Einmal mit der Katze um die halbe Welt. Martin Klauka
war, ungefähr zwei Monate alt. Für die Tollwutimpfung war sie damit noch ein wenig zu jung. Aber sie bekam eine Wurmkur und die erste der drei Spritzen gegen Katzenschnupfen. Bis auf ihr verletztes Schwänzchen war die Kleine gesund, und nachdem dieses geröntgt worden war und ich den nächsten Termin ausgemacht hatte, ging es wieder nach Hause – sehr zum Erstaunen der Praxismitarbeiter natürlich auf dem Motorrad.
Es wäre vermutlich die einfachere Lösung gewesen, Mogli in ein Tierheim zu geben. Und ich gebe zu, dass ich auch selbst kurz darüber nachgedacht habe. Aber ein Leben im Käfig wollte ich ihr nicht zumuten. Ich konnte doch nicht einfach eine Straßenkatze retten und sie dann in ein überfülltes Tierheim geben. Das fühlte sich irgendwie falsch an. Es war meine Entscheidung gewesen, Mogli zu retten. Und deshalb lag es nun auch in meiner Verantwortung, mich um sie zu kümmern. Und ich wollte mich gut um sie kümmern. Ganz uneigennützig war meine Entscheidung am Ende aber doch nicht. Wir hatten in unseren ersten paar Tagen schließlich bereits viel erlebt und ich hatte mich schon lange in Mogli verliebt.
Ich kaufte ein kleines Geschirr mit einer Leine und nahm Mogli überall mit hin. Sooft ich Zeit hatte, gingen wir an der Mangfall spazieren, wo ich sie eine Weile frei laufen lassen konnte. Ich wollte, dass sie lernte, mich als ihren Bezugspunkt anzusehen und nicht ihr Revier, wie es für Katzen normalerweise üblich ist.
Anfangs war Mogli noch sehr schüchtern, verkroch sich in meiner Jacke oder Kapuze und beobachtete gespannt und aus sicherer Entfernung alles, was sich bewegte. Nach und nach kam sie dann heraus – erst auf meinen Schoß, dann neben mich. Und irgendwann war sie mutig genug, um bis zum sicheren Gebüsch zu rennen. Besonders in der Anfangszeit musste ich sie oft aus dichtem Gestrüpp herausholen und meine Arme und Beine waren ständig von oben bis unten von Dornen zerkratzt. Außerdem hatte ich, wie Mogli auch, ständig mit Zecken zu kämpfen. War ich überhaupt gegen Zecken geimpft? Eine gute Gelegenheit, meinen Arzt zu konsultieren. Es stellte sich heraus, dass meine Zeckenimpfung (FSME-Impfung) aufgefrischt werden musste. Mein Arzt empfahl mir darüber hinaus gleich noch eine ganze Reihe anderer Impfungen. Er war selbst nicht nur ein Reiseenthusiast, sondern hatte als Mediziner auch schon Ralleys in Afrika betreut. Daher wusste er sofort, welche Impfungen ich brauchte. Er hatte außerdem bereits eine Erste-Hilfe-Checkliste mit dem treffenden Namen »Reiseapotheke für Fernreisen mit Expeditionscharakter« erstellt.
Dennoch graute mir vor unserem nächsten Termin beim Tierarzt. Das Röntgenbild hatte gezeigt, dass die Gliedmaßen in Moglis Schwänzchen auseinandergerissen waren. Es gab keinerlei Anzeichen für eine Quetschung oder dafür, dass es geknickt wurde. Die wahrscheinlichste Theorie war, dass jemand Mogli am Schwanz gepackt und stark daran gezogen hatte. Jetzt sollte sie operiert werden. Sie schaute mir ängstlich hinterher, als die Arzthelferin sie behutsam ins nächste Zimmer brachte. Es war das erste Mal, dass sie weder bei mir noch in meiner Wohnung war, und so richtig wohl war mir bei dem Gedanken nicht.
Man implantierte Mogli im Zuge der OP gleich noch einen Mikrochip zur eindeutigen Kennzeichnung. Um stolze Inhaberin eines Europäischen Heimtierausweises zu werden, war allerdings erst noch die Tollwutimpfung und der darauffolgende Bluttest nötig.
Als ich Mogli nach der Arbeit abholte, war sie von der Narkose noch ganz verschlafen. Ihr Schwänzchen war amputiert, an seiner statt besaß sie nur noch einen kleinen, rasierten Stummel. Ein komischer Anblick, aber ich war froh, dass alles gut geklappt hatte und Mogli wohlauf war.
Da Mogli am Morgen vor der OP nichts fressen durfte, hatte sie jetzt einen Bärenhunger. Ich wusste zwar, dass es nicht gut war, sie so kurz nach der Narkose zu füttern. Aber Katzen können unglaublich überzeugend sein – und so bekam sie zumindest ein bisschen. Dass das Futter postwendend auf dem Küchenboden landete, belehrte mich alsbald eines Besseren.
