Unser täglich Bier gib uns heute. Theobald Fuchs

Unser täglich Bier gib uns heute - Theobald Fuchs


Скачать книгу
sparsame Art des Trinkens macht mich wahnsinnig. Ich kompensiere das – mit Trinken und bestelle mir ein großes BIER. Jörg nippt. Irgendwann geht er. Komisch, er hat mich gar nicht eingeladen.

      11.01.

      DIE RETTUNG DES BIERERNST

      Es ist noch nicht allzu lange her, da ich den Begriff „Bierernst“ verstanden habe, lassen wir es zehn Jahre sein, als sich auch der verbale Dunst um „Lachgummi“ und „passierte Tomaten“ lichtete. Wer hätte auch wissen können, dass passierte Tomaten nicht bloß deshalb verarbeitet werden wie sie es werden, weil ihnen etwas passiert ist? (Ich nicht.)

      Jedenfalls wurde da schlagartig klar, dass bierernste Erzählungen von Menschen keine sind, die so ernst sind, als würde der Wahrheitsgehalt an dem existenziellen Wert von Bier hängen. Sondern, dass diese Leute Dinge so ernst meinen, als hätten sie keinen Humor. Und ja, diese Interpretation mag sich stellenweise decken. Schließlich ist Bier kein Witz. Nichts desto trotz möchte ich mir diese negative Konnotation des Terminus „Bierernst“ verbitten. Weil Bier bekanntlicherweise ja eben gerade nicht humorlos macht; und weil, wenn man etwas ernst meint, dieses Ernst an etwas gemessen werden sollte. Bier, wäre mein Vorschlag. Jeder vernünftig denkende Mensch glaubt einem anderen Menschen, der Dinge in diesem Sinne bierernst meint.

      12.01.

      WER WAR PETER AUSTIN?

      Peter Austin war ein Pionier der neuen Bierkultur, dem die Craftbeer-Szene viel zu verdanken hat. Geboren in Edmonton, Nord London, wuchs Austin in einer Familie auf, die einen direkten Bezug zur Brauindustrie hatte, arbeitete sein Vater doch beim Brauereimaschinenhersteller Pontifex.

      Nachdem Peter Austin in verschiedenen Brauereien gearbeitet hatte und in der Hull Brewery Braumeister war, wollte er eigentlich sein Geld mit einem Charterboot für Touristen verdienen. Da kam – der Sage nach – Terry Gilliam von den Monthy Python auf ihn zu und bat ihn, ihm beim Bau einer kleinen Brauerei zu helfen. Davon inspiriert, gründete er schließlich 1978 seine eigene Brauerei, die Ringwood Brewery. In dieser ehemaligen Bäckerei ließ er einen direkt befeuerten, gemauerten Sudkessel installieren und braute sehr erfolgreich gute Biere. Mit diesem Konzept überzeugte er in den folgenden Jahren auch viele andere, kleine neue Brauereien.

      Die Zahlen sprechen für sich:

      Schließlich stattete Peter Austin in England 40 und in den USA sogar 74 Brauereien aus.

      13.01.

      DAS LÄCHELN VOM HEINER

      Um 17 Uhr 24 waren sie derart niedergedrückt von ihren Sorgen, dass sie übereinkamen, jetzt doch zu telefonieren. Sie entschieden sich für die Freiwillige Feuerwehr. „Die Helga solls machen“, lautete der letzte Satz. Dann war es mucksmäuschenstill. So still, erstmals in der Geschichte des Dorfes konnte die Nachricht bis hierher vordringen, dass jemand droben in der Neubausiedlung seinen Rasen mähte. „Hörst as a? Im April!“ „Pssst! Er geht glei dra.“ „Jo, Eichele hier, was gibts?“

      „Du, Eichele, hast du n Heina gsehn? Der Doldi hockd ned do.“ Ob - wohl er das Glas nach dem Spülen in Zeitlupe aufs Tropfgitter manövrierte, kam der Bräu dem anderen zu nah, das dort schon stand. „Pscht jetzt, herrgottzefix!“ „Was meinst? Versteh di ned!“ „War ned für di, Eichele. Der Bräu hat an Lärm gmachd.“ „A so. Ja na.“ „Weißt also nix vom Heina?“

      Durchkämmt hat die Feuerwehr an diesem Abend sogar das kleine Waldstück, das sich selbst überlassen war, seit Luther dort seine Notdurft verrichtet hatte. Der Sage nach. Auf seiner Fahrt zum Reichstag. Wo sie den Deifel, den elendigen, ham am Leben lassen. „Nix. Au da ned“, gab der Eichele um 23 Uhr 36 an Helga durch. Wo es ihnen der Heiner doch angekündigt hatte. Dass er sein Leben von Grund auf neu gestalten wolle. So lange er noch die Kraft dazu hat. „Dann bleibt nur no eins. Habts da a nachgschaut? Der sitzt im Ochs!“ „Mit hom kei Zeit zu verschwendn.“ Und genau jetzt, in diesem Moment, legte sich ein Schalter um, war allen alles klar.

