Das muss doch auch anders gehen. Bettina Ramm
bin ich froh darüber. Wir brauchen nichts gewaltsam verändern, wenn wir i. uns anfangen, statt außerhalb von uns. Es dauert zwar länger und es ist manchmal auch etwas schmerzhafter, dafür ergeben sich schon währenddessen und vor allem danach alle Veränderungen zum Guten wie von selbst.
Während wir uns vorher lange mit Entscheidungen quälen, werden neue Wege für uns offensichtlich. Neue Chancen erscheinen auf unserer Bildfläche, mit denen wir nie gerechnet hätten. Wir bekommen Eingebungen und Impulse, die uns auf völlig neue Wege führen. Auf Wege, die sich leicht anfühlen, die nichts mehr mit dem alten Weg zu tun haben, der so kraftraubend und anstrengend war.
Veränderungen beginnen mit „Aha“
„ Wir können nur das wirken,
was wir in uns selbst verwirklicht haben.“
Ina Seidel
Zu der Zeit, als mir aufging, dass mein Leben mich nicht erfüllte, und dass ich so auf keinen Fall bis zu meinem Lebensende weitermachen wollte, kam mir immer wieder der Gedanke, alles hinzuschmeißen. Ich bin ihm zum Glück nie gefolgt.
Vielleicht wäre ich es, wenn ich mehr Mut gehabt hätte. Wenn ich nicht so stark eingebunden gewesen wäre in familiären und finanziellen Arrangements und Verpflichtungen. Aber damals erschien mir die Idee, aus allem auszubrechen, noch beängstigender, als in der Situation zu bleiben.
Und das war gut so.
Denn inzwischen weiß ich, dass Veränderungen viel leichter sind, wenn sie schrittweise erfolgen. Wenn wir uns auf den Weg einlassen, statt mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, stellen sich Veränderungen sogar beinahe natürlich ein.
Wenn wir in einer Situation gefangen sind, die ausweglos erscheint, oder die uns endlos frustriert, ist die Idee, alle Brücken abzubrechen, es allen zu zeigen, oder nochmal ganz von vorn anzufangen, oftmals sehr verlockend. Doch wir übersehen dabei, dass die eigentliche Ursache unserer Misere immer wir selbst sind. Wir selbst sind die einzige Variable in unserem Leben, von der alle Veränderungen ausgehen.
Deshalb sind Veränderungen im Außen, wenn sie auf Frust, Ungeduld oder Wut basieren, selten fruchtbar und bringen meist keine Erfüllung.
Was wir brauchen, ist ein Blick nach innen. Dass wir uns mit uns selbst beschäftigen, uns selbst wieder näher kommen, uns anschauen, wie wir da hin gelangt sind, wo wir heute stehen. Denn alles, was wir uns erschaffen haben, basiert auf den Entscheidungen, die wir aus irgendeinem Grund einmal für uns getroffen haben. Erst wenn wir verstehen, was dahinter steckt, können Veränderungen in unserem Leben wirklich nachhaltig sein. Erst wenn wir unsere unbewussten Muster aufgedeckt haben, und sie verändern, werden wir nicht wieder in dieselben Fallen tappen.
Auf den ersten Blick erscheint das mühseliger. Aber das ist ein Trugschluss. Denn Veränderungen im Außen kosten massiv Kraft, und wenn sie dann nicht bewirken, was wir uns erhofft haben, kann uns das in noch tiefere Verzweiflung stürzen. Wenn wir in uns selbst beginnen – und die Anregungen dazu findest du ja in diesem Buch – dann werden Veränderungen nicht nur leichter, sondern ganz oft sogar überflüssig.
Als ich mit meinem Mann in der tiefsten Krise steckte, war ich mir sicher: Wir passen nicht zusammen. Ich hatte den bequemen – aber falschen – Weg gewählt, oder ich hatte mich verändert, und er nicht. Was auch immer, ich war fest davon überzeugt, dass ich es ohne ihn leichter hätte, und dass er mich unglücklich macht.
Doch eine Trennung war aus mehreren Gründen sehr, sehr schwierig. Ich hätte auf verschiedene Annehmlichkeiten verzichten müssen, was mir nicht leicht fiel, und so traf ich glücklicherweise keine übereilte Entscheidung.
Und in guten Momenten spürte ich (wenn ich ganz ehrlich war), dass da etwas in mir war, das meinen Mann über alles liebte, das ihn auf keinen Fall verlassen wollte. Da drin war eine tiefe Zuneigung und Verbindung, nur schien mir dieses Gefühl im Alltag immer wieder verloren zu gehen.
