Einmal mit der Katze um die halbe Welt. Martin Klauka
identifizierbar sein. Sie über die Grenzen zu bringen sollte also kein Problem sein.
Mogli hatte die Kastration gut überstanden und flitzte Tage später schon wieder durch meine Wohnung, als wäre nie etwas gewesen. Auch der Bluttest vom Labor kam zurück, und sie bekam ihren Heimtierausweis. Jetzt durfte sie endlich offiziell auf Reisen gehen und wir mussten auch nur noch zweimal zum Tierarzt: einmal zum Fädenziehen und ein weiteres Mal zur Nachkontrolle. Dann hatten wir es endlich geschafft.
»Katzen und Motorräder passen ja eigentlich nicht zusammen. Aber Prinzessinnen und Königinnen eben doch.«
EUROPA
Mein Leben lang hatte ich mich nach dem großen Abenteuer gesehnt und nun war wirklich der Moment gekommen, an dem es beginnen sollte. Ich konnte es noch immer nicht fassen. Ich wusste, dass ich meine Familie und Freunde für eine Weile nicht zu Gesicht bekommen würde, und fing schon jetzt an sie zu vermissen. Aber war ich mit Mogli an meiner Seite nicht überall daheim?
VON ROSENHEIM NACH GRIECHENLAND
Am 24. August 2017 war es endlich so weit: Ich umarmte meine Mum ein vorerst letztes Mal, setzte meinen Helm auf und startete mein Motorrad, dessen Tacho mittlerweile 31 123 Kilometer anzeigte, und wagte tatsächlich den ersten Schritt in ein neues Leben. Unser erstes großes Ziel: Dubai.
Während Mogli sich wie sonst auch im Tankrucksack einrollte und es sich gemütlich machte, freute ich mich, dass neben mir noch ein weiteres Motorrad ansprang: Tino, einer meiner besten Freunde, hatte es sich nicht nehmen lassen, uns am schwierigsten Tag unserer Reise zu begleiten: dem ersten.
Als wir das Ortsschild von Rosenheim passierten, überkam mich ein überwältigendes Gefühl von Freiheit und Abenteuer, Neugier und Vorfreude. Trotzdem: Die nächsten dreieinhalb Monate würden Mogli und ich auf der Straße verbringen – und was wir dabei erleben oder wie es danach weitergehen würde, wusste ich noch nicht. Ich hatte genug gespart, um es bis nach Dubai zu schaffen. Um von dort aus noch weiter- oder zurück nach Hause zu fahren, würde das Geld jedoch nicht reichen. Dazu müsste ich dort vorübergehend eine Arbeit finden. Doch darüber wollte ich jetzt erst einmal nicht nachdenken. Es würde sich schon alles fügen.
Ein paar Kilometer später, als wir auf traumhaften Alpenpässen der untergehenden Sonne davonfuhren, der Motor unter mir schnurrte und mir der warme Sommerwind um die Nase wehte, stellte ich mir vor, dass alles nur ein Traum war und wir tatsächlich nur auf einem Wochenendausflug wären. Ich dachte daran, wie es wäre, am Montag wieder in die Arbeit zu gehen, wieder jeden Tag dasselbe zu machen und weiter davon zu träumen, diesem ewigen Kreislauf eines Tages zu entkommen … Plötzlich fehlte jede Spur von meinen Zweifeln und Bedenken. Ich war wieder euphorisch und strotzte nur so vor Energie. Es war die richtige Entscheidung! Und eine emotionale Achterbahn.
Nach 170 Kilometern und mit dem letzten verbleibenden Tageslicht bogen wir in einem österreichischen Dorf in eine kleine Seitenstraße ab und fragten eine junge Frau, ob es irgendwo eine Möglichkeit gebe, unser Zelt für eine Nacht kostenlos aufzuschlagen. Ihre Tochter strahlte, als sie Mogli sah, die gemerkt hatte, dass wir stehen geblieben waren, und neugierig ihr Köpfchen aus dem Tankrucksack streckte. Die Mutter war nicht weniger überrascht und deutete auf ein Haus in der Nähe. Tatsächlich durften wir dort übernachten. Die erste Hürde war genommen.
Mogli fing sofort an, die Scheune und den angrenzenden Wald zu erkunden, während Tino und ich uns daranmachten, unsere Zelte aufzustellen und uns etwas zu »kochen«. Es gab Kartoffeleintopf und Bohnen aus der Dose. Noch während wir unser Camp aufbauten, hatte sich der Himmel zugezogen und es war schlagartig windig geworden. Als wir gerade mit allem fertig waren und müde, aber glücklich im Zelt saßen, ging es richtig los: Dicke Regentropfen prasselten herab und prallten lautstark an der Zeltplane ab. Wahnsinnsblitze ließen alle paar Sekunden alles um uns herum taghell erstrahlen – und der kurz darauffolgende laute, grollende Donner verriet uns, dass sie nicht weit von uns entfernt einschlugen. Es war ein mächtiges Schauspiel der Natur und es fühlte sich an, als wollte uns das Universum gutes Gelingen wünschen. Von nun an würden wir jeden Tag Richtung Südosten fahren, und was uns dabei widerfahren sollte, würde in seinen Händen liegen.