In den nächsten Wochen mussten wir noch ein paarmal zum Tierarzt. Mogli brauchte noch zwei Spritzen gegen Katzenschnupfen und zwei gegen Tollwut, einen Bluttest und außerdem wollte ich sie kastrieren lassen. Diese Entscheidung stand von Anfang an fest. Obwohl es mir leidtat, dass sie sich einer weiteren Operation unterziehen musste, überwogen doch ganz klar die Vorteile. Sie würde nicht rollig werden und auf der Suche nach einem Partner nächtelang verschwinden, das Infektionsrisiko würde enorm sinken und sie würde auch nicht zweimal im Jahr Babys bekommen.
Reisebereit? Manchmal fragte ich mich schon, ob Mogli das schaffen würde.
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Mogli wurde Tag für Tag stärker und zuversichtlicher und es erfüllte mich mit Freude, zu sehen, wie dieses kleine, ursprünglich dem Tode geweihte Wesen aufblühte und die Welt entdeckte. Ich begann mit ihr an unserer Kommunikation zu arbeiten, denn dies würde später enorm wichtig sein. Das Erste, was ich ihr beibrachte, war ein bestimmter Ruf für Leckerlis: Ich presse meine Lippen aneinander und sauge Luft an. Ich mache dieses Geräusch nur, wenn ich auch wirklich ein Leckerli für Mogli habe. Es ist bis heute ihr Lieblingsgeräusch und funktioniert fast immer. Sie versteht aber auch, wenn ich ein anderes Geräusch mache und mit dem Finger auf etwas zeige. Das heißt dann, dass es da etwas zum Jagen oder Spielen gibt. Außerdem rufe ich sie nur, wenn ich auch wirklich will, dass sie zu mir kommt. Sonst würde sie nie wissen, wann ich es ernst meine.
Eine weitere Sache, die ich Mogli beibringen musste, war, zu akzeptieren, wenn ich ihr etwas verbot. Katzen sind unglaubliche Sturköpfe und geben erst nach, wenn sie sehen, dass man selbst noch sturer ist als sie. Es war das wohl erste Mal, dass mir meine eigene Beharrlichkeit in die Hände spielte – Mogli hatte gegen mich keine Chance. Ich war immer konsequent mit ihr und habe sie die Regeln, die ich aufstellte – etwa dass sie nicht auf den Küchentisch springen darf –, nie brechen lassen und diese auch nie geändert. Relativ schnell verstand sie es so, wenn ich ihr etwas verbot, und mittlerweile ist es unglaublich, was für ein gutes Benehmen sie an den Tag legt. Es ist einer wahren Prinzessin würdig.
Da ich Mogli von Anfang an immer wieder an die Leine nahm, hatte sie mit dieser kein Problem. Das hieß aber nicht, dass sie wie ein Hund neben mir herlief. Das tut sie bis heute nicht. Katzen sind sehr defensive und strategische Tiere. Offen und schutzlos auf einem Weg zu laufen, den sie vielleicht noch nicht einmal kennen, würden die meisten unserer Samtpfoten wohl nie machen. Wenn wir irgendwohin wollten, saß Mogli daher normalerweise auf meiner Schulter, manchmal machte sie es sich auch in meiner Kapuze gemütlich. Anfangs habe ich versucht, sie in eine offene Tasche zu stecken, damit ich sie einfacher transportieren und im Zweifelsfall auch vor Regen schützen könnte. Doch daran wollte sie sich nie gewöhnen und kletterte immer wieder zurück auf meine Schulter.
Um zu lernen, wie sie reagiert, und um sie besser auf das Reisen vorzubereiten, versuchte ich, sie so oft wie möglich an verschiedene Orte mitzunehmen. Jeden Abend gingen wir zur Mangfall und am Wochenende oder im Sommer fuhren wir ein paar Kilometer mit dem Fahrrad zum See, wo sie im Gebüsch spielte, während ich badete. Wir gingen zelten, fuhren manchmal zu Freunden in die Stadt oder in den Biergarten und fast jeden Sonntag nahm ich sie mit zu meiner Mum. Zweimal durfte sie mich sogar zur Arbeit begleiten. Selbst das Einkaufen übten wir – es verlief erstaunlicherweise problemlos. Sie streckte nur ihre kleine rosafarbene Nase in Luft und wurde einmal ein wenig unruhig, als wir an dem Regal mit dem Katzenfutter vorbeiliefen. Die Mitarbeiter waren entweder zu perplex, dass eine Katze auf meiner Schulter saß, oder es hat sie nicht gestört.
Langsam wurde es für mich und Mogli ernst. Nachdem sie mittlerweile ihre Tollwutimpfung bekommen hatte, war es Zeit für einen Bluttest, der bestätigen sollte, dass sie genügend Antikörper gebildet hatte. Außerdem stand ihre Kastration an.
Ich selbst hatte auch einiges zu tun, denn ich musste mich um die Dokumente für mein Motorrad und mein Visum für den Iran kümmern. Österreich, Slowenien, Kroatien und Griechenland gehörten zur EU. Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Albanien und Mazedonien konnte man als EU-Bürger uneingeschränkt bereisen. Und für die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate würde ich bei der Ankunft automatisch ein dreimonatiges Visum bekommen. Mogli hatte es da ein bisschen einfacher. Die kontinentalen Länder verlangen meist nur eine Impfung gegen Tollwut, manchmal auch noch eine gegen Katzenschnupfen. Die Impfungen mussten