Fixin. Rayton Martin Villa
Bedingungen im Ozean starb ihre Alge sofort ab, da sie auf dieser alten, nicht giftresistenten Art basierte.
Auch der gestern gestartete Test war wieder so verlaufen, obwohl sie von den Rechnern einen besonders aufwendigen Genabschnitt für ihre Alge hatten berechnen lassen.
Der erneute Fehlschlag zeigte klar, dass alle ihre bisherigen Überlegungen und verwendeten Algorithmen einen grundsätzlichen Fehler hatten, was bedeutete, dass sie etwas völlig Neues ausprobieren mussten, um in dieser Frage weiterzukommen. Ihre bisherigen Vorstellungen waren offensichtlich noch viel zu eingeschränkt und sie benötigten dringend ganz neue Ideen. In ihren Diskussionen, wie dies zu erreichen sei, waren sie zu dem Schluss gekommen, dass es nur noch eine einzige Möglichkeit gab, um die nötige Inspiration zu erlangen. Sie mussten sich außerhalb der Labore auf die Suche danach machen, um das Problem der Giftresistenz lösen zu können.
Um dazu schnell eine Expedition auszurüsten, flogen sie heute zurück nach Byrd Island.
Der Shuttle hielt tief unten im Berg direkt auf Höhe des unterirdischen Flughafens an. Jia warf ihre langen, fast schwarzen Haare in den Nacken, schnappte sich ihren Backpack und stieg aus. Hier unten war es deutlich kühler als oben. Sie fröstelte, zog den Verschluss ihrer Jacke zu und warf einen Blick auf die Flugdaten, die im unteren Informationsbereich ihrer Eyefoil angezeigt wurden. Sie nickte kurz, als ob sie sich selbst bestätigen wollte, dass alles planmäßig ablaufen würde und sie rechtzeitig vor Ort war. Als frühest mögliche Startzeit wurde immer noch 8: 25 Uhr angegeben. Wegen der Stürme konnte es beim Start leicht zu Verspätungen von einer Stunde kommen.
Das Ziel des Hypersonics war New Urumqi, die Hauptstadt des Staates Antarktika. Sie lag auf der Erde fast genau gegenüber von ihrem jetzigen Aufenthaltsort Svalbard, knapp 1.400 Kilometer vom Südpol entfernt. Jia war von der Distanz, die sie bei diesen Flügen zurücklegten und dem Wechsel des Sonnenverlaufs zwischen Nord- und Südhalbkugel immer wieder fasziniert.
Als sie die Shuttelstation am Hyperport verließ, sah sie vor dem angrenzenden Terminal schon viele Mitreisende warten. Auch Gaia war bereits da. Jia sah sie in ihrer Eyefoil von einer transparenten hellblauen Sphäre umgeben, wie das bei allen Kontaktpersonen und Zielen der Fall war. Ohne diese Markierung wäre Gaia in der Menge der anderen Passagiere kaum aufgefallen, da sie von mittlerer Größe war und wie die meisten dunkelbraune Haaren hatte, die sie wie diese auch nackenlang trug.
Jia ging auf sie zu, vorbei an den anderen Mitreisenden, unter denen auch einige bekannte Gesichter zu sehen waren.
Gaia war vorsichtshalber mit einem früheren Shuttle gefahren und kam zudem direkt vom Labor, wo sie bis spät in die Nacht gearbeitet und sogar übernachtet hatte.
»Hi!«, rief Jia gespielt fröhlich, als sie nur noch wenige Meter von Gaia entfernt war und diese auch gerade aufschaute, weil sie soeben in ihrer Eyefoil einen Hinweis bekommen hatte, dass sich Jia näherte.
Obwohl sie beide ihre Eyefoils trugen, sahen Jia und Gaia voneinander jeweils das gesamte Gesicht einschließlich Live-Mimik. Die Eyefoils selbst waren für sie unsichtbar. Das lag daran, dass sie sich gegenseitig für den Privat-Modus autorisiert hatten, in dem die Innenseite der Eyefoils den von ihr verdeckten Teil des Gesichts scannte und diese Bilddaten auf der Außenseite wiedergaben, anstelle der bunt schillernden Oberfläche.
»Auch Hi!«.
Gaia strahlte, obwohl sie vollkommen übermüdet war, und streckte die Hände nach Jia aus. Beide lagen sich für mehrere Sekunden in den Armen. Obwohl sie sich fast täglich im Institut sahen, war ihre gegenseitige Begrüßung heute besonders intensiv.
»Reisefieber?«, fragte Jia, und dachte daran, dass sie beide zu vollkommenem Stillschweigen zu der jetzt eingetretenen lebensbedrohenden Situation des Aeorsol-Rückgangs verpflichtet worden waren, um Panik in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Nicht einmal die anderen Nature-Scientists hier in Svalbard durften davon erfahren.
