Die 3 Quellen echten Lebensglücks. Dami Charf
Diese Reise nach innen wird immer schwieriger, weil die Entwicklung der Gesellschaft, die uns prägt, zunehmend nach außen gerichtet ist. Alles wird immer virtueller, fiktiver und schneller – und damit entkörperter. Die virtuelle Welt ersetzt mehr und mehr die irdischen und damit körperlichen Wirklichkeiten. Das bedeutet, dass die Zeit, die neben Schule oder Arbeit noch bleibt, zunehmend in einer virtuellen Realität verbracht wird und unser wirkliches sinnliches Erleben der Welt abnimmt.
Wir brauchen wieder mehr Kontakt mit der Wirklichkeit des Lebens, um eine realistische Haltung zu entwickeln.
Welche Konsequenzen dies für unsere Vorstellungen von Beziehungen, von uns selbst und für den Umgang mit unserem Leben und unserer Körperlichkeit hat, ist noch kaum abzusehen. Frank Schirrmacher nennt es in seinem Buch Ego: Das Spiel des Lebens eine Rückkehr der Alchimisten. Immer weniger gründet sich auf Materie, sei es der Finanzmarkt, der eigentlich nur noch aus virtuellen Zahlen besteht und völlig abgekoppelt ist von echten realen Gütern, oder sei es unser Essen, das mehr und mehr in Fabriken hergestellt wird und mit Erde und Stallmist nur noch wenig zu tun hat. Diese Abkoppelung von Körper und Geist hat in anderer Form auch in die Psychologie und in den Esoterik- und Selbsthilfemarkt Eingang gefunden. Besonders in Letzterem wird propagiert, dass man aus Gedanken Materie erschaffen könne.
Sind die Gedanken ausgerichtet und frei von Negativität, heißt es, dann werde nichts passieren und alle Wünsche gingen in Erfüllung. Suggeriert wird – und das ist das Drama bei vielen dieser Versprechen und Werbungen –, dass es auf jeden Fall funktioniert. Und wenn nicht, liegt der Fehler immer bei dir und nicht bei der aufgezeigten Methode.
SELBST SCHULD!
Das große und schreckliche Problem ist nur, dass immer mehr Menschen diese Haltung bei sich selbst und bei anderen anwenden. Und das ist grausam. Sie erlaubt es nämlich, unempathisch zu sein. Wenn jeder an allem selbst schuld ist, dann brauche ich kein Mitgefühl zu entwickeln, denn die missliche Lage ist ja – wenn man sich nur genügend bemüht – veränderbar. Alles hängt angeblich nur davon ab, ob wir eine negative oder positive Lebenshaltung oder Gedankenwelt haben.
Die Menschen und das Leben sind jedoch hochkomplex, und wer glaubt, dass es möglich ist, alle seine Gedanken, Überzeugungen, Bedürfnisse, Gefühle und Intentionen immer bewusst und wahrhaftig zu kennen und dann nur in eine positive Richtung lenken zu können, ist entweder naiv oder lügt.
Die meisten unserer Beweggründe für Entscheidungen sind uns nicht bewusst. Gedanken, ja selbst unsere Gefühle sind für die meisten von uns nicht beständig wahrnehmbar. Die Neuropsychologie hat längst herausgefunden, dass unser bewusster Verstand Entscheidungen, die auf tieferen Ebenen des Gehirns gefällt wurden, lediglich rationalisiert.
Außerdem gaukelt diese »Ich kann alles materialisieren, wenn ich nur will«-Sichtweise uns vor, dass das Leben ausschließlich Glück und Gesundheit bieten könnte und sollte – wenn wir nur alles richtig machen. Doch wie alle komplexen Systeme besteht auch unser Leben aus den unterschiedlichsten Facetten, aus Krankheit und Gesundheit, aus Gewalt und Frieden, aus Hochs und Tiefs. Hermann Hesse sagte: »Berg und Tal sind der Ebene näher als die Ebene zu beiden.«
Es erscheint mir wie die Suche nach dem verlorenen Schlüssel zum Paradies. Wenn ich nur positiv genug denke und wünsche, dann finde ich letztendlich den Schlüssel zum absoluten und dauerhaften Glück. Nur leider werden auch gute Menschen krank oder erleben schreckliche Dinge. Was uns widerfährt, liegt in vielen Teilen außerhalb unserer Kontrolle.
Aber es liegt in unserer Macht zu lernen, wie wir mit unserem Leben umgehen, und zu entscheiden, was wir lernen, um unser Leben so zu gestalten, dass wir viel Freude und Erfüllung auf der Reise des Lebens erfahren.
GELEBTES WISSEN
Erkenntnisse haben wir viele, doch nur wenige davon schlagen sich wirklich in unserem Leben nieder. Wir müssen in die Lehre des Lebens gehen, uns die dafür wichtigen Fähigkeiten aneignen und sie beständig weiter ausbilden. Je mehr wir das tun – und womöglich noch Spaß daran haben –, desto mehr wird sich dies in immer mehr erfüllten Tagen niederschlagen.
