Fixin. Rayton Martin Villa
denn sie flogen meistens nicht sehr hoch und auch fast ohne Erschütterungen. Für die lange Strecke nach Antarktika wurden sie aber nicht eingesetzt, denn gegen die gewaltigen Wirbelstürme über dem Atlantik und Pazifik konnten sie nicht ankommen. Die Hypersonics hingegen flogen in so großen Höhen, dass sie das sich in den Atmosphäreschichten darunter abspielende Wettergeschehen überfliegen konnten.
Die Passagiere wurden durch Barrieren ans hintere Ende der Maschine geleitet. Je näher sie kamen, desto klarer wurden deren gewaltige Dimensionen. Der Rumpf erstreckte sich von der nadelförmigen Bugspitze über eine Länge von einhundertfünfzehn Metern bis zum fast ebenso spitz zulaufenden Heck, das erst weit hinter den Tragflächen endete. Dies war definitiv der größte und stromlinienförmigste Hypersonic, den sie sich vorstellen konnten. Seine fensterlose Außenhaut wies wegen der sehr hohen Temperaturen, die während des Hyperschallfluges durch Luftreibung auftraten, nicht die geringsten Unebenheiten auf. Auch waren keine Lackierung oder Schriftzüge vorhanden, denn beides wäre während des Fluges einfach weggebrannt.
Gaia war sehr gespannt, ob der Flug mit diesem Modell tatsächlich wie angekündigt viel angenehmer sein würde als bisher. Jia wusste, dass ihre Freundin das Rütteln und Tosen hasste, das vor allem in der Start- und Landephase auftrat und sie dabei jedesmal Todesangst hatte. Auch sie selbst bekam dabei gelegentlich ein mulmiges Gefühl.
»Hey, schau mal, ganz vorne! Die neuen Hyperwinglets. Das wird Dir gefallen!«
Aus der Spitze ragten vier ganz kleine Flügel diagonal wie ein 'x' heraus. Sie dienten zu feinsten Richtungskorrekturen und dem Ausgleich von Turbulenzen bis in den Hyperschallbereich. Angeblich wurde der Flug dadurch sehr viel angenehmer.
»Bin mal gespannt!«, antwortete Gaia. »Ich finde, es ist auch wirklich Zeit, dass es hier endlich einmal Fortschritte gibt.«, und stellte überrascht fest, dass sie es diesmal viel gelassener nahm. Bis jetzt hatte sie sich keine Gedanken dazu gemacht, aber der Flug war plötzlich im Vergleich zu den aktuellen Problemen nicht mehr ihre größte Sorge.
Der einzige Zugang ins Innere der Maschine befand sich aus Gründen der Aerodynamik und der hohen Temperaturen, die während des Fluges auftraten, ganz hinten im schon spitz zulaufenden Teil des Rumpfes, direkt unterhalb des Seitenleitwerks. Beim Blick nach oben wurden in ihren Eyefoils die Zahlen eingeblendet, welche die enormen Dimensionen veranschaulichten. Die Maschine war doppelt so hoch wie jene, mit denen sie bisher geflogen waren. Das Leitwerk direkt über ihnen reichte fünfzehn Meter in die Höhe. Auch alles andere an der Maschine besaß die doppelten Ausmaße. Der Kabinenabschnitt war fast über die gesamte Länge knapp zehn Meter breit, der Rumpf zu beiden Seiten stark abgeflacht. Er wurde dabei von der Nase bis hier zum hinteren Ende immer breiter und ging ganz flach in die deltaförmigen Tragflächen über. Zusammen mit den vier gewaltigen Triebwerken, die in deren Unterseite integriert waren, und der geringen Spannweite von nur fünfunddreißig Metern ließ das pfeilförmige Design der Maschine schon erahnen, dass sie tatsächlich eine Spitzengeschwindigkeit von acht Mach erreichen konnte, also achtfache Schallgeschwindigkeit.
Jia und Gaia betraten den Mover, der sie zusammen mit den anderen Passagieren hinauf in den Zugangsbereich in der oberen Hälfte des Hypersonics brachte. Im gesamten unteren Teil befanden sich neben dem Gepäckraum nur noch die riesigen Wasser- und Sauerstofftanks.
Der Zugangsbereich war abgesehen von den größeren Dimensionen genauso wie sie es gewohnt waren. Von dort aus ging es sowohl weiter nach vorne in die Passagierkabine, als auch nach hinten ins Cockpit, das sich wie bei allen Hypersonic-Modellen ganz am Ende des Rumpfes befand.
Die Cockpitbesatzung bestand aus zwei humanoiden Bots sowie zwei menschlichen Piloten. Sie waren nur aus psychologischen Gründen an Bord, denn eine manuelle Steuerung der Maschine war nicht möglich. Selbst bei einem Notfall würden die Hypersonics vollkommen selbstständig agieren. In den vierzig Jahren war es jedoch noch nie zu Problemen oder gar Unfällen mit Hyperschallflugzeugen gekommen.
