Denken neu denken. Rudolf Dr. Kreutzer
Unvermögen), d.h. durch fehlerhaftes Denken. Diese Zustände rufen schließlich die Ereignisse hervor2.
4. Die Menschen haben auf Grund ihres traditionellen Denkens zu viel Angst vor externen Bedrohungen (früher: Geister, Dämonen, Götter, Hölle, Fluch, Hexen; heute: Klimawandel, Weltwirtschaftskrise, Viren, höhere Gewalt, Terrorismus) und zu wenig Angst vor den entscheidenden internen Bedrohungen (Vorurteile, Betriebsblindheit, Selbstüberschätzung, Kurzfristdenken, Oberflächlichkeit, u.v.a.m.).
5. Traditionelles Denken bewirkt zu viel Vertrauen auf materielle Sicherheiten (u.a. Besitz, Geld, Mauern, Alarmanlagen, Airbag, Waffen) und legt zu wenig Wert auf die entscheidenden immateriellen Sicherheiten (u.a. Wachheit, Selbstkritikfähigkeit, innere Stimme, Veränderungsbereitschaft, Zuversicht, Weltoffenheit, Weisheit).
Das angesammelte Wissen über Risiken, Gefahren, Schäden und Katastrophen prägte über die vielen Jahre nicht nur mein berufliches, sondern auch mein privates Leben. Die lichtvollen Seiten des Lebens traten in den Hintergrund und die Schattenseiten bekamen einen immer bedrohlicheren Stellenwert. Sie begannen sogar ein tendenziell manisches Potential zu entwickeln.
Ab 2010 konnte und wollte ich mich von den Negativszenarien lösen, um nicht schwermütig zu werden. Ich beschloss, all die angesammelten Antworten auf die Frage „Warum geht etwas kaputt?“ zu verwenden, um daraus völlig neue Schlüsse zu ziehen. Ich war mir sicher, dass mein „altes“ Wissen ein wertvoller Schlüssel für die Antwort auf die Frage war: „Wie entsteht Erfolg?“. Die neuen Forschungsthemen wurden daraufhin:
- Anastrophenschutz (Anastrophe als Gegenteil von Katastrophe)
- Chancenmanagement (als Weiterentwicklung von Risikomanagement)
- Denken (als Vorstufe von Handeln).
Dabei entstand eine neue Neugier, eine neue Freude am Leben und an den Mitmenschen. Und dieses Buch.
ÜBLICHES DENKEN ÜBER DIE URSACHEN VON ERFOLG UND MISSERFOLG
Auf der Suche nach entscheidenden Wesenszügen im Denken, die entweder zu Erfolg oder zu Misserfolg führen, bin ich auf wichtige Verhaltensmuster gestoßen. Es handelt sich um die Arten und Weisen, wie Menschen beurteilen, ob sie eine Kontrolle haben über ein Ereignis, das ihnen widerfährt. Man kann es auch anders formulieren: ob sie sich selbst als Verursacher fühlen für ihre Erfolge und Misserfolge oder ob sie andere dafür verantwortlich oder schuldig machen. Die Psychologen benennen diese Art der Ursachenzuweisung mit den Begriffen ‚Kontrollüberzeugung‘ und ‚Attributionsstil‘.
Wird eine Person nach einem persönlich erlebten Erfolg bzw. nach einem Misserfolg gefragt, wer oder was dieses Ereignis verursacht hat, dann sind prinzipiell folgende fettgedruckten Zuweisungen (Attributionen) alternativ möglich:
- entweder internal („Ich“) oder external („Andere“),
- entweder temporär („Dieses Mal“) oder permanent („Immer“).
Je nachdem, wie nun die Zuweisungen miteinander kombiniert werden, ergeben sich vier einfache Attributionsstile für Erfolg:
a) internal mit temporär, z.B.: „Ich habe mich dieses Mal mächtig angestrengt.“
b) internal mit permanent, z.B.: „Das fällt mir leicht, dafür habe ich ein Talent.“
c) external mit temporär, z.B.: „Meine Frau hat mir diesen guten Rat gegeben.“
d) external mit permanent, z.B.: „Meine Mitarbeiter sind immer hochmotiviert.“
und vier einfache Attributionsstile für Misserfolg:
e) internal mit temporär, z.B.: „Ich habe mich nicht gut vorbereitet.“
f) internal mit permanent, z.B.: „Ich bin schon immer der geborene Pechvogel.“
g) external mit temporär, z.B.: „Mein Berater hat übersehen, dass ….“
h) external mit permanent, z.B.: „Meine Kollegen denken alle immer nur an sich.“
Diese acht Attributionsstile (a bis h) sind in der Tabelle 1 als gelb markierte Felder dargestellt. Jeder dieser Stile hat ein symptomatisches Verhalten zur Folge (grün markiert). Wenn diese Folgewirkungen in angemessenem Umfang, also nicht zu wenig und nicht zu viel, eintreten, dann helfen sie den Personen, sich weiter zu entwickeln.
