4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018. Christoph-Maria Liegener

4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018 - Christoph-Maria Liegener


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Wer will schon in ein Diner gehen, das Eugene's heißt. Das klingt ja schon unappetitlich. Und dieser Name steht in riesigen Großbuchstaben auf dem Dach, die zu allem Übel nachts auch noch bis in die Wüste hinein scheinen. Während ich also diese hässlichen Buchstaben musterte und meine Zigarette heiß rauchte, gingen vier Leute unerwartet in das Diner. Zwei Frauen, zwei Männer. Ich rauchte meine Zigarette auf und ging hinterher.

      Als ich die Tür öffnete, ertönte die Glocke. Ein Typ mit dünnen Schnurrbart und einer dicken smaragdgrünen Schlange um den Hals schaute mich an, während er ein Kartendeck mischte. Ein verliebtes Paar, welches ihre Liebe freien Lauf ließ, schaute zu mir herüber, während die Frau kopfüber auf dem Tisch lag. Alle waren plötzlich so still. Sie durchlöcherten mich mit ihren Blicken. Dann gingen sie an mir mit musternden Blick vorbei und verließen das Diner.

      Es war dieser typische Fritteusen Geruch, der in dem Diner dominierte. Die vier Personen, die vor mir das Lokal betraten, saßen an zwei Tischen, ein Stück hinter dem Tresen. Sie versteckten ihre Köpfe hinter Zeitungen und tranken Kaffee, ohne ein Wort miteinander zusprechen. Hinter dem Tresen stand ein Junge mit schwarzen Haaren, weißen Schuhen, weißen Socken, weißer Hose, weißen Shirt, weißer Schürze, weißer Mütze und schwarzen Schnauzbart. Auf seiner Brust war der Name Gonzalo eingestickt. Dieser Junge ist komplett in chefweiß gekleidet. Ich ging auf ihn zu. Er fragte mich, ob ich das Tagesangebot wolle. Ich vergewisserte mich, ob er damit die Pancakes zum halben Preis meinte. Er nickte. Ich sagte ihm also, dass ich das Tagesangebot nehme, dazu noch Spiegelei und einen Kaffee. Ich setzte mich an den Tresen und schaute die vier Menschen an, die regungslos da saßen. Dann glitt mein Blick zu Gonzalo, den Typen, der den Laden hier anscheinend am Laufen hielt, obwohl er mit meiner Bestellung schon überfordert schien. Er rührte gerade den Teig für die Pancakes fertig, die Eier lagen schon auf dem Grill und mussten bald gewendet werden, während ich meinen Kaffee kostete und die Männer einfach still waren, als die Türglocke klingelte.

      Es waren zwei Polizisten, die durch ihre Sonnenbrillen den Laden musterten. Der eine zeigte auf Gonzalo und rief fragend: »Eugene?« - Gonzalo riss sich die Schürze und die Mütze vom Leib sprang über den Tresen und wollte zum Seiteneingang raus, doch die Polizei schnappte ihn. Gonzalo schrie, die Polizisten schwiegen. Sie legten ihm Handschellen an und zogen ihn einmal durch das Diner auf dem rot-weiß gekachelten Fußboden, durch die Tür, durch den Sand und warfen ihn in den Kofferraum. Ich hörte noch das dumpfe Klopfen aus dem Kofferraum durch die Glasscheibe, während ich am Tresen saß und dachte, warum das genau jetzt passieren müsse, wenn mein Spiegelei fast fertig ist. Ich ärgerte mich. Die vier Menschen in ihren karierten Anzügen hielten noch immer die Köpfe in die Zeitungen – ich glaube sie haben den Vorfall nicht mitbekommen.

      Ich schaute mich um, verzweifelt nach einem weiteren Mitarbeiter, der mein Spiegelei umdreht und die Pancakes auf den Grill wirft. Doch niemand weit und breit. Noch 45 Minuten hatte ich Zeit. Langsam musste es schnell gehen, sonst wird das nichts mehr. »Was soll's«, dachte ich, trank den letzten Schluck aus meiner Tasse und sprang über den Tresen, nahm den Pfannenwender, wollte gerade das Spiegelei drehen, doch dachte dann an die Spritzflecken. Ich ging in den Hinterraum und suchte nach einer Schürze. Eine Minute später kam ich komplett in chefweiß raus; Schuhe, Socken, Hose, Shirt, Schürze, Mütze. Ich drehte endlich mein Spiegelei um, schmiss die Pancakes auf die Grillplatte und goss mir einen weiteren Kaffee ein – er schmeckte unverständlich gut.

