das Fahrrad der ewigen Stille. hedda fischer

das Fahrrad der ewigen Stille - hedda fischer


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Holztische. Geblümte Sitzkissen auf den Stühlen. Bilder mit röhrenden Hirschen und Tannenwäldern an den Wänden. Sollte wohl irgendwie bayrisch aussehen. Es war voll und laut. Sie ergatterten zwei Plätze an der Theke. Das heißt, sie saß auf einem der Barhocker, und er stand daneben. Sie tranken Cola mit Schuss. Jeder zwei. Das war genug. Redeten wenig, da es so laut war, dass sie sich gegenseitig in die Ohren schreien mussten, um sich überhaupt verständigen zu können.

      Schließlich schlenderten sie zum Wendelsteinweg. Es war nicht weit. An der Kreuzung blieb sie stehen.

      »Ich wohne gleich hier, aber meine Eltern müssen nicht sehen, mit wem ich komme.«

      Es war halbdunkel, die nächste Laterne stand ein ganzes Stück entfernt. Er legte die Arme um sie und drückte sie so fest an sich, dass sie fast keine Luft bekam. Sie spürte seinen Körper, seine starken Oberarmmuskeln. Er zog ihren Kopf an den Haaren nach hinten. Es tat weh. Seine Küsse waren etwas ungeschickt. Offensichtlich hatte er nicht viel Erfahrung.

      Sie löste sich von ihm, sagte »Tschüss« und lief rasch nach Hause.

      Was war an ihm anders ? War es seine ungestüme Kraft ? Im Kino total zurückhaltend, in der Kneipe auch, dort hatte er sie kaum berührt, und jetzt diese heftige Umarmung.

      21 – Benjamin

      Als sie endlich im Kinosaal waren und das Licht ausging, fühlte er sich erleichtert. Er hatte nicht so recht gewusst, was sagen oder tun. Im Dunkeln war es leichter. Sie saß rechts neben ihm, und er legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. Schaute starr geradeaus. Sie bewegte sich nicht. Er streichelte und drückte. Das Fleisch fühlte sich fest an. Sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange. Er wandte sich ihr zu. Ihre Lippen waren weich, aber nicht so weich, wie er sich die Lippen von Susanne vorgestellt hatte.

      Drei-vier Küsse, nicht mehr. Der Film.

      Dann mit dem Bus nach Alt-Mariendorf. Ein paar Schritte vom U-Bahnhof entfernt diese Kneipe. Voll und laut. Sie fanden keinen freien Tisch und blieben an der Theke. Tranken Cola mit Schuss. Eine Unterhaltung war fast nicht möglich, laute Gespräche und höllisch laute Musik vom Band. Sie wohnte nicht weit weg. Daher schlenderten sie den Mariendorfer Damm hinunter und dann weiter durch kleine Straßen. Auf einmal blieb sie stehen.

      Es war halbdunkel. Er drückte sie fest an sich, spürte, seinen Schwanz härter werden. Das beruhigte ihn. Also reagierte er offensichtlich normal. Er spürte ihren Körper, ließ seine Hände hinauf und hinunter wandern. Fühlte ihren festen Hintern und ihre Brüste. Er zog ihren Kopf an den Haaren nach hinten, es tat ihr weh, das merkte er, aber das sollte es auch. Er küsste sie, und auf einmal funktionierte das richtig. Seine Zunge in ihrem Mund. Der Geschmack nach Cola. Er wollte sie gar nicht mehr loslassen, aber auf einmal schob sie ihn zurück, sagte »Tschüss« und eilte davon.

      Ein abrupter Schluss. Er ging zum Bus zurück. Unterwegs ließ er sich alles noch einmal durch den Kopf gehen. Also das mit dem Küssen hatte schon mal geklappt. Und man musste offenbar auch nicht total verliebt sein, um seinen Schwanz zu spüren. Die Berührung eines Frauenkörpers reichte aus. Gut zu wissen.

      Dann sollte eigentlich auch mehr funktionieren.

      Aber dass sie ihn auf einmal von sich geschoben hatte, das machte ihn ärgerlich. Er war derjenige, der etwas beendete, nicht sie. Der Mann war der Macher ! Das musste so sein. Das wurde in den Filmen auch immer so gezeigt. Das nächste Mal würde er das nicht zulassen. Als er nach Hause kam, wurde er gefragt, wo er gewesen war. Er sagte »in einer Disco zum Tanzen«. Offenbar beruhigte die Äußerung Onkel und Tante. Wahrscheinlich hielten sie das für normal in seinem Alter.

      Dabei interessierte ihn Tanzen überhaupt nicht ! Aber zumindest war’s eine plausible Ausrede.

      22 – Marion

      Sie hat sich wieder mit ihm verabredet. Sie werden noch einmal ins Kino gehen. Eigentlich würde sie gern wieder einmal in eine Disco, aber dafür ist er nicht zu haben. Also noch mal Kino, und dann wird man weiter sehen.

      Irgendwie war er ja ganz nett. Aber da war noch etwas anderes …

      Sie trafen sich wieder vor dem Thalia-Kino und sahen sich den neuesten Star-Trek-Film an. Diesmal legte er tatsächlich einen Arm um ihre Schultern, wenigstens kurz. Nach dem Kino brachte er sie nach Hause. Sie nahmen einen schmalen Weg zwischen zwei Grundstücken, der in einer Sackgasse am Ende des Wendelsteinwegs endete. Seine Umarmungen waren wieder heftig. Seine Küsse auch. Er drängte sie gegen einen Gartenzaun ( das Metallgitter drückte unangenehm in ihren Rücken ) und hielt sie fest. Wollte sie gar nicht wieder loslassen. Das machte ihr fast Angst. Auf einmal lockerte er seinen Griff und lächelte sie an. Alles schien gut !

      Doch plötzlich öffnete er ihre Hose und schob eine Hand in ihren Slip. Das wollte sie nicht. Wehrte sich. Stieß ihn zurück, zog die Jeans wieder zurecht und schloss sie.

      Er atmete schwer. Riss sie dann wieder an sich und küsste sie, eine Hand auf ihrer linken Brust. Knetete sie heftig. Sie schob ihn von sich, ließ ihn stehen und ging rasch davon.

      Wenn sie ganz ehrlich war: Seine heftigen Attacken, seine Leidenschaft fand sie gut, überraschend gut, neu für sie, aber auch undurchschaubar. Im Kino, im Bus sagte er fast nichts, tat noch weniger, aber dann in einer dunklen Ecke fiel er geradezu über sie her. Wie sollte sie das verstehen ? War sie seine erste Freundin ? Und er wusste daher nicht, wie er sich verhalten sollte ? Oder machte er das immer so ? Sie musste ihn fragen.

      Sie nahm sich vor: Das nächste Mal werden sie nicht ins Kino gehen, sondern in einem Lokal bleiben, so dass sie ihn ausfragen konnte. Ja, das war richtig.

      Sie drehte sich auf die Seite und schlief sofort ein.

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