Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane. Pete Hackett
junge Mann auf dem nervös stampfenden Pferd nickte. Jeffords dünne schwarze Brauen schnellten hoch. „Wer ist Kelly?“
„Ein alter Freund meines Vaters“, antwortete Jess mürrisch. „Ein Bastard, der es im Spurenlesen mit jedem Apachen aufnimmt. Der ist imstande, eine Stecknadel im Heuhaufen zu finden, wenn man ihm genug Zeit dafür lässt. Wenn der Hundesohn mit unserem Alten reitet, wundert mich gar nichts.“
„Scheint, du kannst ihn nicht besonders leiden, wie?“
Jess rieb die Narbe an seiner Wange. „Das Ding da stammt von ihm. Er hat Larry und mich mal dabei erwischt, als wir Rinder von seinem Land treiben wollten, um sie auf eigene Rechnung in Silver City zu verschachern. Unser Alter hielt uns ja jahrelang knapp wie Kettenhunde. Da wollten wir unsere Kasse mit Kellys Longhorns aufstocken. Der Kerl erwischte uns, hielt uns seine Kugelspritze unter die Nase und zog mir die Peitsche über, als ich ihn angehen wollte. Nur um Dad zu schonen, verschwieg er die Angelegenheit. Aber seit damals steht er auf meiner Abschussliste.“
„Na, dann wird die Rechnung ja bald fällig“, lachte der hünenhafte Redbull rau. „Wir werden den Kuhtreibern ‘nen feinen Hinterhalt legen und ihnen die Lust auf Menschenjagd ein für allemal verleiden. Nicht wahr, Ringo?“
„Kommt nicht in Frage!“, brummte Jess. „Wir haben euch zwar McDunn und seine Gefährten ans Messer geliefert, aber Will ist von unserer Sorte! Und der Alte? Soll er meinetwegen mit der Ranch pleite machen, aber an seinem Tod will ich nicht schuld sein.“
„Skrupel?“, lachte Redbull. „Das ist ja ganz was Neues an dir, Jess.“
„Hör auf mit dem Quatsch! Ich meine, wir haben doch alles, was wir wollten. Mit vierzigtausend Dollar in der Tasche sollten wir keinen Kampf riskieren. Es genügt, wenn Chad Kelly auf die Nase fällt. Ohne ihn sind die anderen aufgeschmissen. Sie werden spätestens an der Grenze aufgeben.“
„Na schön, ich bin nicht scharf darauf, zu guter Letzt noch ‘ne Kugel einzufangen, wo mir doch ein Anteil an den Vierzigtausend schon sicher ist. Bleib du meinetwegen zurück und leg Kelly um, wenn du so sicher bist, dass das genügt.“
Jess grinste breit. Seine tiefliegenden Augen glühten. „Warum gerade ich? Es geht darum, unsere Beute in Sicherheit zu bringen und nicht um meine alte Rechnung mit diesem Bastard Kelly. Ich hol nicht gern für andere die Kastanien aus dem Feuer. Warum suchst du dir nicht irgendwo ‘n hübsches Plätzchen aus und knallst Kelly eine vor den Latz, wenn er angeritten kommt. Als Scout ist er der Truppe doch sicher immer ein Stück voraus, also kein Problem für dich, Redbull, alter Junge, oder?“
Der rothaarige Hüne antwortete mit einer Verwünschung. Jefford winkte ungeduldig ab. „So verlieren wir nur Zeit. Jess hat recht, ein Hinterhalt bringt uns nichts ein. Es genügt, wenn dieser Kelly in der Hölle landet. Zwei von uns bleiben zurück und besorgen das. Wir losen sie aus.“ Er zog ein Päckchen abgegriffener Spielkarten aus der Jackentasche. „Wer die beiden ersten Asse erwischt, der ist dran. Schätze, das ist fair.“
„Kommt drauf an, wie gut Kelly mit dem Colt ist“, grinste Smiley.
„Gegen eine gut gezielte Kugel von einem Felsen ist kein Kraut gewachsen“, erklärte Jefford achselzuckend. „Da ist kein großes Risiko dabei. Los, stellt euch im Halbkreis auf, damit jeder seine Karte bekommt.“
Als die Halunken richtig standen, teilte Jefford mit unheimlich flinken Fingern die Karten aus. Jeweils eine fiel zielsicher vor die Stiefelspitzen der reglosen Männer. Hooker rieb sich unbehaglich das bärtige Kinn. „Und was ist mit dir, Ringo? Warum nimmst du keine?“
Jefford hielt einen Moment inne. „Wer führt hier die Crew? Du oder ich? Ich bleibe und passe auf das Geld auf, bis es Zeit zum Teilen ist. Wenn dir daran was nicht gefällt, dann sag‘s nur.“
Smiley kicherte, und Hooker schwieg mit düsterer Miene. Ausgerechnet vor ihm landete gleich darauf das erste Ass. Hooker zuckte zusammen, starrte Jefford wild an, und seine derbe, bärtige Miene verriet nur zu deutlich seinen Verdacht. Lächelnd erwiderte der Bandenboss seinen Blick. Ein Lächeln wie das Zähnefletschen eines Tigers. Hooker sagte kein Wort, und die Karten wirbelten weiter aus Jeffords nerviger Hand. Der zweite Mann, den das Los traf, war einer der beiden Ortiz-Brüder. Juan hieß er, ein hagerer, gelbgesichtiger Mexikaner mit Sichelbart und fettigem Haar.
