Einmal mit der Katze um die halbe Welt. Martin Klauka
Nase saß und sie durch die Scheibe anstarrte. Ihren Pass wollte die Frau trotzdem nicht sehen.
Wir erreichten Ston noch vor Sonnenuntergang, und während ich nach einer erschwinglichen Bleibe suchte, kam Mogli aus dem Rucksack und schaute sich die Umgebung an. Zwei junge Mädchen sahen ihr dabei gebannt zu.
Als wir an einem kleinen Laden anhielten, um Proviant aufzustocken, sprang Mogli auf den Geldautomaten, der vor der Tür unter dem Dach stand. Erst war ich froh, weil ich dachte, dass ich keine Probleme beim Einkaufen haben würde, wenn sie währenddessen auf ihrem Aussichtsplatz auf mich wartete. Doch leider gab mir die Ladenbesitzerin lautstark zu verstehen, dass Mogli dort nichts zu suchen hätte. Ich musste einen anderen Laden suchen.
Es stand mir wohl auf den Helm geschrieben, dass ich nach einer Unterkunft suchte, denn ein Mann sprach mich an und bot an, die Nacht für 15 Euro in seinem Wohnwagen zu verbringen. Ich wusste anfangs nicht, ob ich ihm vertrauen konnte. Aber da ich keine Alternative hatte und die Wolken schon verdächtig dunkel wurden, nahm ich sein Angebot an. Tatsächlich kam, noch bevor ich fertig ausgepackt hatte, ein heftiger Regenguss herunter. Wir hätten es niemals geschafft, das Zelt im Trockenen aufzubauen.
Als das Unwetter endlich nachließ, nutzte Mogli ihre Chance, den Garten zu erkunden. Leider aber war das Revier schon von zwei Katern besetzt und so dauerte es nicht lange, bis ich es draußen fauchen und kreischen hörte. Ich stürmte hinaus und fand Mogli ganz verschreckt an der Spitze eines Strommasts. Andere Katzen sind erstaunlicherweise ein noch größeres Problem für sie als Hunde, vor denen sie sich zwar mehr fürchtet, für die sie aber normalerweise zu vorsichtig und agil ist. Katzen dagegen verfügen über dieselben Fähigkeiten wie sie – und diese hier genossen obendrein Heimvorteil.
Es dauerte eine Weile, bis Mogli den Mast endlich rückwärts hinunterkroch und ich sie mit in den sicheren Wohnwagen nehmen konnte. Wer jetzt aber denkt, dass sich meine sturköpfige Prinzessin dadurch von ihrer Wanderlust abhalten ließ, hat weit gefehlt. Nur eine halbe Stunde später startete sie, zugegebenermaßen etwas vorsichtiger als zuvor, den nächsten Versuch. Er endete ähnlich wie der erste und daher entschloss ich mich, Mogli erst einmal drinnen zu lassen. Allzu gern wäre ich am nächsten Morgen auch noch über die lange Burgmauer gelaufen und hätte mir die Festungen und über 40 Türme angesehen. Aber wie unser Versuch in Mostar gezeigt hatte, war das mit Mogli nicht möglich, und nachdem hier ganz offensichtlich kein guter Platz für sie war, mussten wir unsere Reise ohne Sightseeing fortsetzen. Immerhin konnte ich die von Tonči empfohlenen berühmten Stoner Muscheln probieren, die in einer nahe gelegenen Bucht gezüchtet wurden. Sie schmeckten herrlich.
Blick auf den Shkodrasee im Abendlicht. Kurz darauf war es plötzlich stockdunkel.
TRAUMHAFTES MONTENEGRO
Es dauerte nicht lange, bis wir Montenegro erreicht hatten. Während wir an der Grenze warteten und Mogli auf dem Motorrad herumkrabbelte, sah ich, wie ein paar Mädchen vom Rücksitz aus verstohlen Fotos von uns machten. Ich stellte mir vor, wie ungewöhnlich wir doch wirken mussten, und winkte ihnen zu. Moglis Pass dagegen wollte wieder einmal keiner sehen.
Kurz hinter der Grenze lernten wir Eva und Dieter kennen, die mit ihren Töchtern gerade wieder auf dem Heimweg in die Nähe von Rosenheim waren. Lisa und Lili hatten Mogli vom Rücksitz aus entdeckt und wir kamen ins Gespräch. Schnell stellte sich heraus, dass ich es mit waschechten Abenteurern zu tun hatte, und wir beschlossen, den Abend gemeinsam auf einem Campingplatz ausklingen zu lassen und uns Reisegeschichten zu erzählen. Nachdem mein Zelt stand und in dem umgebauten Land Rover alle vier Betten gemacht waren, luden Eva und Dieter mich zum Essen in ein nahe gelegenes Restaurant ein. Ziemlich ausgehungert machte ich mich über meine erst zweite richtige Mahlzeit seit zu Hause her und freute mich, schon wieder so liebe Menschen getroffen zu haben. Nur Mogli war im Restaurant leider nicht erwünscht. Und da sie nicht im Zelt warten wollte, ließ ich sie mit einem mulmigen Gefühl im Magen frei laufen. Sie folgte uns zum Restaurant und erforschte dann das nahe gelegene Gebüsch, während wir vergnügt aßen. Als wir fertig waren, kam sie freudig mit uns zurück. Wie cool sie geworden war! Mit jedem Reisetag und mit jedem Problem, das wir bewältigen mussten, wurden wir zu einem besseren Team: Ich lernte sie und ihre Eigenheiten besser kennen und sie passte sich mehr und mehr unserem neuen Alltag an.
