Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
arbeiten und gleichzeitig unter Bewährungsaufsicht zu stehen, ist meiner Ansicht nach einfach zu groß. Ein wirklicher Profi würde warten, bis die Zeit um ist. Bleiben insgesamt 15 Personen. Wir haben versucht, deren Aufenthaltsorte zu bestimmen. Sechs dieser Personen sind seit Jahren spurlos verschwunden, bei dem Rest sind wir auf Angaben wie Telefonnummer, Adresse oder Sozialversicherungsnummer und Führerschein gestoßen, müssen aber die Daten noch überprüfen. Von den sechs spurlos Verschwundenen ist einer möglicherweise in Mexiko verstorben. Das müssen wir noch genauer überprüfen und eine Namensgleichheit ausschließen. Die Anderen könnten untergetaucht sein und sind damit Kandidaten, die in engere Wahl kommen.“
„Bleiben also noch fünf Namen“, stellte Mr McKee fest.
„Ja, wobei es natürlich sein kann, dass unser Killer einfach durch das Raster gerutscht ist, weil er entweder noch nie vorbestraft war oder wir schlicht und ergreifend die falschen Merkmale angelegt haben. Manchmal waren die Eingrenzungen schlicht willkürlich und beruhten auf Spekulationen. Zum Beispiel beim Alter! Wir gehen davon aus, dass der Täter mindestens dreißig Jahre alt sein muss, da die erste Tat, die mit dem Road Killer in Verbindung gebracht wird, zwölf Jahre zurückliegt und wir es für sehr unwahrscheinlich halten, dass dieser Mord von einem Minderjährigen begangen wurde. Angenommen, die Zuordnung dieser Tat zum Road Killer ist falsch, dann könnte der Täter natürlich auch jünger sein.“
„Gibt es irgendeinen unter den Verdächtigen, der Verbindung zur Philadelphia-Connection hatte?“, fragte Clive.
Max schüttelte den Kopf. „Wir hatten jemanden, auf den das zutraf, aber der sitzt zurzeit eine langjährige Gefängnisstrafe ab.“
Max Carter aktivierte sein Laptop und schaltete den Beamer ein. Das Gesicht eines jungen Mannes erschien an der Wand. Er hatte dunkles Haar, weiche Gesichtszüge und war offensichtlich nach einer Verhaftung fotografiert worden.
„Das ist Mickey Ariano – oder besser gesagt: Das war er vor zwölf Jahren. Er wurde wegen Körperverletzung verhaftet und ist der einzige unter den Verdächtigen, der eine Verbindung zu unserem Fall hat – wenn auch eine lockere. Ariano war eine Zeitlang Türsteher im Latin Pop, das damals noch ‚La Mariposa’ hieß und Murray Zarranoga gehörte.“
„Glaubst du, der jetzige Besitzer Wayne Estevez könnte etwas über Ariano wissen?“, fragte ich.
„Estevez war damals Geschäftsführer, bevor der Club einen anderen Namen bekam und Zarranoga ihn als Strohmann einsetzte“, mischte sich nun Nat Norton, unser Experte für Betriebswirtschaft ein, der natürlich die Geschäfte der Zarranogas ganz genau unter die Lupe genommen hatte.
Mr McKee wandte sich an Milo und mich. „Ich schlage vor, Sie beide unterhalten sich noch mal mit Estevez. Vielleicht kommt dabei ja etwas heraus, was uns weiterbringt.“
„Ja, Sir“, sagte ich.
„Außerdem werden alle, die an den Treffen in Dr. Donovans Praxis teilgenommen haben und noch leben offiziell darüber informiert, dass ihr Leben in Gefahr sein könnte, falls unsere Vermutung stimmt und der Road Killer eine Todesliste abarbeitet“, fuhr unser Chef fort.
„Vielleicht besinnt sich ja einer von denen noch und packt aus!“, äußerte sich Jay Kronburg recht optimistisch.
„Die überlebenden Teilnehmer der Treffen bei Donovan werden außerdem rund um die Uhr beschattet. Wir müssen schließlich damit rechnen, dass der Road Killer wieder zuschlägt“, entschied Mr McKee.
„Was ist mit diesem Reigate?“, erkundigte sich Orry.
„Ich habe ihn überprüft“, erklärte Nat Norton. „Geschäftlich gesehen ist dieser Mann vielleicht etwas rabiat im Umgang mit den Mitarbeitern der von ihm aufgekauften Firmen und wird von den Gewerkschaften als Jobkiller gefürchtet – aber er ist absolut sauber. Ich habe bei ihm wirklich das Unterste zu oberst gekehrt. Da gibt es keine dubiosen Finanzkanäle und noch nicht einmal Ärger mit den Kollegen der Steuerfahndung, mit denen ich mich natürlich auch kurz geschlossen habe.“
„Der Mann scheint wirklich nur ein Faible für Tatorte zu haben“, meinte Clive.