Tabelle 1 Acht einfache und gebräuchliche Attributionsstile
Meine anfänglichen Recherchen erfassten das Verhalten von hunderten von Menschen aus meinem beruflichen, privaten und öffentlichem Umfeld, die ich persönlich befragt habe. Außerdem wertete ich auch hunderte Aussagen von überregional bekannten Sportlern, Politikern und sonstigen Prominenten aus, die von Journalisten nach den Gründen für ihre Erfolge und Misserfolge gefragt wurden.
Die folgenden Ergebnisse stellen somit einen möglicherweise repräsentativen Querschnitt der verschiedenen Verhaltensmuster in Deutschland dar:
- Manche Menschen attribuieren bzw. hinterfragen gar nicht; sie machen sich keine Gedanken darüber, warum was wann und wie passiert ist; d.h. sie erleben keine Lerneffekte und entwickeln sich nicht weiter.
- Die meisten geben sich mit einem einzigen Feld (von a bis h) zufrieden. Das ist meist dasjenige, das ihnen als erstes in den Sinn kommt. Sie nehmen die Wirklichkeit nur ausschnittsweise wahr; ihr Lerneffekt ist gering.
- Manche nützen mehrere Felder, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass ein Attributionsstil allein zu engstirnig ist. Sie können sich deshalb leichter weiterentwickeln.
- Nur ganz wenige machen sich die Mühe, jedes Mal in allen acht Feldern nach Ursachen zu suchen; das ist ideal für eine erfolgsorientierte Weiterentwicklung!
- Manche favorisieren bestimmte Felder und vernachlässigen die anderen Felder; sie blenden einen Teil der Wirklichkeit aus und vergeben sich einige Chancen.
- Manche meiden strikt ganz bestimmte Felder; das werden ihre sog. blinden Flecke; diese sind häufig an größeren Unglücken beteiligt.
- Die meisten Menschen attribuieren mit einem für sie charakteristischen Attributionsstil über sehr lange Zeit, manche sogar ein Leben lang. Es kann jedoch sein, dass sich der Stil zwischen ihren einzelnen Lebensbereichen (wie z.B. Beruf, Sport, Partnerschaft oder Geldgeschäfte) unterscheidet.
Leider erfahren die Menschen – meist schon als Kinder – negative Prägungen, siehe Kapitel ‚Innere Antreiber und Innere Bremser‘, die sie daran hindern, diese acht Attributionsstile a) bis h) frei und in ausgewogenem Umfang zu wählen. Wer deshalb einen oder mehrere Attributionsstile zu wenig oder zu viel anwendet, zahlt jeweils einen hohen Preis dafür, siehe waagrechte Pfeile in der Tabelle. Diese Konsequenzen (rot markiert) führen alle zu einer Blockade der Entwicklung der Persönlichkeit. Diese Blockade ist besonders dann folgenschwer, wenn das Zuwenig oder Zuviel zu einer Gewohnheit wird.
Diese negativen Folgewirkungen kann jeder Leser (und auch ich selbst) an der eigenen Lebensgeschichte beobachten. Aber viel leichter und unterhaltsamer ist es, sie bei vielen seiner Mitmenschen zu studieren. Die dabei beobachtbaren Folgewirkungen Überlastung, Selbstüberschätzung, Aggression, etc. lassen rückschließen, welche Attributionsfehler sich der Einzelne angewöhnt hat. Diese Erkenntnis kann nicht nur helfen, die Betroffenen zu beraten, sondern auch die eigene Erfolgsorientierung schrittweise zu verbessern.
Wichtig für die erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung ist somit die Nutzung aller acht Attributionsstile in einem ausgewogenem Verhältnis.
In der Praxis allerdings neigen die meisten Menschen nach einem Misserfolg spontan zum externalen Zuweisen. Das heißt, sie neigen dazu, die Schuld bei anderen zu suchen, wenn sie nach dem Grund für den Misserfolg gefragt werden. Beispiele:
- Autofahrer: In über 90 % ihrer Verkehrsunfälle sehen sie die Schuld