Nach einer herzlichen Verabschiedung und zahlreichen Glückwünschen ging es am nächsten Morgen schon früh weiter. Ein harter Tag stand Mogli und mir bevor, aber das wusste ich noch nicht.
Zuerst zog mich Montenegro, der »Schwarze Berg«, in seinen Bann. Selten zuvor habe ich so herrliche Straßen und Landschaften gesehen. Alle paar Kilometer änderte sich die Kulisse und immer wieder schaffte sie es dabei, mir den Atem zu rauben. Wir hatten die Nacht an der Bucht von Kotor verbracht, und da der Tag noch jung war, entschloss ich mich dazu, die Bucht zu umfahren, anstatt die Fähre zu nehmen. Manchmal traf ich echt gute Entscheidungen und dieses Mal wurde ich sofort dafür belohnt: Diese Gegend ist unbeschreiblich schön, und weil das Meer bis an die Füße der Berge reichte, schlängelte sich die Straße teils einspurig und ohne jegliche Absperrungen entlang der Bucht und bot neben einem Hauch von Abenteuer beinahe durchgehend atemberaubende Ausblicke.
Während mich der Baustil an der Küste stark an die mediterranen Gegenden in Italien oder Südfrankreich erinnerte, fühlte ich mich in den kleinen Hochebenen der Dinarischen Alpen auf einmal fast wie zu Hause. 1500 Meter über dem Meeresspiegel wurden die Winter kälter und die Häuser ähnelten den deutschen sehr, nur waren sie oft aus massivem Stein gebaut. Wir aßen frischen Aal in einem wunderschönen Restaurant am Fluss und erreichten pünktlich zur »Goldenen Stunde« den Shkodrasee, der zu zwei Dritteln in Montenegro, zu einem Drittel in Albanien liegt.
Die letzten Sonnenstrahlen tauchten die Landschaft in goldenes Licht. Es war eine Atmosphäre, wie ich sie nur schwer in Worte fassen kann. Die Bergspitzen, die stolz aus dem See herausragten, schimmerten im Sonnenlicht goldbraun, der volle Mond ging gerade hinter dem rosa-orange-blauen Horizont auf und der See mit seinen weiten Sümpfen spiegelte seine Farbenpracht. Mehr und mehr verschwanden die Berge langsam im Dunst und ich blieb etliche Male stehen und verlor mich in dem Anblick. Aus irgendeinem Grund beruhigte er mich, alle Lasten fielen von mir ab und alle Sorgen waren vergessen. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Aber das tat sie natürlich nicht wirklich. Bald darauf wurde es dunkel und wir waren noch immer auf winzigen Straßen in den Bergen unterwegs. So schön es eben noch war, war das jetzt keine gute Kombination mehr. Denn hier würde bis zum nächsten Tag vermutlich niemand mehr entlangkommen. Es dauerte aber über eine Stunde, bis wir, schon in der Nähe der albanischen Grenze, endlich wieder auf eine große Straße stießen. Nachdem es bereits spät war, hoffte ich, dass es an der Grenze schnell gehen würde. Aber die Beamten hatten andere Pläne und nahmen viele Reisende genau unter die Lupe. Es zog sich, weshalb die Einreise schließlich über eine Stunde dauerte. Einen Stempel in meinen Pass gab es wieder nicht, aber dieses Mal kam ein Beamter und fragte nach »Papers« und »Passport for Mace«, Mogli. Ich kramte ihre Papiere heraus, und als er sah, dass ich etwas in den Händen hielt, konnten wir weiterfahren.
Den Campingplatz zu finden, den Eva und Dieter mir empfohlen hatten, sollte die nächste Herausforderung werden. Die Straße, die dorthin führen sollte, gab es nämlich nicht, und die kleinen Schotterstraßen, auf denen wir nun unterwegs waren, wirkten im Dunkeln unheimlich. Es war bereits nach 22 Uhr als wir ihn endlich fanden. Die großen Eisentore aber waren verschlossen. Auch das noch! Die letzten 13 Stunden und 270 Kilometer hatten ganz schön an mir gezehrt. Ich hatte Hunger und auch die Prinzessin, die die Strapazen bisher seelenruhig über sich ergehen gelassen hatte, wurde langsam unruhig. Im Freien zu zelten kam aufgrund der vielen Straßenhunde nicht in Frage. Allerdings war der einzige Anlaufpunkt, den ich auf der Karte finden konnte, ein nahe gelegenes Hotelresort. Ich vermutete, dass es sicher zu teuer sein würde, aber etwas Besseres fiel mir nicht ein – und so wollte ich einfach mein Glück probieren.
Als wir die großen Tore des Resorts passierten, betraten wir eine andere Welt. Alles dort war neu, glänzend, gepflegt und prunkvoll und wirkte auf uns Weltenbummler beinahe unwirklich. Nur ein Zimmer war nicht frei, worüber ich insgeheim ganz