Menschen und U-Boote. Manuel Schiffler

Menschen und U-Boote - Manuel Schiffler


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Panzerschiffe. Obwohl Kaiser Wilhelm II. im Herbst 1903 das von der Germaniawerft auf eigene Kosten gebaute U-Boot „Forelle“ besucht hatte und des Kaisers jüngerer Bruder und Generalinspekteur der Kaiserlichen Marine, Prinz Heinrich von Preußen, eine Fahrt auf dem U-Boot unternommen hatte, blieb die Marineführung skeptisch. Erst als Franzosen, Briten, Amerikaner und Russen über funktionsfähige U-Boote verfügten, zog die kaiserliche Marine widerstrebend nach. 1904 ließ sie den Bau eines U-Boots bei der zu Krupp gehörenden Germaniawerft in Kiel in Auftrag geben. Selbst der mit der Konstruktion beauftragte Ingenieur Gustav Berling war angesichts der Aufgabe "ganz niedergeschlagen", hielt er doch U-Boote für "großen Unsinn". Dennoch wurde U 1 gebaut und 1906 als erstes U-Boot in den Dienst der kaiserlichen Marine gestellt.21 Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kam U 1 ins Deutsche Museum nach München, wo sie bis heute ausgestellt wird.

      Im Jahr 1909 fand eine wesentliche Ergänzung der Bewaffnung statt, indem U 3 als erstes U-Boot mit einer Bordkanone ausgestattet wurde. Damit sollten U-Boote an eine neue Rolle angepasst werden, nämlich das Aufbringen von Handelsschiffen. Mit der Bordkanone konnten Warnschüsse abgegeben werden, um ein Handelsschiff zum Stoppen zu bringen. Außerdem konnten Handelsschiffe mit den Bordkanonen versenkt werden, nachdem ihre Besatzung von Bord gegangen war, ohne die wenigen teuren Torpedos zu „opfern“. Die Bewaffnung wurde somit einer neuen Einsatzform angepasst, die im Ersten Weltkrieg besondere Bedeutung erhalten sollte.

       Fazit

      U-Boote waren von Anfang an als „Waffe des kleinen Mannes“ für den Einsatz gegen überlegene gegnerische Seestreitkräfte vorgesehen: von den Amerikanern im Unabhängigkeitskrieg und den Franzosen zu Zeiten Napoleons gegen die Briten, von den Deutschen in der Schleswig-Holsteinischen Erhebung gegen die Dänen; von den Südstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg gegen die Nordstaaten; und vom russischen Zarenreich im Pazifik gegen die Japaner.

      Nach einem halben Jahrhundert des Experimentierens war um das Jahr 1900 ein funktionsfähiger militärischer U-Boot-Typ entwickelt worden, dessen Antriebssystem und Ballastmechanismus bis heute Standard auf allen nichtmit Atomkraft angetriebenen U-Booten sind. Ungelöst blieb damals noch das Problem der Atemluftversorgung. Aus diesem Grund und zum Aufladen ihrer Batterien mussten die damaligen U-Boote regelmäßig auftauchen. Trotz dieser Schwäche sollten sich U-Boote im Ersten Weltkrieg als tödliche Waffe erweisen.

       Der Erste Weltkrieg: Von Experimentalbooten zum Schrecken Englands

      Zu Beginn des Ersten Weltkriegs besaßen 14 Marinen auf der ganzen Welt 400 U-Boote.22 Dennoch hatten die Admiräle keine klare Vorstellung davon, wofür sie U-Boote einsetzen wollten. Sie hingen der Theorie Alfred Thayer Mahans an, dem einflussreichsten Theoretiker des Seekriegs im ausgehenden 19. Jahrhundert. Mahan sagte, dass es nicht möglich sei, alle Handelsschiffe auf dem Weltmeer mit Kriegsschiffen zu schützen. Stattdessen sollten Kriegsschiffe an einer Stelle konzentriert werden und dort ihre Übermacht in einer Seeschlacht ausspielen. Dadurch könne ein Land den Seehandel kontrollieren, Landungen an beliebigen Stellen durchführen, und mit einem globalen Netz an Stützpunkten zur Weltmacht werden. U-Boote spielten in dem Konzept keine Rolle, weil es sie noch nicht gab, als Mahan seine Theorie entwarf. Die Admiräle setzten auf Schlachtschiffe und Kreuzer. Diese sollten in einer großen, entscheidenden Seeschlacht aufeinandertreffen, so wie es seit Jahrhunderten geschehen war.