Unsere Beziehung zu verbessern war ein langer Weg, mit vielen Tiefs, aber immer wieder auch Hochs, die mir Hoffnung gaben. Zeitweise schienen wir in einer Sackgasse zu stecken, egal, was wir versuchten, nichts schien zu fruchten. Es gab Momente, da wollte ich einfach nur ein gutes Miteinander, ohne Ansprüche, aber selbst das funktionierte nicht.
Erst als ich begann, wirklich zu verstehen, wie das Leben funktioniert – dass mein Mann nicht für mein Glück verantwortlich ist, dass es gut ist, wenn zwei Menschen nicht völlig identische Meinungen haben, dass ein Streit keine Ehekrise ist und einiges mehr – konnte ich mich soweit entspannen, dass unsere Beziehung sich augenscheinlich von allein, und innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne, extrem verbesserte.
Nicht nur, dass wir uns heute kaum noch streiten, wir vertrauen uns auch zutiefst und sind miteinander so innig verbunden, wie nie zuvor. Wir lachen zusammen, wir trösten und stärken uns, wir necken uns, kurzum – wir sind nach über 20 Jahren Beziehung beinahe wie ein frisch verliebtes Paar (nur ohne die Nebenwirkungen).
Ich bin mir sicher – hätten wir uns getrennt, wäre ich mit hoher Wahrscheinlichkeit in die nächste Beziehung mit denselben oder ähnlichen Problemen geschlittert.
Und so geht es uns immer, egal wovor wir fliehen. Ob wir unseren Wohnort hassen, die Nachbarn nicht leiden können, unseren Job oder Chef verachten – von etwas weg zu wollen ist keine gute Motivation.
Ich sage nicht, dass Veränderungen im Außen immer schlecht sind. Aber sie sind immer nur dann eine gute Idee, wenn wir nicht von etwas weg, sondern zu etwas hin wollen. Wenn wir unseren Job kündigen, weil wir spüren, dass wir uns selbstständig machen wollen. Wenn wir unser Haus verkaufen, weil wir wissen, dass wir woanders wohnen möchten.
Wenn wir die Veränderung zum Guten hin – statt weg vom augenscheinlich Schlechten – machen, dann können Veränderungen eine gute Idee sein.
Dieses Gefühl für das, was wir wollen, stellt sich ein und wächst, wenn wir beginnen, unserem Gefühl zu folgen, uns selbst ernst zu nehmen, uns gut zu tun und selbst für unser Glück zu sorgen. Dann werden die nächsten Schritte offensichtlich, und sie wirken nicht wie eine Flucht, sondern wie ein Aufbruch.
Leid ist nich. Sinn deines Lebens
„May you be at peace in your heart,
healthy, happy and free.“2
Blake D. Bauer
Im Frühling 2017 kaufte ich mir in London ein Buch mit dem Titel „You were not born to suffer“ - „Du bist nicht geboren, um zu leiden“. Wohin ich kam, prangte es auf Werbeplakaten, und obwohl ich damals nicht wusste, was das Wort „suffer“ bedeutete, und obwohl ich bezweifelte, dass ich in der Lage war, so ein dickes, englisches Buch zu lesen, spürte ich, dass dieses Buch von mir gekauft werden wollte.
Ich spürte, dass ich darin erste Hinweise für meine Suche erhalten würde. Meine Suche begann mit diesem Buch. Denn ja, ich litt. Die Sehnsucht, gepaart mit der Verzweiflung, weil ich nicht wusste, wonach ich mich sehnte, und den Schuldgefühlen, weil ich mir undankbar vorkam, machte mich fertig.
Ich kannte ja nur dieses Leben. Ich spürte, dass ich mich nach mehr Leichtigkeit und Freude und Sinn und Lebendigkeit sehnte, aber ich hatte keinen Plan, ob es sie wirklich gab. Geschweige denn, wo ich suchen sollte.
Doch Leichtigkeit, Lebendigkeit und Freude sind nicht nur wenigen ausgesuchten Menschen vorbehalten, wie ich lange glaubte. Sie sind unser aller Geburtsrecht. Sie stehen uns von Anfang an zu, und wir können sie jederzeit wieder in unserem Leben aktivieren.
Dazu bedarf es im Grunde nur deiner bewussten Entscheidung.
Doch hier habe ich ein großes Missverständnis entdeckt: Viele Menschen meinen, sie brauchen sich nur für Freude entscheiden, und das Leid verschwände dann von allein. Dem ist nicht so. Der Weg aus dem Leid führt durch das Leid hindurch.
Oder anders: Wer versucht, Leid loszuwerden, wird Leid erst recht anziehen.
Damit wir Freude spüren können, müssen wir lernen, auch alles Schmerzhafte in uns anzunehmen und ganz zu fühlen. Denn es hat immer eine Botschaft für uns.