Einmal mit der Katze um die halbe Welt. Martin Klauka
Es fühlte sich ein wenig an, als würden wir nach Hause kommen – oder zumindest zu einem guten Freund. Leider musste Manfred aber gleich wieder los zur Arbeit. Daher zeigte er mir nur kurz seine Wohnung, überließ mir dann seinen Schlüssel und machte sich auf den Weg. Bis auf ein kurzes Telefonat und ein paar Nachrichten kannten wir uns nicht, daher staunte ich nicht schlecht, dass er mir einfach so seine Wohnung anvertraute. Später verriet er mir den Grund: Erstens hieß sein Sohn auch Martin und zweitens könnte einer, der so mit Katzen umging, kein schlechter Mensch sein. Womit er vermutlich recht hat.
Ich versorgte Mogli, für die Manfred lieberweise sogar ein Katzenklo aufgestellt hatte, richtete mich kurz ein, duschte, aß etwas und fuhr dann direkt zum nächsten Reifenhändler. Meine alten Reifen hätten zwar noch ein paar Kilometer gehalten, aber ich wusste nicht, ob ich in der Türkei rechtzeitig Ersatz finden würde. Mogli ließ ich »zu Hause«. Manfred hatte selbst eine Findelkatze adoptiert, Lucia, und die beiden waren die erste Zeit damit beschäftigt, sich im Zeitlupentempo näherzukommen.
Ich klapperte ein paar Händler ab, bis ich endlich fündig wurde. Ich musste zwar knapp 100 Euro mehr bezahlen, als ich in Deutschland hätte berappen müssen. Aber ich biss in den sauren Apfel und nahm sie trotzdem. Es half ja nichts.
Als Manfred spätabends von der Arbeit zurückkam, unterhielten wir uns noch. Ich war neugierig und wollte herausfinden, wer er war und warum er uns einlud. Und er wollte erfahren, was mich dazu trieb, so eine Reise zu machen. Es gab viel zu erzählen.
Die nächsten vier Tage vergingen wie im Flug. Manfred zeigte mir seine liebsten Ecken und Restaurants, wir fuhren zusammen zum Angeln und machten Sightseeing. Die restliche Zeit nutzte ich, um das griechische Alphabet zu lernen, mich zu entspannen und alles für die Weiterreise vorzubereiten.
Mogli hatte sich nach zwei Tagen mit Lucia angefreundet, doch wenn die beiden nicht gerade miteinander spielten, langweilte sie sich trotzdem. In Manfreds Apartment gab es zwar viel zu erkunden, aber nichts zum Jagen.
ANTÍO GRIECHENLAND, MERHABA TÜRKEI
Am fünften Tag war es schließlich Zeit, Abschied zu nehmen. Ich hatte ein Fährticket nach Kos, das kurz vor der türkischen Küste lag, gebucht, und nachdem ich mich von Manfred verabschiedet hatte, fuhr ich, wieder einmal, viel zu spät ab. Ich hatte den Stadtverkehr völlig falsch eingeschätzt und nicht gedacht, dass ich so lange für die 23 Kilometer bis zum Hafen brauchen würde. Es wurde dementsprechend eine rasante und gefährliche Fahrt.
Am Hafen mussten wir uns dann auch noch an einem Schalter anstellen, um das im Internet gebuchte Ticket abzuholen. Die halbe Stunde, bis ich es endlich in Händen hielt, fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Zum einen machte ich mir Sorgen, dass die Fähre ohne uns abfahren könnte. Zum anderen war da auch noch Mogli, die nicht alleine am Motorrad warten wollte und stattdessen auf meiner Schulter saß und von Minute zu Minute quengeliger wurde. Die lauten Geräusche ringsum machten ihr Angst. Wie froh sie war, als sie sich endlich wieder in ihrer Tasche verstecken konnte. Dabei waren alle Eile und Sorge war am Ende umsonst, denn die Fähre hatte Verspätung. Als wir endlich ablegten, wurde es bereits dunkel.
Da wir erst am nächsten Morgen ankommen würden, hatte ich uns für rund 20 Euro extra ein Bett in einer Kabine gebucht. Dorthin machte ich mich schnell auf, damit Mogli nicht entdeckt wurde. Alles lief glatt, niemand sah uns und auch mein Zimmernachbar schien kein Problem mit ihr zu haben. Ich bat ihn, kurz ein Auge auf sie zu werfen, während ich schnell Wasser kaufte. Doch als ich nur wenig später wiederkam, gab er mir nur zu verstehen, dass sie aus dem Zimmer gehuscht wäre. Ich bekam einen Riesenschreck! Es gab Hunderte von Kabinen auf dem Schiff, in denen sie sich verstecken konnte. Und falls sie sich vor etwas fürchtete und verkroch, standen meine Chancen, sie zu finden, mehr als schlecht.
Ich rannte aus der Kabine, rief und eilte einen der Gänge hinunter. Nach über 50 Metern entschied ich mich, den Gang auf der anderen Seite der Fähre zurück zum Zimmer zu nehmen und dann weiter in der anderen Richtung zu suchen – und dort fand ich Mogli kurz darauf auch. Sie war ein wenig verängstigt und miaute mich an, als sie mich sah. Sichtlich froh darüber, wieder zurück und in Sicherheit zu sein, kuschelte sie sich in die Decke und schlief ein.