„Max, ihr würdet mir einen großen Gefallen tun, wenn ihr bei dem Kerl noch mal nachgraben könntet!“, wandte sich Orry nun an Max Carter.
„Orry! Wir stecken bis über beide Ohren in Arbeit und es besteht kein Anlass dazu, weitere Ermittlungen über Reigate anzustellen!“
„Max hat Recht“, räumte Mr McKee ein. „Es sei denn, Sie könnten uns noch irgendeinen konkreten Anhaltspunkt dafür liefern, dass dieser Reigate in die Sache verwickelt ist.“
Orry seufzte und schüttelte den Kopf.
„Leider nein“, gestand er.
29
Milo und ich fuhren zum Latin Pop. Als wir ankamen, war es gerade Mittag. Es war niemand dort. Die Privatadresse von Wayne Estevez lag zwei Blocks weiter. Er war etwas erstaunt, als wir vor seiner Tür standen.
„Sie schon wieder?“
„Wir haben noch ein paar Fragen an Sie. Können wir hereinkommen?“, fragte ich.
„Kommen Sie! Mein Club ist sauber, ich bin sauber und es gibt nichts, was ich zu verbergen hätte! Also kommen Sie herein!“
Estevez trug einen Froteenmantel und war offensichtlich gerade erst aufgestanden. Er führte uns in ein Wohnzimmer, das allein schon größer war die meisten New Yorker Wohnungen. Ein Dachgarten schloss sich an die Fensterfront an. Man hatte einen hervorragenden Ausblick über die Umgebung.
„Ich arbeite bis in den frühen Morgen und deswegen stehe ich spät auf“, sagte er. „Also wundern Sie sich nicht über meinen Aufzug.“
„Das ist schon in Ordnung“, sagte Milo.
„Und was den Mord an Murray Zarranoga angeht, so kann ich Ihnen dazu wirklich nichts sagen. Ich habe keine Ahnung, wer ihn umgenietet hat. Wie ich jetzt erfahren habe, war er viel schwerer krebskrank, als wir alle wussten. Welchen Sinn macht es, jemanden zu töten, der ohnehin nur noch kurze Zeit zu leben hat? Können Sie mir das mal sagen?“
„Wir nehmen an, dass der Mörder nichts davon wusste“, antwortete Milo.
Sein Blick glitt zwischen Milo und mir hin und her. Eine Falte erschien auf seiner Stirn. „Schießen Sie schon los, was sind das für Fragen, von denen Sie glauben, dass ich sie beantworten könnte!“
„Es geht um einen Mann namens Mickey Ariano“, eröffnete ich. „Er hat im Latin Pop gearbeitet, als er noch Murray Zarranoga gehörte und Sie sein Geschäftsführer waren.“ Ich holte zwei Bilder aus der Innentasche meines Jacketts.
Das eine zeigte Ariano bei seiner letzten Verhaftung. Das andere war eine Abbildung, auf der er virtuell gealtert war, sodass sie vermutlich seiner heutigen Erscheinung entsprach.
Ich zeigte Estevez die Bilder. Er nahm sie an sich und betrachtete sie eingehend.
„Ach Biker-Mickey!“, entfuhr es ihm. „Ich wusste nicht mehr, dass er Ariano mit Nachnamen hieß. Ich habe ihn damals als Türsteher angestellt. War ein cleverer Bursche, wollte sich aber nie wirklich krumm legen. Wenn man ihn mal gefragt hat, ob er nicht auch ein paar Getränkekisten tragen könnte, war das immer unter seiner Würde. ‚Lieber einen dicken Bauch vom Saufen als einen krummen Rücken vom Arbeiten’ – das war sein Spruch, daran erinnere ich mich noch. Wir haben uns später irgendwie aus den Augen verloren.“ Er gab mir die Fotos zurück. „Warum fragen Sie nach ihm?“
„Wir nehmen an, dass er sich heute unter der Bezeichnung Road Killer als Hitman verdingt und für den Tod von Murray Zarranoga, Tom Santini und Jason Carlos verantwortlich ist.“
Estevez wurde blass.
„Eine illustre Opferliste, nicht war?“, mischte sich Milo ein. „Aber ich denke, Sie werden längst davon gehört haben, dass jemand unterwegs ist, um den Heroin-Markt