Teamermittlung. Jill Waldhofer
„Was ist denn los? Was meintest du mit ‚hinter euch herschnüffeln‘? Ich spioniere euch doch nicht aus. Wen denn überhaupt? Dich, Anne und Jo?“ Sie konnte sich keinen Reim aus dem Vorwurf am frühen Morgen – na ja, Mittag – machen. Was ihre Freunde und Nachbarn unten im vierten Stock trieben, wusste sie entweder nach all den Jahren sowieso oder fand es nicht besonders interessant.
Ihre Verblüffung musste wohl überzeugend sein, denn Jakob blickte sie etwas friedlicher wirkend an und erklärte: „Nein, die doch nicht! Was sollst du da denn rauskriegen wollen?“ Er fand seine Professoreneltern wohl auch nicht so spannend. „Ich meine doch uns von Robin Food! Du hast gestern hinterm Denner’s rumgestanden, als wir gerade aus der Deckung kommen und loslegen wollten.“ Cara rollte innerlich mit den Augen, hatte aber nun eine Ahnung, was hinter dem Sturm der Empörung steckte.
„Fooood! Ich habe euch doch schon mal erklärt, dass ihr euch umbenennen müsst. Ihr könnt doch nicht unter ‚Robin Fuß‘ in die Annalen eingehen!“ Jakob wischte den Einwand wie üblich mit einer ungeduldigen Handbewegung weg. Englischnachhilfe konnte er noch nie leiden und bei Fremdwörtern hörte er gerade auch weg. Die nervten bei den Eltern unten schon genug.
Er brauste wieder auf.
„Was wolltest du da denn sonst, als uns beim Containern erwischen und dann verpfeifen? Hat der alte Heuchler Denner dich etwa nicht engagiert? Das kannst du mir doch nicht erzählen! Der macht im Stadtrat einen auf Grün, ist aber total der Kapitalist!“
Cara trank zur Beruhigung einen Schluck Cappuccino und schob auch Jakobs Becher näher an den Ritter der Enterbten. Sie musste innerlich kichern. „Robin Food“ mit fälschlich kurzem „u“ – das waren Jakob und zwei seiner Schulfreunde, die sich vor Kurzem der Rettung von essbaren, aber entsorgten Lebensmitteln aus Supermarktcontainern verschrieben hatten. Sie wusste davon, denn eigentlich vertraute der Junge ihr so Einiges an – oft mehr als seinen besorgten Eltern. Außerdem mussten die Esswaren ja auch irgendwo hin, und so quoll ihr Kühlschrank in letzter Zeit meistens über vor abgelaufenen Joghurts, Butterpäckchen und Eiern. Auch die Kaffeebohnen und Milchtüten in ihrem Küchenschrank stammten aus den „Raubzügen“. Die sparsame Cara musste fast nichts mehr für Einkäufe ausgeben…
Endlich trank Jakob von seinem sonst heißgeliebten, aber verbotenen Cappuccino. Cara grinste ihn gerührt an. Ein weißer Schnurrbart zierte das hübsche und selten so mürrische Gesicht.
„Ich war nicht euretwegen da, sondern wegen eines Falls. Ich wollte mir nur in Ruhe etwas ansehen und habe deshalb hinter dem Denner’s geparkt. Die machen ja immer schon um sechs zu.“ Jakob sah sie nun eher neugierig als verärgert an. Er leerte genießerisch seinen Becher und schob ihn in ihre Richtung.
„Noch einen?“ Cara stand auf und schaltete die Maschine wieder ein. „Ach, deswegen war auch abends schon die Müllabfuhr da. Ich habe mich schon gewundert, weil die doch sonst eher früh morgens kommen.“ Theo Denner, eine der Honoratioren der Stadt, war offenbar doch nicht so altruistisch wie er immer tat. „Ich mach dir noch einen. Aber ich kriege Ärger, wenn du dich verplapperst. Verstanden?“
„Jaaha, ist doch klar. Mit viel Milch, bitte.“ Er war eigentlich ein sehr wohlerzogener kleiner Kerl, das musste sie Anne und Jo lassen.
„Was denn für ein Fall, Cara?“ fragte er wissbegierig. Sein ödes Leben aus Schule und Hausaufgaben konnte etwas Pfiff gebrauchen. Da setzte er eher auf Cara als auf die Alten. Aber seine jugendliche Neugier musste warten, denn Caras Festnetztelefon fing an zu klingeln und gleichzeitig vibrierte ihr Smartphone in der Bademanteltasche. Sie blickte aufs Display – Bella! – und sprang hoch.
„Sorry, Kumpel. Ich habe gerade gar keine Zeit für Erklärungen“, rief sie Jakob auf dem Weg ins Badezimmer zu. (Als ob sie vorhätte, ihn einzuweihen. Gott behüte, dass der Junge da reingezogen würde.) „Mach dir selbst noch einen Cappu und dann muss ich dich rausschmeißen. Ich mach mich nur schnell fertig und muss dann weg.“
Sie schloss sich im Bad ein und schickte Bella eine schnelle WhatsApp: „Bin in 50 Minuten da! Klein bisschen verschlafen.“
Beim Zähneputzen hörte sie eine Stimme auf den Anrufbeantworter im Flur sprechen. Ach so, die Entsorgungsbetriebe wegen des Unfalls. Das konnte warten. Die Eingangstür klackte zu. Ihren neugierigen Plagegeist war sie erst einmal los. Zehn Minuten später rannte sie die fünf Treppen hinunter, sprang in Bellas und Erlingers Kleinwagen und machte sich auf zu einer neuen Lage-Besprechung auf dem Lande.
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