Mogli, die ein paar Tropfen abbekommen hatte, bevor sie wie ein geölter Blitz ins Zelt gehuscht kam, rollte sich in den Tankrucksack und schlief ein – unbeeindruckt davon, dass draußen die Welt unterzugehen schien. Kurz darauf taten Tino und ich dasselbe.
DAS ERSTE MAL AUF MICH GESTELLT
Der nächste Morgen begrüßte uns wieder mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Wir bauten das Zelt ab und nach einem ausgiebigen Frühstück und einer herzlichen Umarmung fuhr Tino zurück nach Rosenheim. Mogli und ich dagegen machten uns auf Richtung Süden.
Wir durchquerten Österreich in einem Tag und auf Straßen, die mein Motorradfahrerherz höherschlagen ließen. Schon hier wurden wir das erste Mal zum Essen eingeladen.
Nach 268 Kilometern waren wir kurz vor Bovec in Slowenien. Ich war vor ein paar Jahren bereits dort gewesen und hoffte, im wunderschönen Soča-Tal einen geeigneten Platz zum Zelten zu finden. Zum Glück war das nicht schwierig und so schlug ich das Zelt auf einem versteckten Parkplatz auf. Es war ein schöner Platz, mitten im Wald, neben einem kleinen Fluss und während Mogli Mäusen nachstellte, plante ich die Route für den nächsten Tag, genoss die Ruhe und versank im klaren Sternenhimmel. Wenn wir weiter so schnell unterwegs wären, würden wir bereits in ein paar Wochen in Dubai ankommen, dachte ich – und ich fragte mich, wo und aus welchem Grunde wir auf der Strecke wohl hängen bleiben würden.
Nach dem Soča-Tal ging es erst auf Schotterstraßen durch die slowenischen Wälder und schließlich auf winzigen Gebirgsstraßen entlang steiler Schluchten, über Brücken und durch kleine Tunnel, die nicht viel mehr als Löcher im Berg waren, nach Kroatien.
Laurin, ein Kollege, den ich von einem meiner Nebenjobs kannte, war gerade in Pula, daher sollte diese Stadt mein nächstes Ziel sein. Kurz nach der Grenze hielt ich an. Ich musste Euro in kroatische Kuna tauschen und außerdem hatte ich Bärenhunger. Als ich meinen Döner aß, hörte ich auf einmal eine Stimme nach Mogli rufen. Erst dachte ich, ich hätte es mir eingebildet. Aber als ich ein zweites Mal »Mogli« vernahm, drehte ich mich doch um. Ein kleiner Junge kam herüber und begrüßte mich und Mogli aufgeregt. Für einen Augenblick war ich zu verdutzt, um ihn zu erkennen. Doch schnell stellte sich heraus, dass es der Bub war, der vor zwei Wochen mit seiner kleinen Schwester Mogli an der Mangfall gefüttert hatte. Seine Familie war gerade auf dem Rückweg aus dem Urlaub. Was für ein Zufall! Als die Eltern von unserer Reise erfuhren, wünschten sie mir gutes Gelingen und schenkten mir ihre restlichen 180 Kuna, etwa 25 Euro. Ich könnte es besser gebrauchen als sie, meinten sie.
Dankbar und satt setzten wir unsere Reise fort. Wir hatten die Alpen hinter uns gelassen und die kroatische Sonne brannte auf uns hinunter, als wir die istrische Halbinsel durchquerten. Zum Glück waren die Straßen schnell und so kamen wir noch im Tageslicht an. Ich belohnte mich mit einem kühlen Bier, während ich auf Laurin wartete. Mogli trank etwas Wasser und fing an, die Bar nach einer sicheren Stelle abzusuchen.
Es war ein herzliches Wiedersehen mit meinem Freund. Wir saßen eine Weile zusammen und entschieden uns dann, in einem alten jugoslawischen Militärgebiet direkt an der Adria zu zelten. Während Laurin und seine Freunde noch Vorräte kauften, wartete ich mit Mogli draußen, denn sie durfte nicht in den Laden. Zum Glück war ich dieses Mal nicht alleine. Ich fragte mich aber, wie ich in Zukunft mit diesem Problem umgehen sollte. Aber eins nach dem anderen: Jetzt mussten wir erst einmal den Zeltplatz finden.
Es war spät geworden und das dunkle Militärgelände, stiller Zeuge einer schwierigen Vergangenheit, wirkte zugleich unheilvoll und faszinierend. Laurin erzählte mir von seinem eigenen Findelkater Bagira und überlegte, ob er mit ihm wohl auch reisen könnte. Ich hatte Zweifel,