      14.0 1.

      DIE ALTE FRAU UND DAS BIER

      (Ein innerer Monolog)

      Bier ist Gottes Entschuldigung für die… Frau.

      Öh. Man wird ja wohl noch denken dürfen. Freedom of Thought. Ein bissel sexistisch sein. Astra hat sich mit dem „Väterinnentag“ ja auch das Unaussprechliche getraut. Wie mir ein recht spinnerter Brauer sagte, dessen Fliegenpilz-Bier weder perlte, schmeckte noch wirkte, setzten dereinst Mönche dem Bier Hopfen zu, um ihr sexuelles Verlangen zu dämpfen. Etwas Hopfen, wie der Mensch zweigeschlechtlich und mit Windesinn ausgestattet, hätte des Brauers Pilz-Pils aber gut getan. Es hätte die Hefe in die Schranken gewiesen. Ungehopft war die Säure gelinde gesagt überbetont. Aber was rede ich? Als hätte ich Ahnung.

      15.01.

      DIE WAHRHEIT IST,

      dass warmes Bier nicht schmeckt. Doch das gilt nicht unbedingt für Starkbiere. Die Wahrheit ist, die schmecken oft besser, wenn sie warm sind.

      Dann entfalten sich ihre Aromen besser. Die Wahrheit ist, morgens schmeckt Bier nicht. Die Wahrheit ist aber auch, dass es irgendwo immer abends ist. Die Wahrheit ist „Kein Bier vor vier“ und „Ein Bier vor vier“.

      Das Problem mit der Wahrheit wird deutlich, oder?

      Genau aus diesem Grund pflegen die Mexikaner zwei Begriffe für Wahrheit: La verdad und la neta. Während verdad relativ ist, ist neta absolut. Beispiel gefällig?

      Biertrinken ist schädlich: La verdad

      Biertrinken ist toll: La neta

      16.01.

      CO2 IN BIER

      Nehmen wir an, wir vergären 100l (1hl) Stammwürze mit 12P (Plato) – entsprechend in etwa 12 % Zucker – davon sind dann ca. 10 % vergärbarer Zucker enthalten.

      Circa die Hälfte davon wird zu Alkohol und die andere Hälfte zu CO2, also etwa 5kg. Um es in Volumen umzurechnen, teilen wir die 5kg durch das Molgewicht von CO2 (44g), ergibt 114. Dies multiplizieren wir mit 22,4 (Avogadro-Konstante – bei 20 Grad) ergibt 2.545 Liter, also über 2 Kubikmeter an CO2, entspricht ca. 25,45 Liter Gasvolumen pro Liter Flüssigkeit.

      Davon löst sich ein Teil im Bier. Bei 5,5g Karbonisierung passen also ca. 2,5l CO2 in den Liter. Die Differenz (fast zehn mal soviel) ist beim Gären in die Atmosphäreentwichen.

      17.01.

      EIN HOCH AUF DIE BIERVIELFALT. DIE ECHTE.

      Hier ist Tchibo und dann kommt Deichmann. Als nächstes C&A und gleich daneben ist auch schon H&M. Wo bin ich eigentlich? Egal, ich finde mich zurecht. Es ist schließlich eine deutsche Fußgängerzone. Ob München, Aachen, Cottbus oder Stralsund, ich weiß Bescheid. Pils, Weizen, IPA, DIPA, NEIPA. Wo bin ich eigentlich? Egal, ich finde mich zurecht. Ein Hoch auf die Biervielfalt. Ich möchte alles haben. Hier, jetzt, sofort. Egal ob München, Aachen, Cottbus oder Stralsund. Manchmal möchte ich aber doch genauer wissen, wo ich bin. Ein Glück, wenn ich dann z.B. ein Kölsch bekomme.

      Ein Hoch auf die Biervielfalt. Die Echte. Die ein Zuhause hat. Die zu mir spricht. Die mir Geschichten erzählt.

      Vom kleinen Örtchen Tryavna zum Beispiel. Tief im Balkangebirge. Die Sonne brennt. Der kleine Fluss plätschert leise vor meinen Füßen. Zwei Biere stehen auf der Karte: Ein Blondes mit Früchten. Mit welchen? Na, was Saison hat. Jetzt gerade sind es Mirabellen.

      Und ein Dunkles mit Tschubritza. Mit … was? Tschubritza, Bohnenkraut. Kaum ein Kraut schreit so laut „Bulgarien!“ wie Bohnenkraut. So tief verwurzelt in der nationalen Küche wie Basilikum in der italienischen. Ich rieche, trinke, staune und lausche den Geschichten, die mir dieses Bier erzählt.

      18.01.

      HARRY

      – was soll ich über Harry erzählen? Er trinkt gerne Bier, sehr gerne. So viel ist klar. Er wird darüber dicker und dicker. Wenn er im Sommer im Biergarten


Скачать книгу