Das muss doch auch anders gehen. Bettina Ramm
der unmittelbare Verursacher deines Stresses.
Anders als es auf den ersten Blick scheint, liegt dein Stressor nicht außerhalb deiner selbst.
Lass uns einen Blick nach innen werfen. Wie sieht es in dir aus? Vielleicht so:
„Oh Gott, ich muss diese Akten bis heute Abend durcharbeiten, dabei wollte ich doch heute endlich mal pünktlich nach Hause kommen. Mein Schatz hat die letzten Tage immer mit dem Essen auf mich gewartet, und ich weiß nicht, wie lange sie (er) das noch mitmacht. Mein Chef ist wirklich ein rücksichtsloser A… Der muss doch sehen, dass ich das gar nicht schaffen kann. Aber typisch, und Frau Müller ist mal wieder krank. Die ist ja andauernd krank, und ich bin dann hier der Depp, der die ganze Arbeit erledigen soll. Und nun wollen sie auch noch Stellen abbauen. Vielleicht sollte ich freiwillig gehen. Wenn ich bleibe, dann bleibt ja noch mehr an mir hängen. Aber wo soll ich denn hin? Wer stellt mich denn noch ein, ich bin ja schon über 50! Bei dem Arbeitsmarkt! Wie soll ich die Akten hier bloß in einer ordentlichen Qualität einarbeiten, wo ich mich so beeilen muss? Hoffentlich mach ich jetzt nicht auch noch Fehler. Letztens ist der Chef bei der Meier ja vor Wut geplatzt, als sie die Akte bei dem falschen Kunden eingepflegt hat. Ich sollte mich jetzt wirklich mal beeilen, oh Gott, wo fange ich bloß an…“.
Ich könnte das endlos weiterführen. Deine Gedanken laufen Amok. Mittendrin immer wieder Szenarien für die Zukunft, die Angst und Panik verbreiten.
Glaubst du, mit solchen Gedanken kommt Freude an der Arbeit auf? Glaubst du, die Arbeit erledigt sich schneller? Glaubst du, das weniger Fehler geschehen? Ich glaube das nicht. Wohl eher im Gegenteil.
Dabei sind all diese Gedanken nur Illusionen. Sie gaukeln eine Zukunft vor, die nur eine Projektion ist, die noch gar nicht eingetreten ist, und so vielleicht (sehr wahrscheinlich) auch nie eintreten wird. All diese Gedanken sind schädlich, und vollkommen überflüssig.
Sie lassen dich nicht in Ruhe arbeiten, und sie lassen auch keine Freude aufkommen.
Wie immer ist der erste Schritt, es einfach nur zu beobachten. Die meisten Gedanken sind uns nicht bewusst, sie kommen und gehen so schnell, dass wir sie gar nicht wirklich bemerken. Wir fühlen sie nur als Stress. Stress ist der Indikator dafür, dass wir ungesunde Gedanken denken.
Versuche nicht, sie zu verdrängen oder durch neue Gedanken zu ersetzen. Das schafft nur noch mehr Stress. Lass sie einfach da sein, aber lass dich von ihnen nicht mehr vereinnahmen. Lass sie reden wie ein Radio, das im Hintergrund läuft, und achte nicht auf sie. Das braucht etwas Übung, weil Gedanken eine nahezu hypnotische Wirkung haben können (und je negativer sie sind, desto realer erscheinen sie uns). Doch je häufiger es dir gelingt, sie zu enttarnen, sie als stressende Gedanken zu erkennen, und ihnen einfach nicht mehr Beachtung zu schenken, sondern einfach mit deiner Arbeit fortzufahren, desto schneller werden sie von selbst leiser.
Ich habe einige Übungen für dich, die mir gerade am Anfang dabei geholfen haben, meine Gedanken als Gedanken wahrzunehmen, und nicht als die Realität.
Sei so oft wie möglich im Hier und Jetzt.
Die Gegenwart ist deine Verbindung zum Leben und zu deinem Unterbewusstsein. Wenn du mit deinen Gedanken irgendwo in der Zukunft oder Vergangenheit bist, bist du abgelenkt von dem, was gerade jetzt vor sich geht. Außerdem bist du immer in einer Illusion, weil weder Vergangenheit noch Zukunft wirklich existieren. Sie sind nur von uns erdachte Konstrukte.
Komme immer wieder ganz bewusst hier in der Gegenwart an. Ich werde dir später noch konkrete Übungen vorstellen, die du dazu für dich nutzen kannst. Konzentriere dich jetzt einfach nur auf deinen Atem. Wenn du ihn wahrnimmst, bist du automatisch im Jetzt.
Warum fühlst du dich gerade schlecht?
Wenn du an deine unbewussten Gedanken herankommen willst, achte auf deine Gefühle. Jedem Gefühl ging ein Gedanke voraus. Ich habe mir angewöhnt, wann immer ich mich schlecht fühle, also Ärger, Angst, Stress, Druck oder Wut spüre, zurückzugehen und genau hinzuschauen, welches der auslösende Gedanke war.