      Kurz bevor alles fertig war, ertönte erneut die Türglocke. Es waren zwei Jugendliche. Sie kamen an den Tresen. »Hallo Sir!« - Ich war überfordert. Sollte ich ihnen sagen, dass ich gar nicht hier arbeite? Mein Outfit sagte etwas anderes. »Ja Bitte?« - »Einmal Pancakes für mich« - »Und für Sie Mister?« - »Ich nehme das Spiegelei« - »Kaffee dazu?« - »Gerne«. Ich legte die zwei schon fertigen Gerichte auf die Teller und brachte sie ihnen. »Wow, das ging ja verdammt schnell!«, freute sich der eine. »Sie haben den Laden ja super am Laufen, he?«, sagte der andere. Ein Lächeln glitt über meine Lippen. Bevor ich überhaupt daran denken konnte, was ich jetzt mache, ob ich mir neue Pancakes zubereite oder einfach durch den Hintereingang verschwinde, kam eine größere Gruppe von Menschen herein. Alle bestellten etwas. Cola, Kaffee, Pancakes, Sandwiches, Spiegelei. Wie zum Teufel hat Gonzalo das alleine geschafft? Ich bereitete alles zu. Mit Leidenschaft. Konzentriert. Voller Freude. Es machte mir echt Spaß. Als ich fertig war, schaute ich auf die Uhr. Den Termin hatte ich um 30 Minuten verpasst. Aber egal, anscheinend hatte ich ja einen neuen Job. Eugene wird schon damit einverstanden sein, dachte ich, wenn er sieht wie ich den Laden florieren lasse.

      Ich arbeitete bis 11 PM, dann schloss ich den Laden zu. Der Schlüssel steckte noch als ich eine Stimme hörte. »Eugene?« - Es war die gleiche Stimme wie am Vormittag. Die gleichen Polizisten standen vor mir. Ich dachte an den Vorfall heute morgen, blickte nach links, blickte nach rechts und lief in die Wüste. Dass das Polizeiauto schneller war, steht außer Frage. Sie legten mir Handschellen an und schmissen mich in den Kofferraum. Einer von ihnen schlug mit seiner Pistole auf meinen Kopf – ich war bewusstlos.

      Ich wachte in einem dunklen Raum auf. Vereinzelte Lichtstrahlen schimmerten durch das kleine hohe Fenster. Gitterstäbe umgaben mich. Ich blickte durch die düstere Zelle und entdeckte lange, dünne Gesichter. Trauer und Angst steht darin geschrieben. Sie lagen kauernd in der Ecke, auf dem Boden und auf den Bänken. Alle gekleidet in chefweiß. Ein faltiger Mann kommt zu mir, streckt seine Hand aus und sagt: »Hallo, mein Name ist Eugene!«

       Sonja Crone

       Ein Gedicht

      Am Anfang A

      Aufsteigend

      Als Ast

      Dazwischen Worte

      Neue Worte

      Sprießend Gegen

      Mauergebein

      Am Ende Sinn-

      Bilder flatternd

      Wie Schmetterlinge

      Auf Drahtseilen.

       Ismail Kanay

       GENAUIGKEIT UND GERÜMPEL

      eines tages dann, das ende daheim

      endlich, von dem nagenden wunsch

      mich befreiend, einmal ein umhegtes

      gelände werden zu können

      genauigkeit und gerümpel, mehr war

      mein leben nicht hier gewesen

      hinter dieser tür, festzuhalten

      mit allen erdenklichen stiften

      ein zuhause also, vom blick her leicht

      abzutasten, zu durchbrechen

      diese abartige kontinuität von

      keimenden erinnerungslücken

      beginnend beim sofa, wo mittagsschlaf

      stattfand unter dieser warmen decke

      vorbei an treppen und konsolen

      hinweg zu den großen fenstern

      fehlt hier das weiß der wände nicht

      wie ich es halt wollte, auch die unruhe

      der beschriebenen blätter, die nachwehen

      meines kümmerlichen lebens morgen werde ich zwischen körben

      kartons und gartengeräten ein rätsel sein

      für mich selbst, wenn sie mich abholen

      ein fragezeichen für die andern

       Gisela Baudy

       wenn

      wenn stille

      an sprache rührt

      entsteht

      reibung

      und licht

      beginnen


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