz in Sachen Liebe zu diesem Zeitpunkt auch eher ernüchternd gestaltete, meldete ich mich bei einer dieser Single-Plattformen an. Und zack, wenige Tage später saß ich in einer Kneipe mit Jörg. Groß, blond, sportlich. So weit ok.

      Wir bestellten ein kleines Bier. Pils, unkompliziert. Jörg steigt ins Gespräch ein. „Ich hatte schon diverse Dates über diese Plattform. Echt anstrengend. Wie viele hattest du?“ Ich schaue ihn an. Ein „Wie geht es dir“ oder ein saloppes „Hey, schön dich zu sehen“ als Dialogbeginn ist vielleicht nicht originell, hätte mir aber gereicht. Ich trinke.

      Ich antworte. „Null.“ „Echt. Oh.“ Pause.

      Jörg hebt sein Glas.

      Meine „Was will-er-mir-damit-sagen-Möglichkeitsmaschine“ im Hirn beginnt zu laufen und spuckt diverse Antworten aus. Hält der mich jetzt für eine Versagerin, oder was? Ich trinke. Jörg dreht an seinem Glas. Ich trinke. Er räuspert sich. „Erst gestern hatte ich ein Date, das war vollkommen öde.“ Ich trinke. „Schade“, sage ich und lasse mich zu der Frage hinreissen: „Woran lag's?“ Jörg freut sich sichtlich über diese Einladung und legt los. „Sie hat mich gar nicht gefragt, wie es mir geht, was ich so mache. Vollkommen professionell hat sie das durchgezogen. So kann man sich doch nicht kennenlernen. Ich finde schon, dass man auf sein Gegenüber eingehen muss.“

      Ich trinke schweigend, er hält einen Monolog über Empathie, die Grundlage einer jeden Partnerschaft. „Trinkst du gerne Bier?“, fragt er plötzlich. „Nein“, sage ich und bestelle mir ein mittleres Bier. „Ach so.“ Jörg zuckt mit den Achseln. „Also ich bin in der Woche ja ein ganz ruhiger, eigentlich gehe ich da wenig aus, man muss sich fokussieren, weißt du?“ „Hmm“, murmele ich und fokussiere mich auf mein neues Bier. Jörg nippt an seinem kleinen


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