Anfangs wird dir das nicht immer gelingen. Gefühle kommen so schnell, dass wir den dahinter liegenden Gedanken gar nicht richtig wahrnehmen. Oftmals ziehen negative Gedanken auch weitere negative Gedanken an, so dass daraus sehr schnell ein ganzes Bündel entsteht. Zudem ist uns ja oft nicht bewusst, dass es nur ein Gedanke ist – er erscheint uns real.
Aber mit der Zeit wirst du Übung entwickeln. Wenn du Macht über deine Gedanken bekommst, entwickelst du auch Macht über deine Gefühle, deine Reaktionen und dein Leben.
Mein Tipp: Schreibe dir diese Gedanken auf. Erkenntnis ist immer der erste Weg zur Veränderung, und schriftlich ist die Erkenntnis immer noch ein bißchen wirksamer.
Frage dich: Ist das wahr?
Eine weitere sehr machtvolle Übung ist es, alle Gedanken, die in dir aufsteigen, zu hinterfragen. Das schult dich darin, deine eigenen Gedanken als solche wahrzunehmen, aber auch deinen inneren Kritiker, wenn es darum geht, ob du einem Gedanken glauben solltest oder nicht.
Mach das auch immer mal wieder zwischendurch. Was denke ich gerade? Und ist das wahr?
Insbesondere bewertende Gedanken eignen sich besonders gut. Gerade wenn wir versuchen, ganz im Hier und Jetzt zu sein, werden immer wieder bewertende Gedanken auftauchen. Wir sehen etwas und treffen sofort eine Entscheidung, ob es gut oder schlecht ist und warum.
Nutze diese Gewohnheit, um dir anzuschauen, warum du welche Bewertung triffst, welche Gedanken dahinter stecken und frage dich, ob sie wirklich wahr sind.
Natürlich werden sie dir anfangs sehr oft wahr erscheinen. Das ist normal, sonst würdest du sie ja nicht denken! Hinterfrage sie spielerisch und bewerte dich selbst nicht, wenn es mal besser und mal schlechter (und mal gar nicht) klappt.
Alles ist gut, so wie es ist.
Glaube nicht alles, was du denkst
„Es gibt nur relative Wahrheit.“
Protagoras aus Abdera
Ich habe lange versucht, meinen Stress mit Meditation, mehr Hobbies, weniger Arbeiten und anderen Dingen „in den Griff“ zu kriegen. Es hat nicht funktioniert. Jetzt weiß ich auch, warum. Ich habe all diese Maßnahmen missverstanden. Ich dachte, ich bräuchte sie nur anwenden, und mein Stress würde verschwinden. Doch so ist es nicht gedacht.
Wenn du weniger Stress haben willst, dann bringe deine Gedanken zur Ruhe. Hobbies und Meditation sind ursprünglich genau dafür gedacht. Doch wenn man sie wie ich in einen ohnehin schon übervollen Alltag quetscht, abarbeitet wie einen weiteren Punkt auf der endlosen Todo-Liste, und sich dann auch noch Schuldgefühle macht, wenn man es doch mal wieder nicht geschafft hat, weil die Zeit – oder die Kraft – fehlte, dann dienen sie nicht dem Stress-Abbau, sondern sind nur ein weiterer Stressfaktor.
Dasselbe gilt, wenn man ehrgeizige Ziele damit verbindet – auch dafür bin ich Spezialistin. Immer wieder habe ich aus allem in meinem Leben einen Wettbewerb gemacht, in dem ich gegen mich selbst antrat, und das Ziel war, mich immer weiter zu verbessern bis zur Perfektion.
Als ich nach meiner Krise ernsthaft zu meditieren begann, war mein Ziel, meine Gedanken abzustellen, meinen Gedankenstrom zuzudrehen wie einen Wasserhahn. Auch das gelang mir meistens nicht. Was dann wieder zu Versagensgefühlen führte …
Irgendwann begriff ich, dass die Lösung nicht ist, die Gedanken abzustellen. Die Lösung ist nicht, mehr Kontrolle zu bekommen. Die Lösung ist, loszulassen. Die Lösung ist es, die Gedanken da sein zu lassen, ohne sie zu verfolgen. Wir müssen nicht alles glauben, was wir denken. Wir müssen ihm nicht nachhängen. Wir haben jederzeit die Wahl.
Es beginnt immer damit, dass wir unsere Gedanken bewusst wahrnehmen.
Glaubenssätze sind tief unbewusste Gedanken, die wir über uns, andere und die Welt haben und von dort aus beeinflussen, wie wir die Welt erleben. Wir hinterfragen sie nicht, denn sie gehören zu uns. Das Leben ist so. Die Erde ist rund, morgens geht die Sonne auf, abends geht sie unter, Wasser ist nass, und Erfolg ist stressig.
Wenn