Plötzlich kam ein schimpfender alter Mann mit einem Mitarbeiter der Fähre herein. Obwohl ich seine Worte nicht verstand, war doch offensichtlich, dass ihm etwas nicht passte. Dank meines Zimmernachbarn, der ein paar Worte Englisch sprach, stellte sich heraus, dass der 92-Jährige der dritte Passagier in unserer kleinen Kabine war, aber davon ausgegangen war, dass er eine Zwei-Mann-Kabine gebucht hatte. Er führte sich noch eine Weile lang auf und erinnerte sich dann an seine Katzenhaarallergie. Der Mitarbeiter der Fähre entschuldigte sich bei mir und gab mir zu verstehen, dass wirklich alles ausgebucht wäre. Und so musste ich die Nacht statt in einem gemütlichen Bett draußen auf Deck verbringen. Ich machten es mir auf einer harten, schmalen Bank »bequem«, auf der ich nur in einer Position liegen konnte, wenn ich nicht herunterfallen wollte. Meine Hose diente mir als Kopfkissen, Mogli schlief in ihrer Tasche direkt dahinter. Es war wahnsinnig unbequem, aber weil ich so müde war, schlief ich trotzdem ein. Es gelang mir tatsächlich ein, zwei Stunden zu schlafen, ehe um fünf Uhr die Lautsprecherdurchsagen das Liegenbleiben unmöglich machten. Was sollte es? Zeit für den ersten Morgenkaffee!
Als wir endlich auf Kos ankamen, war Mogli, die fast eine Woche lang keinen Auslauf gehabt hatte und nun auch schon wieder seit mehr als einem halben Tag stillhalten musste, so quengelig wie ein unausgeschlafenes Kind. Als Erstes suchte ich eine Stelle, an der sie ihr Geschäft verrichten konnte. Ein Busch neben einer Mauer am Strand erfüllte zum Glück alle Kriterien. Als das erledigt war, aß ich eine Kleinigkeit, trank noch einen Kaffee und machte mich auf die Suche nach einem ruhigen Plätzchen, an dem ich noch ein wenig Kraft tanken konnte. Ein Hotel konnte ich mir nicht leisten, was angesichts der schönen Gegend wirklich eine Schande war. Allzu gerne hätte ich mich mit der Prinzessin ein, zwei Nächte in Hafennähe einquartiert und die Insel erkundet.
Die Landschaft war karg und felsig und es gab so gut wie keine Bäume, in deren Schatten wir unser Zelt hätten aufschlagen können. Nach einer Weile entdeckte ich jedoch eine Sandstraße, die ans Meer führte – und dort wurden wir tatsächlich fündig. Der Weg führte zu den heißen Quellen von Kos. Dort hatte jemand, vermutlich als temporären Kiosk, einen einfachen Unterstand errichtet. Die Felsen nebenan boten ausreichend Unterschlupf für Mogli. Kein schlechter Platz. Ich trank noch einen Kaffee, der mich aber nicht wacher machte, und schlief dann erschöpft ein. Doch schon am Nachmittag mussten wir wieder zusammenpacken, weil ich am Hafen noch ein Ticket für den nächsten Tag kaufen wollte. Die gerade einmal 18 Kilometer kurze Fahrt kostete satte 50 Euro. Aber egal, wir hatten es geschafft und ich freute mich auf einen entspannten Abend am Strand.
Zurück bei »unserem« Unterstand kam auf einmal ein junger Mann auf uns zu. Es war Alex, dessen Vater die Strandbar ein paar Hundert Meter weiter betrieb. Er lud mich ein, sie zu besuchen. Ich war in einer Zwickmühle: Einerseits wäre ich natürlich gerne in die Strandbar gegangen, andererseits konnte ich unsere Sachen nicht unbeaufsichtigt lassen. Und Mogli würde auch darauf zählen, dass ich da war, wenn sie wieder kam. Also lehnte ich dankend ab. Kurz darauf kam Alex aber noch einmal. Diesmal bot er mir an, auf einer Liege vor der Bar zu übernachten. Wie konnte ich da Nein sagen?
Ich nahm Mogli an die Leine, damit sie die Umgebung und die sieben jungen Kätzchen kennenlernen konnte, die neben der Bar in den Felsen lebten. Danach ließ ich sie wieder frei laufen. Die Kätzchen waren noch zu jung, um ihr Territorium zu verteidigen, ihre Mutter konnte ich nirgends sehen und Mogli würde sich höchstens verteidigen, aber nicht angreifen. Was sollte also passieren?
Nachdem Alex und sein Bruder Billi die Bar geschlossen und nach Hause gegangen waren, hatten Mogli und ich den Strand für uns alleine. Nichts war zu hören außer dem Rauschen des Meeres und ich schwelgte in den Erinnerungen des letzten Monats.
Europa war gut zu uns. Wir durften viele liebe Menschen kennenlernen und einzigartige Erfahrungen sammeln. Fremde wurden zu Freunden, die Welt war etwas kleiner geworden und unser Zuhause ein wenig größer. Zufrieden schlief ich ein.
Mogli rollte sich in ihre Tasche, und als uns die Sonne frühmorgens weckte gönnte mir noch ein Bad