Die vier standen jetzt am Kabineneingang und begrüßten die Passagiere. Während des Fluges, insbesondere bei Start und Landung, würden sie nur die Flugdaten beobachten.
Gaia und Jia nahmen auf ihren Sitzen in der zehnten Reihe links Platz. Da sie schon vor drei Tagen gebucht hatten, saßen sie direkt nebeneinander.
Aus technischen Gründen waren in diesem neuen Modell alle Sitze und Reihen im Abstand von einem Meter neben- als auch hintereinander angeordnet. Die riesige Kabine bot daher nur einhundertundzwanzig Passagieren auf dreißig Reihen zu je vier Sitzen Platz. Der freie Raum dazwischen war notwendig, um die Sitze für den Landeanflug entgegen der Flugrichtung drehen zu können, ohne dass sich die Passagiere dabei erheben mussten. Mit dieser neuen Technik wurden die physischen Belastungen durch die enormen Bremskräfte so klein wie möglich gehalten.
»Hey, nicht schlecht! Da haben sie ja ganz schön viel Luxus spendiert!«, fand Jia, als sie sich umschaute. Die Inneneinrichtung der Kabine war hochwertig in beige und hellgrau gehalten. Die Sitze bestanden aus Xitrea, einem intelligenten Material, dessen Eigenschaften an die persönlichen Vorlieben angepasst werden konnten, sodass es sich wie Leder oder beliebige Gewebearten wie Seide oder synthetische Materialen anfühlte, theoretisch sogar wie Metall, Stein oder Holz. Ebenso war die Form der Oberfläche sowie die Kontur des gesamten Sitzes veränderbar.
Gaia nickte.
»Ja, absolut! Schau mal! Der Service scheint auch gut zu sein.« Ihr waren gerade die sechs humanoiden Servicebots aufgefallen, die jetzt vor dem Start noch in den Kabinengängen geparkt waren, drei davon am vorderen Ende der Kabine, drei bei ihnen im mittleren Teil.
Beide checkten die für Eyefoils angebotenen Ansichten, über die der Blick nach draußen möglich war und entschieden sich spontan für die Normalansicht, die virtuelle Kabinenfenster zeigen würde, wenn sie sich in der Luft befanden. Momentan stand noch keine direkte Sicht nach draußen zur Verfügung.
Schon nach wenigen Minuten fing der Hypersonic an sich zu bewegen. Dies war jedoch nicht direkt zu spüren, sondern nur an den Bewegungsdaten und einer Animation mittleren Realitätsgrades zu erkennen, die in ihre Eyefoils eingeblendet wurde. Sie zeigte den Hypersonic in langsamer Fahrt auf einer durch grüne Linien markierten Rollbahn, die von der Hallenmitte geradewegs zum Rand führte, vorbei an einigen Technik- und Servicebots, die dort auf der Hyperportfläche beschäftigt waren..
»Wow, es ist nichts zu hören!« staunte Gaia.
Tatsächlich war nach wie vor nur das ganz leise Säuseln der Klimaanlage zu hören. Gespannt verfolgten beide, wie sich der Hypersonic geräuschlos dem neuen großen Starttunnel näherte, der offensichtlich speziell für Maschinen dieses neuen Typs im Felsmassiv neu angelegt worden war. Die beiden Hälften des riesigen Tunneltors bewegten sich soeben nach beiden Seiten entlang der Kuppelwand und gaben den Weg frei auf das schwarze, ellipsenförmige Loch dahinter. Der Hypersonic wartete noch einige Sekunden auf die Freigabe, dann fuhr er langsam hinein.
Kaum hatte sich das Tor hinter ihm wieder geschlossen, zündeten die vier Triebwerke. Das eigentlich unerträglich laute Brüllen war von den Passagieren nur als leises Zischen zu hören und kaum zu vergleichen mit den bisherigen Modellen. In der Halle bebte jedoch die Luft wegen der Luftauslässe im Tunneltor und der Hallenwand in einer Stärke, dass sich während des Startvorgangs eines Hypersonics niemand darin aufhalten durfte.
Die Maschine beschleunigte jetzt stark und schoss den steilen, innen nahtlos verkleideten Tunnel hinauf, der zum Plateau des Tafelbergs führte. Hier im Schutz des Berges konnte sie die zum Abheben und für eine stabile Fluglage notwendige Startgeschwindigkeit aufnehmen. Damit war sie gegen die häufig in der unteren Atmosphäre tobenden Stürme gewappnet. Dennoch waren bei den bisherigen Flügen die ersten dreißig Sekunden nach Verlassen des Tunnels fast jedesmal ziemlich turbulent gewesen.
Nach einer knappen Minute und einer Strecke von siebentausend Metern hatten sie den Tunnelausgang oben erreicht. Die virtuelle Live-Ansicht des Hypersonics schaltete sich jetzt ein und streamte die Bilddaten der Umgebung auf die Eyefoils.
Erst hier draußen wurde Jia und Gaia wieder bewusst, dass es immer noch Nacht war. Die riesigen, vierhundert Meter hohen Seitenwände links und rechts der Abflugschneise waren nur schwach gelblich beleuchtet. Sie hielten