In unserem Alltag können wir häufig der Wirklichkeit ausweichen. Wir vergraben uns in virtuellen Welten und Gedankenspielen. Und manchmal verwechseln wir diese Vorstellungswelten und Träumereien mit dem Leben.
Das Leben in seiner Realität fordert Mut von uns und die Konfrontation mit uns selbst und anderen.
UNVERBUNDEN
Ich war mein Leben lang auf der Suche, und lange Zeit wusste ich nicht einmal, wonach. Diese Suche führte mich auch nach Kanada in die Wildnis. Als Kind hatte ich oft die Serie Der Mann in den Bergen gesehen. Schon mit zwölf war es mein innigster Wunsch, nach Kanada zu reisen, in den Busch.
Mit 23 Jahren war es dann das erste Mal so weit. Mit einer Freundin flog ich los. Wir landeten in Toronto, und von dort ging es mit dem Bus und trampend nach Norden, zum Algonquin Park. Dort mieteten wir uns ein Kanu, und schon paddelten wir hinaus in die Wildnis. Es war die härteste Konfrontation mit der Wirklichkeit, die ich bis dahin in meinem jungen Leben hatte.
Plötzlich waren wir allein. Es war still. Eine Geräuschlosigkeit, die ich noch nie vorher erlebt hatte. Und es gab Bären! Ich war nicht mehr die Spitze der Nahrungskette … Ich begegnete einer Dami, die ich bis dahin nicht gekannt hatte und auch nicht kennenlernen wollte. Ich hatte so viel Angst wie noch nie in meinem Leben. Ich konnte keine Nacht schlafen. Ich lag wach, lauschte in die Stille und wartete angstvoll auf meinen Tod. Bis dahin hatte ich nicht einmal gewusst, dass ich Angst haben könnte. Die Ängste meiner Kindheit waren bis dahin in den tiefsten Tiefen meiner Persönlichkeit verstaut gewesen und vollkommen abgespalten. Ich war allein durch Europa getrampt, hatte in Busbahnhöfen und Gärten geschlafen und meine Angst immer fest im Griff gehabt beziehungsweise sie erst gar nicht gespürt.
Ich war völlig durcheinander, ich konnte diese Erfahrung überhaupt nicht verstehen. Ich war bezaubert von der Natur, und gleichzeitig fühlte ich mich vollkommen von allem abgeschnitten. Jeder Naturfilm im Fernsehen hätte mich mehr berührt. Wir paddelten durch Seen voller Seerosen, das Wasser war glasklar und der Himmel strahlend blau. Alles schien perfekt. Nur war ich nicht die coole Abenteuerin, die ich mir vorgestellt hatte.
Alles wurde plötzlich real, war körperlich spürbar, wurde anstrengend. Alles um mich war still, groß und unendlich. Mein Körper tat weh von der Anstrengung, die Mücken stachen durch das Moskitonetz und freuten sich auf jeden Gang, den wir nach draußen machen mussten … Und dann diese Angst, sie war so körperlich real wie plötzlich alles in mir und um mich herum. Es war mein erstes Aufwachen in dem Gefühl vollkommener Unverbundenheit. Ich bemerkte, dass das, was ich mir erträumt hatte, nichts mit dem zu tun hatte, was ich dort erlebte.
Ich bekam damals das erste Mal eine Ahnung davon, dass der Kopf nur einen Teil der Wirklichkeit realisiert und alles Körperliche unvorstellbar bleibt. Sind wir krank, so ist das Leben mit allen Freuden schlicht nicht möglich und oft nicht vorstellbar. Wenn wir wieder gesund sind, können wir uns kaum noch daran erinnern, wie es ist, sich schwach und elend zu fühlen. Die Erinnerungen an körperliche Erlebnisse verblassen schnell und werden vom Kopf auch rasch geschönt und retuschiert.
SHUTDOWN – GEFANGEN IM KOPF
Die Abkoppelung vom Körper ist leicht für uns, vor allem in unserer Lebenswelt, in der es nicht mehr darum geht, sich körperlich zu fühlen. Dadurch wird das Leben zwar oberflächlicher, aber es lässt uns auch unsere Schmerzen und Empfindungen nicht mehr spüren. Wie wir noch sehen werden, speichert der Körper viele unserer Erfahrungen und Erinnerungen. Wenn diese allzu schmerzhaft sind, werden sie vom Bewusstsein abgekoppelt. Es findet ein Shutdown des Körpers statt, also ein Abschalten des Körperbewusstseins, für das wir einen hohen Preis bezahlen, das uns aber vor den im Körper gespeicherten seelischen Schmerzen schützt.
Dieser Shutdown führt zu einer funktionalen Haltung zum eigenen Körperlichsein,