»Ja, ich bin wegen des Fluges wie immer total gestresst! Und außerdem todmüde. Kannst Du Dir ja denken!«
Jia schaute sie für einen Moment voller Mitleid an, zog dann die Augenbrauen hoch und fragte mit ihrem unglaublich selbstsicheren Lächeln
»Hast Du sie?«
Auch wenn das momentan ungelöste Problem gerade etwas an ihrer optimistischen Grundhaltung kratzte, so stachelte es gleichzeitig auch Jias Ehrgeiz an. Bisher hatte sie noch jedes Problem gelöst und das sollte auch so bleiben.
»Du meinst 'sie'?«
Gaia liebte es auf ungenaue Fragen ebenso zu antworten. Natürlich wusste sie, was Jia meinte, und dass sie in dieser bedrohlichen Situation auch nicht mehr sagen durfte. Jia nahm es gelassen, denn natürlich kannte sie die Marotte ihrer Freundin. Sie verdrehte die Augen gespielt hilfesuchend nach oben.
Gaia überlegte kurz.
»Ja klar hab' ich sie!«
Gaia hatte wie vereinbart eine Probe ihrer Algen vom Labor mitgenommen.
»Sie sind schon drin.«
Sie zeigte mit dem Zeigefinger an Jia vorbei.
»Ich bin schon seit einer Stunde da. Ich wollte sicherstellen, dass der Transport sicher funktioniert.«
»Gut! Dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Die Jungs können die Synths schon mal anwerfen.«
Damit meinte Jia ihren Lebenspartner Ray Donnellan und Mian Sorokin, mit dem Gaia schon lange eine Beziehung hatte. Sie waren außerdem alle auch sehr gut miteinander befreundet.
Parallel zur Forschungsarbeit von Jia und Gaia in Svalbard hatten die beiden im Labor auf Byrd Island die Synthesizer optimiert. Sie hatten diese biotechnischen Maschinen weiterentwickelt, die damit die technisch kaum mehr zu verbessernde, ultimative Generation darstellten im Vergleich zu den aktuellen Svalbard-Geräten.
Sie würden diese dringend benötigen, um identische Protoalgen wie in Svalbard erschaffen zu können, allerdings sehr viel schneller und in viel größeren Mengen.
Dass sie sich nach acht Wochen Aufenthalt auf Svalbard heute alle wieder persönlich wiedersehen würden, stellte den einzigen Lichtblick in der momentanen Lage dar.
Während dieser Zeit waren sie nur per Eyefoil, oder etwas realistischer als Hologramm, miteinander in Kontakt geblieben. Beides war jedoch eine sterile Form der Kommunikation.
Je länger die Trennung voneinander dauerte, desto fremder wurden sie sich alle, selbst wenn sie sich dreimal oder öfter am Tag sahen und miteinander sprachen. Dieser Avatareffekt war jetzt nach acht Wochen natürlich so stark wie nie zuvor.
Punkt acht Uhr wurde in den Eyefoils die Anzeige zum Boarding eingeblendet. Offenbar hatten sie heute Glück mit den Wetterbedingungen. Die dunkel getönten Scheiben des Gates hin zum zentralen Bereich des Hyperports bewegten sich langsam zur Seite. Im Gegensatz zum Wartebereich war dieser Bereich, in dem alle Fluggeräte geparkt wurden, taghell erleuchtet. Als sie hinausgingen war es fast, als ob sie ins Freie traten, denn die Halle erzeugte durch ihre Größe und die zweihundert Meter hohe, strukturlos weiß verkleidete kuppelförmige Decke ein ähnliches Gefühl der Weite. Allerdings war allen bewusst, dass sie sich hier in zweitausend Metern Tiefe unter dem Svalbarder Gebirgsmassiv befanden. Auch auf der Herfahrt im Tunnel wurde andauernd angezeigt, dass die Fahrt bergab ging.
Unter dieser riesigen Kuppel erstreckte sich jetzt vor ihnen die weite, kreisrunde Fläche des Hyperports. In ihren Eyefoils erschien sie weiß und hunderte verschiedenfarbige Linien und Flächen waren darauf zu sehen, die Flug- und Rollbahnen sowie Parkflächen markierten.
»Da, schau!« stieß Jia ihre Freundin an und deutete mit einer Kopfbewegung geradeaus.
Genau im Zentrum der Halle stand der Hypersonic. Er wirkte schon aus dieser Entfernung mit seiner schwarzblau metallisch glänzenden Außenhaut äußerst elegant. Wie sie beide wussten, handelte es sich um das mit Abstand schnellste Passagierflugzeug, das je gebaut wurde.
Während sie sich der Maschine näherten, schauten sie sich weiter um. Ganz am Rand der riesigen Fläche standen Servicefahrzeuge und verschiedene