      U-Boote wurden von den Militärs mit gemischten Gefühlen betrachtet. Sie konnten Überwasserkriegsschiffe zerstören, ohne selbst entdeckt, geschweige denn zerstört zu werden. Sie versprachen daher eine wirksame Waffe zu sein, die einen raschen Sieg in einer Seeschlacht versprach. Aber genau aus diesem Grund galt der Einsatz von U-Booten seit den ersten Versuchen von Robert Fulton mehr als hundert Jahre zuvor als unmoralisch. U-Bootfahrer, so sagten damals viele Offiziere der Royal Navy, seien Kriminelle und Piraten, die gehängt werden sollten. Gentlemen führten Schlachten im Angesicht des Gegners, nicht feige aus dem Hinterhalt. Doch die Haltung der Royal Navy und der anderen Marineführungen der Zeit war zwiespältig: Auch wenn sie auf die U-Boot-Fahrer herabsahen ließen die Marinen Großbritanniens, Frankreichs, der USA, des deutschen Kaiserreichs, des Königreichs Italien, des Kaiserreichs Österreich-Ungarns, des russischen Zarenreichs und des japanischen Kaiserreichs U-Boote entwickeln und bauen. Die Royal Navy und die französische Marine hatten mit 76 bzw. 70 U-Booten die größten U-Boot-Flotten aufgebaut. Die meist adligen Offiziere auf Überwasserkriegsschiffen der Royal Navy sahen aber mit Verachtung auf die Offiziere herab, die sich gemeinsam mit ihren Matrosen auf engstem Raum in die dunklen, stinkenden Stahlrohre quetschten und sich die Hände schmutzig machten. Ein Gentleman, so die Meinung der meisten britischen Offiziere, tat so etwas nicht.23 Der britische Konteradmiral Arthur Wilson forderte noch Anfang des Jahrhunderts, alle U-Boote in Kriegszeiten als Piratenschiffe zu betrachten und ihre Besatzungen hinzurichten. U-Boote seien die „Waffe der Schwächeren“, auch der moralisch Schwächeren, und einer Nation wie Großbritannien unwürdig. Ein anderer britischer Admiral, Sir John Fisher, widersprach jedoch. Ihm zufolge boten U-Boote eine Gelegenheit, den Seekrieg zu revolutionieren. Fisher, der nach Nelson als die zweitwichtigste Person in der Geschichte der Royal Navy gilt, trieb den Ausbau der britischen U-Boot-Flotte in seiner Eigenschaft als höchster Offizier der Royal Navy (First Sea Lord) ab 1904 voran.

      Eine der wenigen Zivilisten und möglicherweise die einzige Frau, die sich damals öffentlich zum Einsatz von U-Booten äußerte, war Clara Barton, die Gründerin des Amerikanischen Roten Kreuzes. Sie war vermutlich die erste Frau an Bord eines U-Boots, als sie 1899 von dem U-Boot-Entwickler Holland zu einer Testfahrt eingeladen wurde. Nach der Fahrt sagte sie Holland ins Gesicht, dass U-Boote ein „Instrument des Todes“ seien und sie schockiert darüber sei, dass ein Amerikaner solche Waffen entwickele. Holland entgegnete ein wenig kleinlaut, dass U-Boote durch ihre abschreckende Wirkung dem Frieden dienen würden. Die Geschichte der nächsten Jahrzehnte sollte Clara Barton Recht geben.24

      Aber wozu sollten die U-Boote dienen? Ihre naheliegende „klassische“ Rolle war das Versenken gegnerischer Kriegsschiffe. Aber dafür waren die damaligen U-Boote höchstens in Küstengewässern geeignet, wo sie auf ihre Gegner lauern konnten. Denn sie waren meist deutlich langsamer als die Kriegsschiffe, die sie versenken sollten. Außerdem waren ihre Torpedos ungenau. Sie hatten keine Lenkung und einen Pressluftantrieb mit einer Reichweite von nur einigen Hundert Metern. Ihren Lauf konnten aufmerksame Schiffsbesatzungen anhand der aufsteigenden Luftblasen entdecken, so dass beschossene Schiffe ausweichen konnten. Zudem mussten U-Boote damals fast immer über Wasser fahren. Sie konnten nur für wenige Stunden mit Batterien und Elektroantrieb tauchen. Britische U-Boote waren im Ersten Weltkrieg tatsächlich vor allem dafür vorgesehen, bei einer Seeschlacht gegen die kaiserliche Marine in der Nordsee defensiv einzugreifen.

      Erst mit Beginn des Ersten Weltkriegs entstanden neue Aufgaben für U-Boote. Eine dieser Rollen war die von „Kreuzern“, die gegen Handelsschiffe eingesetzt wurden. Kreuzer waren Schiffe, die im Meer kreuzten, bis sie feindliche Handelsschiffe fanden. Sie mussten dabei das Prisenrecht befolgen. Dies bedeutete, dass sie in internationalen Gewässern Schiffe durchsuchen und feindliche Ladung als sogenannte „Prise“ an sich nehmen durften. Wenn feindliche Schiffe militärische Ladung mitführten, durften sie versenkt werden. Die Besatzung der Schiffe musste jedoch zuvor in Sicherheit gebracht werden. Auch neutrale Schiffe konnten inspiziert werden, wobei in diesem Fall nur kriegswichtige Güter beschlagnahmt werden dürften. Diese in der Londoner Seerechtsdeklaration von 1909 niedergelegten Regeln waren als Gewohnheitsrecht in einer Zeit entstanden, als es noch kaum U-Boote gab. Aber wie sollten sich U-Boote an das Prisenrecht halten? U-Boote waren nicht in der Lage, die Besatzung von versenkten Schiffen an Bord zu nehmen. Aber sie konnten der Besatzung zumindest die Gelegenheit geben, einen Notruf abzusetzen und in die Rettungsboote zu steigen, auch wenn das genau genommen nicht den Bestimmungen der Londoner Seerechtsdeklaration entsprach. Klar war jedoch: U-Boote dürften unbewaffnete Handelsschiffe laut Völkerrecht nicht ohne Warnung mit Torpedos versenken. Daher wurden sie mit Deckkanonen ausgestattet. Mit diesen konnten Warnschüsse vor den Bug abgegeben werden, um Handelsschiffe zum Anhalten zu zwingen. Wenn militärische Ladung entdeckt wurde, konnten sie die Schiffe mit ihren Geschützen versenken, nachdem die Besatzung der Handelsschiffe in Rettungsboote gestiegen war. Alternativ konnten die Schiffe versenkt werden, indem Sprengladungen mit Zeitzündern angebracht wurden. In jedem Fall


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