„Das wär‘s“, meinte Jefford ruhig und hob die Karten wieder auf. „Ihr kommt nach, wenn Kelly tot ist. Wir treffen uns jenseits der Grenze im Galgenbaum-Canyon. Noch welche Fragen? Nein? Dann in die Sättel mit euch, Compadres. Reitet auf unserer Spur zurück und sorgt dafür, dass wir von Oldman Bancroft und seinen Leuten nichts mehr hören und sehen.“
Fluchend stiefelte Hooker zu seinem Gaul. Juan Ortiz zögerte. „Ich bin dafür, dass wir gleich jetzt teilen und nicht erst auf der anderen Seite der Grenze!“, stieß er schließlich kratzig hervor.
Jeffords Lächeln war viel zu glatt und freundlich, um echt zu sein. „Wieso denn das? Traust du uns nicht, Amigo? Das ist aber gar nicht nett von dir.“
„Ich meine nur … ich denke …“
„Du sollst nicht denken, sondern Kelly eine Kugel durch den Kopf schießen. Du bekommst dein Geld schon noch zur rechten Zeit. Schließlich reitet dein Bruder Pablo mit uns weiter. Der wird schon auf deinen Anteil aufpassen.“
„Sei unbesorgt, Bruder“, murmelte der zweite Ortiz beschwichtigend. Er war genau so hager und gelbgesichtig wie Juan, trug aber keinen Schnurrbart.
Juan setzte sich jedoch erst in Bewegung, als Jeffords Hand wie zufällig die Perlmuttschalen seines tief geschnallten Revolvers streifte. Hooker saß bereits im Sattel. Missmutig blickte er Jess Bancroft an. „Wir brauchen Kellys Beschreibung. Ich möchte nicht gern mein Blei an den falschen Mann verpulvern.“
Jess lieferte ihm eine knappe, genaue Schilderung. Hooker nickte brummig, zog seinen grobknochigen Gaul herum und jagte um die Felsecke. Ortiz warf seinem Bruder Pablo noch einen beschwörenden Blick zu, ehe er ihm nachritt. Jefford wartete, bis das Hufgetrappel nur noch wie ein ferner Trommelwirbel zu hören war. Es war, als würde eine Maske von seinem ausdruckslosen Gesicht gezogen. Ein teuflisches Lächeln dehnte seine Lippen.
„Die sehen wir nicht wieder, genauso wenig wie diesen Spürhund Kelly. Ein paar Tausender mehr werden hoffentlich jedem von euch willkommen sein. Was ist, Pablo? Ist dir nicht gut, Amigo? Warum starrst du mich so an?“
Juans Bruder schluckte trocken. Sein flackernder Blick streifte über die unbewegten Gesichter der anderen Banditen. Smileys scheinbares Grinsen wirkte entnervend. Der Mexikaner keuchte: „Das ist nicht dein Ernst, Ringo. Du hast versprochen, im Galgenbaum-Canyon auf sie zu warten.“
„So? Habe ich das? Dann hab ich es mir eben mittlerweile anders überlegt, Amigo. Wir reiten nicht zum Galgenbaum-Canyon, sondern schnurgerade weiter nach Süden, Richtung Corralitos. Was dagegen?“
Pablos Stirn überzog sich mit einer öligen Schweißschicht. „Aber Juan, das Geld …“
„Meinetwegen reite alleine los und warte im Galgenbaum-Canyon auf ihn“, sagte Jefford mit plötzlicher Schärfe. „Aber der Zaster bleibt hier. Frag die Jungs, ob sie es anders wollen.“
Caddo, das Halbblut, hatte einen rasiermesserscharfen Dolch gezogen. Der dunkelhäutige, indianisch aussehende Mann prüfte grinsend die Schneide mit der Daumenkuppe. „Ich finde Ringos Idee prächtig. Ja, ich finde sogar, dass unsere Bande für vierzigtausend Bucks noch immer ein bisschen zu groß ist, zumindest um noch einen Mann. Ringo, was meinst du?“
Lächelnd zog der Bandenboss die Hand von der Waffe und verschränkte lässig die Arme vor der Brust. „Es ist eure Entscheidung, Jungs. Ich beanspruche für mich zehntausend Dollar. Ich denke, der Rest lässt sich besser durch fünf, als durch sechs teilen.“
„Genau so dachte ich es mir“, nickte der Halbindianer und ging langsam auf Ortiz zu. Gleichzeitig setzten sich Smiley und Redbull in Bewegung. Jess und Larry Bancroft tauschten einen Blick, zuckten die Achseln